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burg staatlicher Einmischung enthalten, gesetzlich
geregelt ist von den gemischten Angelegenheiten
nur die Zirkumskription der Pfarreien und Ver-
mögensverwaltung in den Pfarrgemeinden; frei-
heitlich ist auch das tessinische Kirchengesetz vom
28. Jan. 1886; auch Uri, Schwyz, Ob= und
Nidwalden, Appenzell-Innerrhoden und Zug be-
kunden der Kirche gegenüber ihr Wohlwollen;
Luzern hat das alte Staatskirchentum auf der
Grundlage des vom Heiligen Stuhl verworfenen
wessenbergischen Konkordat vom 19. Febr. 1806
mit ungenügenden Modifikationen beibehalten,
leitet aber jetzt eine Revision ein. In den pari-
tätischen Kantonen St Gallen, Graubünden,
Glarus, Aargau und Thurgau herrscht eine ziem-
liche Autonomie der Kirche, soweit nicht das frühere
Staatskirchentum die rein kirchliche Natur mancher
Gegenstände verdunkelt und deren Einbeziehung
in das Gebiet der gemischten Angelegenheiten und
daher staatliche Einflußnahme bewirkt hat. Zur
Behandlung der gemischten konfessionellen Landes-
angelegenheiten bestehen in diesen Kantonen be-
sondere Vertretungskörper des katholischen bzw.
protestantischen Volksteils. Die von der protestan-
lischen Mehrheit des Kantons Bern dem katho-
lischen Volksteil aufgezwungene Kirchenorganisa-
tion vom 18. Jan. 1874 widerspricht den Grund-
sätzen der katholischen Kirchenverfassung; die
vorgesehene katholische Laiensynode, welche die
Kirche selbst repräsentieren sollte, trat infolge des
passiven Widerstands 17 Jahre nicht zusammen.
Seil dem Dekret vom 27. Nov. 1895 ist an ihre
Stelle eine Kirchenkommission für die römisch-
katholische Landeskirche geschaffen (4 Geistliche
und 7 Laien), der das Antrags= und Vorbera-
tungsrecht in allen römisch-katholischen Kirchen-
sachen, soweit sie in den Bereich der Staatsbehörden
fallen, zustehen soll. In einigen Kantonen besteht
die Neigung, den politischen Demokratismus auf
kirchliches Gebiet zu verpflanzen und in diesem
Geist die Kirchengemeinde ohne Rücksicht auf die
Natur der Pfarrei als Teilorganismus der Kirche
zum Grundelement der staatlichen Kirchenorgani-
sation zu erheben, ferner das Recht der Abberufung
der Pfarrer oder der periodischen Wiederwahl
derselben (Zürich, Solothurn, Aargau, Glarus,
Bern).
Römisch-katholisches Kirchenwesen.
Vor der Glaubenstrennung gehörten außer Grau-
Schweiz.
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unter dem Erzbischof von Vienne. Tessin und
Welsch-Graubünden standen damals teils unter
der Erzdiözese Mailand teils unter Novara. Seit
1884 wurde mit Zustimmung des Papstes der
Tessin an das Bistum Basel angeschlossen, aber
einem eignen Apostolischen Administrator unter-
stellt. Seit der Glaubenstrennung sind sämtliche
schweizerischen Bistümer direkt dem Heiligen Stuhl
unterstellt. Nach Aufhebung des Bistums Kon-
stanz (1803) wurden die schweizerischen Gebiets-
teile, die dazu gehört hatten, davon abgetrennt und
teils provisorisch mit Chur teils mit andern Diö-
zesen der Schweiz vereinigt. Das unter französischer
Herrschaft vorübergehend mit Straßburg vereinigte
Bistum Basel wurde im Jahr 1828 mit Sitz in
Solothurn wieder hergestellt, ein neues Bistum
St Gallen 1845 gegründet. Die gegenwärtige
Ordnung der Bistümer der Schweiz ist teilweise
nur provisorisch; ein Metropolitanverband besteht
nicht. Zum Bistum Chur gehören die Kantone
Graubünden und Schwyz, provisorisch auch Uri,
Unterwalden, Glarus und Zürich; zum Bistum
St Gallen: St Gallen und provisorisch Appen-
zell; zum Bistum Basel-Lugano: Basel, Bern
(gegenwärtig ausgetreten), Luzern, Zug, Solo-
thurn, Aargau, Thurgau, Schaffhausen und Tessin
(mit eigner Administration). Freiburg, Neuen-
burg, Waadt und Genf bilden die Dihözese Lau-
sanne-Genf mit Residenz in Freiburg. Wallis steht
unter Sitten. — Bischofswahlen: In Chur
besteht die kanonische Wahl durch das Domkapitel;
das Domkapitel Basel wählt auf Grund einer
Liste, nachdem die Regierungen der Diözesankan-
tone Gelegenheit hatten, minder genehme Kandi-
daten auszuschließen; in St Gallen wählt das
Domkapitel, wobei das katholische Kollegium
(Vertretung des katholischen Volksteils) ein Ex-
klusionsrecht hat; in Sitten wählt das Parlament
des Kantons Wallis nach einer Viererliste des
Donmkapitels; der Papst ernennt den Bischof von
Lausanne-Genf und den Apostolischen Admini-
strator von Tessin. — Es bestehen in der Schweiz
noch 46 Männer= und 45 Frauenklöster, jene mit
957, diese mit ca 2000 Konventualen. Unter den
„Männerklöstern sind am zahlreichsten die Kapu-
ziner mit 36 Niederlassungen, dann folgen die
drei altehrwürdigen Benediktinerabteien Einsiedeln,
Engelberg und Disentis, zwei Augustinerklöster
auf dem großen St Bernhard und in St Mau-
bünden Teile von St Gallen, Uri und Glarus rice, beide in Wallis, ein Franziskanerkloster in
zum Bistum Chur, die übrige deutsche Schweiz Freiburg und ein Kartäuserkloster in Valsainte
bis an die Aare zum Bistum Konstanz, beide Bis-(Kanton Freiburg).
lümer zur Erzdiözese Mainz. Die nordwestliche Im Jahr 1873 wurde die altkatholische
Schweiz war dem Bistum Basel, die Gebiete der Kirche der Schweiz gegründet und zu deren Bischof
heutigen Kantone Bern (links von der Nare, ohne im Jahr 1876 der katholische Priester Professor
Jura), Neuenburg, Freiburg und Waadt dem Herzog ernannt. Zugleich wurde an der Universi-
Bistum Lausanne unterstellt; die beiden Bischofs= tät in Bern eine stets spärlich besuchte altkatholisch-
sitze gehörten zum erzbischöflichen Stuhl von Be= theologische Fakultät errichtet (1874). Trotz der
sangon. Außerdem gab es noch zwei Bistümer: Begünstigung durch verschiedene Kantonsregie-
Sitten (für Wallis) unter dem Erzbischof von rungen, besonders Bern und Genf, gelangte die
Moutiers en Tarentaise in Savoyen und Genf altkatholische (offiziell „christkatholische") Kirche