Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Schweiz. 
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Zölle; 6) Handel, Industrie und Landwirtschaft; wählt werden. Mitglieder des Bundes-, Rational- 
7) Post-, Telegraphen-, Telephon= und Eisenbahn- 
wesen. Jedes Departement ist einem Mitglied des 
Bundesrats zugewiesen; Entscheidungen gehen 
stets vom Rat als Kollegialbehörde aus. Ent- 
scheidungen des Bundesrats in Administrativ= 
streitsachen unterliegen der Weiterziehung durch 
Rekurs an die Bundesversammlung bezüglich der 
Entscheidung in Verwaltungssachen steht der Bun- 
desrat nur unter der Oberaussicht der Bundes- 
versammlung. Jene Administratiostreitsachen sind 
in Art. 189 des Gesetzes über die Organisation 
der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 auf- 
gezählt (Beschwerden wegen Verletzung der bun- 
desverfassungsrechtlichen Forderungen im Schul- 
wesen, der Handels= und Gewerbefreiheit, des 
Jesuitenverbots, des Verbots neuer klösterlicher 
Niederlassungen, der Vorschriften über das Be- 
erdigungswesen und das Zivilstandswesen, soweit 
Verwaltungsbehörden zuständig sind, der Normen 
betr. unentgeltliche Ausrüstung der Wehrmänner, 
betr. die politische Stimmberechtigung der Bür- 
ger und die kantonalen Wahlen und Abstim- 
mungen auf Grundlage des kantonalen Ver- 
fassungs= und des Bundesrechts, Anstände aus 
denjenigen Bestimmungen der Staatsverträge mit 
dem Ausland, die sich auf Handels= und Zollver- 
hältnisse, Patentgebühren, Freizügigkeit, Nieder- 
lassung und Befreiung von Militärpflichtersatzsteuer 
beziehen, Beschwerden betr. die Anwendung der 
auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bun- 
desgesetze, soweit nicht diese Gesetze selbst etwas 
Abweichendes bestimmen und es sich nicht um Ver- 
letzung privatrechtlicher oder strafrechtlicher Normen 
  
des eidgenössischen Rechts durch Entscheide kan- 
tonaler Behörden handelt. Gerichtsstandsfragen 
bleiben indessen in allen Fällen dem Bundesgericht 
vorbehalten). Der Bundesrat leitet die ständigen 
schweizerischen Gesandtschaften (Paris, Wien, 
Berlin, Rom, Washington, London, Buenos- 
Aires, Yokohama) und die zahlreichen Konsulate 
in allen Erdteilen. Der Bundeskanzler wird von 
der Bundesversammlung auf die Dauer von drei 
Jahren gewählt, ebenso der Vizekanzler; ersterer 
führt die Protokolle des Nationalrats, letzterer 
die des Ständerats. Sitz der Bundesbehörden 
und Versammlungsort der Bundesversammlung ist 
Bern. Die Abgeordneten beider Räte können sich 
nach Belieben einer der Landessprachen (Deutsch, 
Französisch oder Italienisch) bedienen; alle Ge- 
setze, Verordnungen und Beschlüsse der Bundes- 
behörden müssen in diesen drei Sprachen gedruckt 
werden. Bei ernstlichen Ruhestörungen haben die 
Bundesbehörden das Recht der Intervention, und 
falls dadurch die Sicherheit der Schweiz bedroht 
wird, die Pflicht, einzuschreiten. 
3. Das Bundesgericht besteht aus 19 Mit- 
gliedern und 9 Ersatzmännern, welche von der 
Bundesversammlung mit Berücksichtigung der drei 
Landessprachen aus den stimmberechtigten Schwei- 
zerbürgern weltlichen Stands auf 6 Jahre ge- 
  
  
und Ständerals und von diesen Behörden ge- 
wählte Beamte können dem Bundesgericht nicht 
angehören. Aus der Zahl der Bundesrichter wählt 
die Bundesversammlung einen Präsidenten und 
einen Vizepräsidenten auf 2 Jahre. Innerhalb 
des Bundesgerichts ist zu unterscheiden: a) das 
Plenum (für alle Rechtssachen, die nicht ausdrück- 
lich den Sektionen überwiesen sind); b) die zivil- 
rechtliche Abteilung; c) die öffentlichrechtliche 
Abteilung; d) die Kammer für Schuldbetreibungs- 
und Konkurssachen; e) die Abteilungen für Straf- 
rechtspflege, nämlich oc) Anklagekammer, ") Krimi- 
nalkammer mit Zuziehung von 12 Geschworenen 
(Assisenhof), J) das Bundesstrafgericht, 5) Kassa- 
tionshof. Die Geschworenen beim Bundesgericht 
werden ebenfalls auf 6 Jahre gewählt. Zu diesem 
Behuf ist die Schweiz in 5 Assisenbezirke ein- 
geteilt. Die Kriminalkammer bezeichnet die Orte, 
wo jeweilen die Assisen abgehalten werden. Das 
Bundesgericht ist zuständig 1) als Zivilgerichts- 
hof: a) als einzige Instanz in Streitigkeiten 
zwischen Bund und Kantonen, zwischen Kantonen 
unter sich, zwischen den Kantonen oder Bund einer- 
seits und Korporationen und Privaten anderseits, 
wenn der Streitwert mindestens 3000 Franken be- 
trägt und die eine oder andere Partei es verlangt; 
in Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden 
verschiedener Kantone; in allen Zivilsachen, die 
durch Bundesgesetze ausschließlich dem Bundes- 
gericht zugewiesen sind, z. B. Erfindungspatente; 
b) als Beschwerde-Instanz in Streitsachen des 
eidgenössischen Expropriationsrechts bei Eisenbahn- 
Zwangsliquidation, bei Amortisation von Wert- 
papieren; c) als Berufungsinstanz gegen die in 
der letzten kantonalen Instanz erlassenen Haupt- 
urteile, sofern der Streitwert 2000 Franken beträgt 
und die Anfechtung wegen Nichtanwendung oder 
unrichtiger Anwendung des eidgenössischen Rechts 
erfolgt. Hierher gehören auch die Streitsachen be- 
treffend Personenstand und Ehe, Firma, Handels- 
und Fabrikmarken, Muster- und Modellschutz und 
Urheberrecht; d) als Kassationsinstanz in jenen 
Fällen, die nach eidgenössischem Recht zu beurteilen 
sind, aber wegen zu geringen Werts Berufung an 
das Bundesgericht nicht zulassen, wenn kantonales 
oder ausländisches statt eidgenössischen Rechts an- 
gewendet worden war. 2) In Strafsachen ist es 
zuständig a) als Bundesassisenhof für Hochverrat 
und Aufruhr, Verbrechen und Vergehen gegen das 
Völkerrecht, bei politischen Verbrechen und Ver- 
gehen, die eine Intervention des Bunds hervor- 
gerufen haben, bei Amtsverbrechen eidgenössischer 
Beamten und in Strafsachen, welche durch die 
kantonalen Gesetze dem Bundesgericht zugewiesen 
werden. b) Erst= und letztinstanzlich beurteilt das 
Bumdesstrafgericht alle nicht dem Assisenhof zu- 
gewiesenen Straffälle, die der Bundesgerichtsbarkeit 
unterstellt sind (hierher gehören die Ubertretungen 
der eidgenössischen fiskalischen und polizeilichen 
Gesetze, grobe Nachlässigkeiten der Eisenbahn= und
	        
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