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Beitritt des Ländchens Appenzell (1513) auf
den Umfang der 13 alten Orte gebracht wurde.
Dabei blieb es bis 1798.
Nun mischten sich die wegen ihres Kriegsruhms
viel umworbenen Eidgenossen in die italieni-
schen Händel, liehen ihre Waffenunterstützung
bald dem König von Frankreich, bald dem Herzog
von Mailand und eroberten als Verbündete des
Papstes Julius II. das französisch gewordene
Herzogtum Mailand, das sie an Maximilian
Sforza zurückgaben, während sie Lugano, Locarno
und Mendrisio für sich behielten und als Unter-
tanenland von zwölf Orten (ohne Bern) einrich-
teten. Die Graubündner dagegen unterwarfen sich
die Landschaften Veltlin, Kläven (Chiavenna) und
Worms (Bormio), die bis 1797 unter ihrer Ho-
heit verblieben. Die furchtbare Niederlage der un-
einigen Eidgenossen gegenüber dem überlegenen
Heer Franz' I. von Frankreich bei Marignano
bereitete der Großmachtspolitik der Eidgenossen
ein jähes Ende (1515).
Von Deutschland her drang auch die Glau-
bensspaltung in die Schweiz und fand in
Huldreich Zwingli (geb. zu Wildhaus im Tog-
genburg 1484) einen humanistisch gebildeten,
politisch rücksichtslosen Führer. Als Prediger an
der Großmünsterkirche in Zürich trat er seit Jan.
1522 mit seinen Angriffen gegen die Grundlehren
der Kirche auf und fand in seinen reformatorischen
Bestrebungen beim Rat von Zürich willige Unter-
stützung. Nach zwei Disputationen schritt man
zur Abschaffung der Messe, Aufhebung der Klöster
und Zerstörung der Bilder. Von Zürich aus ver-
breitete sich die Reformation nach Basel (Oko-
lampad), Schaffhausen, St Gallen (Vadian),
Appenzell, Glarus, Graubünden und Bern (1528),
ferner in die Untertanenlandschaften Thurgau,
Rheintal und Toggenburg, oft unter Anwendung
von Gewalt. Da sich die katholischen Orte dem
Vordringen der neuen Lehre in ihr Gebiet wie in
die gemeinsam regierten Untertanenlande nach
Kräften widersetzten, so suchte Zwingli einen Rück-
halt im „christlichen Burgrech““, einem
konfessionellen Sonderbündnis, an dem sich die
evangelischen Orte der Eidgenossenschaft und
„Zugewandte“ beteiligten (1527), worauf auch
die fünf katholischen Orte Uri, Schwyz, Unter-
walden, Luzern und Zug zur Erhaltung ihres
katholischen Glaubens unter sich und mit Erzherzog
Ferdinand von ÖOsterreich in eine nähere
Verbindung (Ferdinandeisches Bündnis) traten
(1529). Ein erster kriegerischer Zusammenstoß
führte zu dem den Katholiken nachteiligen ersten
Kappeler Frieden. Nach einem neuen, diesmal für
die Katholiken glücklichen Krieg, wobei Zwingli auf
dem Schlachtfeld sein Leben einbüßte, folgte der
zweite Kappeler Friede (1531), der die Eid-
genossenschaft zu einem paritätischen Staats-
wesen umgestaltete. Neben dem katholischen er-
hielt auch das evangelische Bekenntnis die staats-
rechtliche Anerkennung; es gab fortan neben sieben
Schweiz.
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katholischen Orten: Uri, Schwyz, Unterwalden,
Luzern, Zug, Freiburg und Solothurn, vier evan-
gelische: Zürich, Bern, Basel und Schaffhausen,
und zwei konfessionell gemischte, aber mehrheitlich
ebangelische: Glarus und Appenzell. In den ge-
meinen Vogteien (auch in Graubünden) wurde
die Entscheidung über die Zugehörigkeit zu einem
der beiden Bekenntnisse in die Gemeinden verlegt,
den Minderheiten das Recht, bei ihrem Glauben
zu bleiben, zugestanden, und sofern sie den neuen
Glauben bereits angenommen hätten, wieder zum
katholischen Bekenntnis zurückzukehren. Die Folge
davon war die Restauration des Katholi-
zismus in den gemeinen Vogteien, von denen
die Grasschaft Baden, das Freiamt und Rappers-
wil wieder ganz katholisch, im Thurgau und
heintal die Klöster wiederhergestellt und zahl-
reiche katholische Gemeinden wieder ins Leben ge-
rusen wurden. Auch Solothurn, das dem Abfall
nahe war, blieb bei seinem katholischen Glauben.
Über Bern fand die Reformation zunächst durch
den redegewandten und leidenschaftlichen Fran-
zosen Farel ihren Weg in die welsche Schweiz,
ins Bistum Basel und das anstoßende Gebiet von
Neuenburg sowie die bernisch-freiburgischen Vog-
teien und ins Waadtland. Die Stadt Genf, seit
1526 mit Bern und Freiburg im Bündnis und
längst von Savoyen bedrängt, sah sich vor die
Alternative gestellt, zwischen dem evangelischen und
katholischen Verbündeten zu wählen. Sie entschied
sich für das mächtigere Bern und zugleich für die
von ihm geförderte Reformation (1535). Als
Genfs Verbündeter rückte Bern ins Feld gegen
den Herzog von Savoyen, eroberte das Waadt-
land, das Bistum Lausanne sowie die Landschaften
Gex, Chablais und Faucigny, nördlich und südlich
vom Genfer See, die als Untertanenland in Ver-
waltung genommen und gewaltsam evangelisch
gemacht wurden, während gleichzeitig (1536) auch
Freiburg und Wallis savoyische Landschaften an
sich rissen. Im Frieden von Lausanne (1564)
mußte Bern Gex, Chablais und Faucigny, die
Walliser ihre Eroberung jenseits der Morge an
Savoyen zurückgeben. In Genf war unterdessen
Farel durch den Pikarden Calvin, den eigent-
lichen Reformator französischer Zunge, abgelöst
worden, der mit eiserner Energie und grausamer
Rücksichtslosigkeit eine neue Kirchenordnung ein-
führte und durch Gründung einer Akademie (1559)
befestigte und aus Genf einen Mittelpunkt der re-
formierten Partei, ein „evangelisches Rom“ schuf,
von wo aus sich die Neuerung nach Frankreich,
England, Schottland, den Niederlanden und an-
dern Gebieten verbreitete.
Zur politischen gesellte sich mit Beendigung der
tridentinischen Kirchenversammlung, bei der die
katholische Eidgenossenschaft vertreten war, auch
die kirchliche Restauration des Katholi-
zismus, als deren bedeutendster Vorkämpfer der
hl. Karl Borromäus, Erzbischof von Mai-
land (gest. 1584), in der Schweiz erscheint. Durch