Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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seinen Untertanen entgegenzulommen (1797). Da 
Graubünden sich nicht dazu verstehen konnte, seine 
welschen Untertanen in Veltlin, Kläven und Worms 
freizugeben, so bereitete ein Machtspruch des Ge- 
nerals Bonaparte seinen Herrschaftsrechten ein 
Ende durch Angliederung dieser Gebiete an die 
Zisalpinische Republik (1797). 
Aufgefordert von zwei Schweizer Bürgern, Peter 
Ochs aus Basel und Cäsar Laharpe aus dem 
Waadtland, ließen die Franzosen zwei Armeen 
in die Schweiz einrücken, um die aristokratischen 
Regierungen zu stürzen und alle Untertanenver- 
hältnisse aufzuheben (Jan. 1798). Im Vertrauen 
auf französische Unterstützung erhoben sich die bis- 
herigen Untertanen in Waadt, Unterwallis und 
Toggenburg, in den gemeinen Vogteien von 
Aargau, Thurgau, Rheintal und Sargans und 
erklärten sich frei. Werdenberg, Uznach und Gaster 
wurden aus ihrem bisherigen Untertanenverhältnis 
entlassen und in den ennetbirgischen Vogteien die 
Freiheit proklamiert. Die Franzosen forderten 
Annahme der von Ochs entworfenen Verfassung 
einer unteilbaren helvetischen Republik. 
Durch einen kombinierten Angriff vom Bistum 
Basel und vom Genfer See aus wurden nach Ein- 
nahme von Solothurn, Freiburg und Bern trotz 
des heldenmütigen Widerstands bei Grauholz, 
Fraubrunnen und Neuenegg die alten oligarchischen 
Regierungen aufgelöst, die eroberten Städte mit 
fast unerschwinglicher Kriegskontribution beschwert, 
Klerus und Klöster verfolgt, das Land durch fran- 
zösische Truppen besetzt und ausgesogen. In einem 
neuen Feldzug mußte der Widerstand der Urschweiz, 
besonders der Schwyzer, nach beispielloser Gegen- 
wehr bei Rotenturm und Schindellegi gebrochen 
werden, und als bei Anlaß der Vereidigung die 
Nidwaldner zum Schwert griffen, wurden auch 
sie in blutigem und grausamem Kampf, der 
Weiber und Wehrlose nicht schonte, endlich über- 
wältigt. Die neue helvetische Republik brachte 
die Schweiz in völlige Abhängigkeit von Frank- 
reich und machte sie zum Schauplatz des zweiten 
Koalitionskriegs (1799). Unaufhörliche Verfas- 
sungswirren ließen das durch Kriege und Truppen- 
durchzüge ausgesogene Land nicht zur Ruhe 
kommen. 
Napoleon gab der Schweiz endlich den Frieden 
und in der sog. Mediationsakte (1808) eine 
Verfassung, wodurch die helvetische Zentralisation 
beseitigt, das Land aber unter französisches Pro- 
tektorat gestellt wurde. Das Bistum Basel (1792), 
Genf (1798), Tessin und Wallis (1810) wurden 
zu Frankreich geschlagen. Einen ganz ungenügen- 
den Ersatz erhielt die Schweiz in der Zuteilung 
des bislang österreichischen Fricktales (1803) 
sowie der ebenfalls österreichischen Herrschaften 
Tarasp und Rhäzüns. Mit Napoleons Sturz 
brach die Mediationsverfassung zusammen. Durch 
den Wiener Kongref erhielt Bern in dem juras- 
sischen Teil des ehemaligen Bistums Basel 
etwelchen Ersatz für den Verzicht auf Aargau und 
Schweiz. 
  
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Waadt (1815). Durch den zweiten Pariser Frie- 
den und den Turiner Vertrag wurden dem neuen 
Kanton Genf einige französische und savoyische 
Gemeinden zugeteilt. In den alten aristokrati- 
schen Städten feierte das Patriziat seine Auf- 
erstehung, in den neuen wurde die Landschaft den 
Städten untergeordnet. 
Das Jahr 1830 brachte im Anschluß an die 
französische Julirevolution demokratische Bewe- 
gungen in einer größeren Zahl von Kantonen. 
In Basel veranlaßte der Verfassungsstreit einen 
Bürgerkrieg und im weiteren Verlauf unter eid- 
genössischer Mitwirkung die Trennung in zwei 
Halbkantone Baselstadt und Baselland 
(1833). Ein ähnliches Schicksal drohte dem Land 
Schwyz, wo die äußern Bezirke am oberen Zürcher 
See Gleichstellung mit Innerschwyz verlangten 
und eine vorübergehende Teilung eintrat, aber 
durch eidgenössische Dazwischenkunft wieder rück- 
gängig gemacht werden konnte (1832). Ein Ver- 
such, auch in Neuenburg, das seit 1815 wieder zu 
Preußen gehörte, eine demokratische Verfassung 
einzuführen, wurde durch eidgenössische Truppen 
unterdrückt. Zu gegenseitiger Garantie der neuen 
Kantonsverfassungen schlossen sieben Orte (Zürich, 
Bern, Luzern, Solothurn, Aargau, Thurgau, 
St Gallen) ein Bündnis, das Siebenerkon- 
kordat genannt, und betrieben nun auch die Re- 
vision des eidgenössischen Bundesvertrags von 
1815. Demgegenüber verbanden sich zur Ver- 
hinderung einer Revision die drei Waldstätte, 
Wallis, Basel und Neuenburg, im Sarner 
Bund, der indessen von der eidgenössischen 
Mehrheit durch die Niederwerfung von Schwyz 
gesprengt wurde. Der Kampf wurde hierauf von 
den zu einer Bundesrevision drängenden Radi- 
kalen ins Volk verlegt und auf das kirchliche Ge- 
biet hinübergespielt. Die Badener Artikel 
(1834), welche die Beziehungen von Kirche und 
Staat im Geist josephinischer Aufklärung zu 
regeln trachteten, waren die Kriegserklärung. Die 
Berufung des Gottesleugners David Strauß an 
die theologische Fakultät in Zürich brachte das 
gläubige Landvolk in Aufruhr und zwang die 
dortige Regierung zur Abdankung (1839). Dann 
begann der offene Kampf im Aargau, in dem 
gegen die Garantie des Bundesvertrags vom 
Großen Rat acht Klöster aufgehoben wurden 
(1841). Die Aufforderung der Tagsatzung, 
diesen bundeswidrigen Beschluß rückgängig zu 
machen, parierte Aargau durch den Antrag auf 
Ausweisung der Jesuiten, welche seit 1814 in 
Wallis, Freiburg, Schwyz und Luzern Nieder- 
lassungen gegründet hatten. Zwei Freischaren- 
züge zum Sturz der die Jesuiten schützenden Re- 
gierung von Luzern wurden von dieser blutig ab- 
geschlagen, worauf die katholischen Orte Uri, 
Schwyz, Unterwalden, Luzern, Freiburg und 
Wallis zum Schutz ihrer Souveränitätsrechte und 
gegen äußere Angriffe einen Sonderbund ab- 
schlossen (1845), dessen Auflösung durch die Mehr-
	        
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