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Verträgen des bürgerlichen Rechts, namentlich dem
Frachtvertrag, einen eigentümlichen Stempel auf-
gedrückt. Der Seefrachtvertrag (88 556 ff)
ist freilich dem Werkvertrag sehr ähnlich, ohne in-
dessen in diesem restlos aufzugehen. Der Vertrag
bezieht sich entweder 1) auf das Schiff im ganzen
oder einen verhältnismäßigen Teil oder einen be-
stimmt bezeichneten Raum des Schiffs oder 2) auf
einzelne Güter (Stückgüter). Der erstere Vertrag
wird als Chartervertrag bezeichnet. Jede Partei
kann verlangen, daß über den Vertrag eine schrift-
liche Urkunde (Chartepartie) errichtet wird. Als
Befrachter tritt sehr häufig ein Spediteur auf, der
den Vertrag im eignen Namen, aber für fremde
Rechnung mit dem Verfrachter abschließt. Bei der
Chartepartie ist ein großer Teil ihres Inhalts
typisch; sie wird daher durchweg nach gedruckten
Formularen vereinbart. Nach Ablieferung des
Frachtguts oder eines Teils davon an das Schiff
erhält der Ablader von diesem zunächst gewöhnlich
eine Empfangsbescheinigung des Steuermanns
(mates-receipt). Soweit nicht durch Vertrag oder
durch örtliche Verordnung oder Ortsgebrauch ein
anderes bestimmt ist, sind die Güter von dem Be-
frachter kostenfrei bis an das Schiff zu liefern,
dagegen die Kosten der Einladung in das Schiff
von dem Verfrachter zu tragen. Der Ablader bringt
z. B., nachdem der Schiffer seine Ladebereitschaft
angezeigt hat, die abgewogenen Güter mittels
Leichter neben das Schiff, verbindet noch den
Ballen mit der Windekette, worauf dann das
Schiff die Ladung in den Schiffsraum befördert.
Mit dem auf jene Anzeige folgenden Tag hatte
die „Ladezeit“ von vereinbarter, üblicher oder an-
gemessener Länge begonnen. Über die Ladezeit
hinaus hat der Verfrachter auf die Abladung noch
länger zu warten, wenn es vereinbart ist (Über-
liegezeit). Nicht für die Ladezeit, wohl aber für
die Uberliegezeit hat der Befrachter dem Ver-
frachter eine Vergütung wegen des Zeitverlustes
(Liegegeld, demurrage) zu gewähren. Ist eine
Überliegezeit, nicht aber deren Dauer ausgemacht,
so beträgt sie nach dem Gesetz (6 568) 14 Tage —
eine Frist, die im Hinblick auf die vorzüglichen
modernen Ladevorrichtungen und den großen Wert
der neuen Schiffe außerordentlich lang erscheint.
(Die Regeln über Lade= und Überliegezeit wieder-
holen sich bei der Löschung.) Ist die Ladezeit und
die — vereinbarte — Überliegezeit abgelaufen, so
ist zwar der Verfrachter nicht verpflichtet, auf die
Ladung noch länger zu warten, er muß aber seinen
Willen, nicht länger zu warten, spätestens 3 Tage
vor dem Ablauf der Ladezeit oder der Uberliege-
zeit dem Befrachter erklären. Ist dies nicht ge-
schehen, so läuft die Ladezeit oder Uberliegezeit
nicht eher ab, als bis die Erklärung nachgeholt ist
und seitdem 3 Tage (Sonn= und Festtage einge-
rechnet) verstrichen sind. Da der Verfrachter an
einer beschleunigten Schiffsbeladung ein erhebliches
Interesse hat, so wird von ihm nicht selten für die
Beschleunigung eine Prämie versprochen (despatch.
Seerecht usw.
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money). Kann der Befrachter nicht die volle La-
dung heranschaffen, so hat auf sein Verlangen der
Verfrachter die Reise auch ohne die volle bedungene
Ladung anzutreten; der Verfrachter erhält dann
seine volle Vergütung zuzüglich etwaiger Mehrkosten
(z. B. Ballastkosten). Eigenartig sind die Bestim-
mungen über die Fautfracht, die dem Charter-
befrachter, solange die Reise noch nicht angetreten
ist, ein Rücktrittsrecht gewähren. Will der Be-
frachter von diesem Recht Gebrauch machen, so
hat er als gesetzlich festgesetzte Abstandssumme die
Hälfte der bedungenen Fracht als Fautfracht zu
zahlen. Dies ist die Hauptregel, die durch eine
Reihe ergänzender, den besondern Umständen des
Einzelfalls angepaßter Vorschriften näher ausge-
staltet ist (§§ 580 ff). Auf andere Endigungs-
gründe, die den Frachtvertrag betreffen, kann hier
nur hingewiesen werden (s. 5§ 628 ff). — Ab-
weichenden Bestimmungen ist der Frachtvertrag,
welcher die Stückgüter zum Gegenstand hat, unter-
worfen. Die großen Reedereien haben für den in
der Neuzeit immer mehr angewachsenen Stück-
güterverkehr feste Linien zwischen bestimmten Häfen
eingerichtet. Die auf diesen Linien fahrenden
Schiffe haben ihre bekannten Ladeplätze, nach denen
die Befrachter die zu versendenden Güter leiten.
Der Schiffer fordert die Befrachter zur Beladung
(Bewirkung der „Abladung") auf, sei es durch
besondere Zuschrift oder durch öffentliche Bekannt-
machung (Fahrpläne). Der Befrachter muß als-
dann seine Abladung behufs Verfrachtung durch
das Schiff ohne Verzug bewirken. Im Fall seiner
Säumnis braucht der Verfrachter nicht zu warten;
gleichwohl muß der Befrachter die volle Fracht
bezahlen, es sei denn, daß der Verfrachter Ersatz-
güter annahm.
Das Einlaufen in den Löschhafen hängt von
der Tiefe des Fahrwassers und dem Tiefgange des
Schiffs ab. Diesen Umständen pflegt durch ver-
schiedene Vertragsklauseln Rechnung getragen zu
werden. Eine bekannte englische Klausel der
charter party lautet: To proceed to the port
or s# near thereunto, as she may safely get
always afloat. Die deutsche Praxis versteht die
Klausel dahin, daß das Schiff die Güter in
Leichter überladen darf, daß es aber die dadurch
erwachsenden Kosten zu tragen hat. Dem wird
wieder durch anders gefaßte Klauseln entgegen-
getreten, wie denn überhaupt die Seefracht tat-
sächlich weit mehr durch vereinbarte Vertrags-
klauseln als durch die gesetzlichen Normalvorschriften
geregelt wird. In den größeren Häfen wird die
Beladung sowohl als die Löschung staatlichen oder
auch privaten (man denke an die Bremer Lager-
hausgesellschaft) Kaianstalten übertragen, die den
Verkehr zwischen dem Schiffer (Reeder) einerseits
sowie den Abladern und Empfängern anderseits
als Vertreter beider Teile vermitteln.
In der Zeit von der Annahme des Guts bis
zur Ablieferung haftet der Verfrachter (als Reeder
oder Ausrüster mit der oben angegebenen Beschrän-