Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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der Schweiz nicht zur Blüte; die Zahl ihrer An- 
hänger dürfte 50 000 nie überschritten haben und 
verminderte sich alljährlich. 
Die protestantische (reformierte) Kirche. 
Es gibt nur Kantonalkirchen, keine schweizerische 
reformierte Kirche; manche Angelegenheiten wer- 
den aber gemeinsam durch interkantonale Kon- 
ferenzen der Kirchenbehörden erledigt. Fast jeder 
Kanton hat seine eigne Liturgie; wegen Ab- 
weichungen wird der einzelne Pfarrer nicht zur 
Verantwortung gezogen. Die Kirchenlehre ist in 
den Landeskirchen nicht an ein offizielles Glau- 
bensbekenntnis gebunden, die verschiedenen reli- 
giösen Richtungen haben zu schweren Kämpfen 
geführt, so daß in einigen Kantonen (Appenzell- 
Außerrhoden, St Gallen, Zürich, Basel-Stadt) 
durch staatliche Gesetzgebung die Bildung von Mi- 
noritätsverbänden innerhalb der Landeskirche vor- 
Schweiz. 
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Für das Unterrichtswesen werden große 
Opfer gebracht. Laut Bundesverfassung müssen 
die Kantone für genügenden Primarunterricht 
sorgen, der ausschließlich unter staatlicher Leitung 
stehen, obligatorisch und in den öffentlichen Schulen 
unentgeltlich sein soll. Privatschulen werden von 
den Kantonen mit bestimmten Beschränkungen 
unter Staatsaufsicht gestattet. Die „ausschließlich 
staatliche Leitung“ des Primarunterrichts hindert 
nicht, daß auch Geistliche in Schulaufsichtskom- 
missionen gewählt werden. In manchen Kan- 
tonen sind Ordenspersonen von der Erteilung des 
Schulunterrichts ausgeschlossen. Die Bundes- 
verfassung verlangt ferner die Neutralität der ge- 
mischten öffentlichen Schulen: „Die öffentlichen 
Schulen sollen von den Angehörigen aller Be- 
kenntnisse ohne Beeinträchtigung ihrer Glaubens- 
und Gewissensfreiheit besucht werden können.“ 
  
gesehen ist. In Neuenburg hat das Kirchengesetz Daraus wurde vielfach die Konfessionslosigkeit der 
von 1873, das jeden politisch Stimmberechtigten, Schule abgeleitet; doch ist bundesrechtlich nicht 
abgesehen von einem bestimmten Bekenntnis, als gefordert, daß jede öffentliche Schule allen Kon- 
Glied der Nationalkirche erklärte und für Beklei= fessionen offen stehen muß, sondern nur, daß jeder 
dung geistlicher Amter völlige Gewissensfreiheit Konfession eine öffentliche Schule ohne Verletzung 
ohne jede konfessionelle Verpflichtung proklamierte, der Gewissensfreiheit offen stehe. Konfessionsloser 
zur Bildung einer Freikirche geführt, zu der die 
Professoren der theologischen Fakultät und 27 
Geistliche übertraten. Ebenso bildeten sich Frei- 
kirchen durch Spaltungen der Nationalkirche in 
Genf (seit 1849) und Waadt (seit 1847, von 
246 Geistlichen verblieben nur 99 in der Landes- 
Religionsunterricht wird erteilt in den Schulen 
von Nargau, Basel-Stadt, Zürich; religionsloser 
Sittenunterricht in jenen von Solothurn. Der 
konfessionelle Religionsunterricht ist entweder nur 
fakultatives Schulfach, oder wird überhaupt nur 
außerhalb der Schulzeit erteilt. Organisation und 
kirche). Außerdem bestehen noch in verschiedenen Leitung des Primarschulwesens ist Sache der Kan- 
Kantonen freie Gemeinden und eine Reihe von tone, ebenso sind sie zuständig im Mittel= und 
Sekten, von denen die Methodisten die meisten Hochschulwesen. Eidgenössisch ist nur das Poli- 
Anhänger zählen. In Zürich ist kein evangelischer kechnikum in Zürich. Dagegen unterstützt die Eid- 
Vater gezwungen, seine Kinder taufen zu lassen genossenschaft zahlreiche gewerbliche, industrielle, 
oder in den Religionsunterricht zu schicken. Hier kommerzielle und landwirtschaftliche Schulen und 
wie in Basel-Stadt ist die Taufe nicht Bedingung 1 gewährt Stipendien zum Besuch solcher Anstalten 
der Mitgliedschaft in der Landeskirche. — Die und für Studienreisen. Besonders gesetzlich ge- 
kantonalen Synoden bilden die obersten kirchlichen regelt ist die Bundessubvention der Volksschulen. 
Behörden. Sie bestehen aus weltlichen und geist-Im Jahr 1907 gab es in der Schweiz 4689 
lichen Abgeordneten, die entweder vom Staat oder Primarschulen (3388 Schulgemeinden, 13 065 
von den Gemeinden ernannt werden. Die Syn-Schulabteilungen), an denen 7270 Lehrer und 
oden entscheiden nur in rein kirchlichen Dingen 4444 Lehrerinnen zusammen 262 363 Schüler 
(Gottesdienst, Liturgie, Religionsunterricht) end= und 263 880 Schülerinnen unterrichteten. Se- 
gültig. In allen andern Dingen (Verwaltung kundarschulen gab es 619 mit 1511 Lehrern 
der Kirchengüter, Besoldung der Geistlichen, Ab= und 229 Lehrerinnen, die zusammen 25 415 
grenzung der Kirchengemeinden usw.) bedürfen Schüler und 20 808 Schülerinnen unterrichteten. 
ihre Beschlüsse der staatlichen Zustimmung. Die Kleinkinderschulen gab es 946 mit 1232 
oberste evangelische Verwaltungsbehörde, in der Lehrerinnen, 42 506 Kindern (21.002 Knaben, 
Regel von der Regierung ernannt, hat die Syn= 21 504 Mädchen). Allgemeine Fortbildungs- 
odalbeschlüsse vorzubereiten und zu vollziehen und schulen wurden 2700 mit 42 169 Schülern ge- 
die Visitationen durchzuführen. Die evangelischen zählt. Außerdem für Zwecke spezieller Fortbil- 
Pfarrer, die auf Grund einer Staatsprüfung die dung: 311 Industrieschulen mit 20 753 Schülern, 
Zulassung zur Ordination erhalten, werden in 83 Kaufmännische Fortbildungsschulen mit 10 741 
der Mehrzahl der Kantone von der Kirchengemeinde Schülern, 10 Landwirtschaftsschulen mit 203 
für 3/8 Jahre gewählt. In einigen Kantonen Schülern (dazu noch 12 Landwirtschaftliche Winter- 
besteht ein Recht der Abberufung der Pfarrer. 1 schulen mit 664 Schülern), 439 „hauswirtschaft- 
Das Gehalt bestreitet in der Regel der Staat, die liche" Schulen (Haushaltungsschulen) mit 10 905 
Gemeinden nur Beiträge. Zwischen 7½ Kan-- Schülerinnen. Mittelschulen mit Anschluß 
tonen besteht ein Konkordat über Freizügigkeit an das akademische Studium gab es (1906); 37 
der evangelischen Geistlichen. mt 11 374 Schülern. Lehrerbildungs- 
 
	        
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