1081
Verein tagt in Hamburg. Seit jener ersten Sitzung
des Comité marit. intern. in Brüssel hat eine
Reihe von Zusammenkünften stattgefunden: 1898
in Antwerpen, 1899 in London, 1900 in Paris,
1902 in Hamburg, 1904 in Amsterdam, 1905
in Liverpool, 1906 in Paris, 1907 in Venedig,
1909 in Bremen. Eshandeltsich namentlich um die
Reglung folgender Rechtsgebiete: Zusammenstoß
von Schiffen, Haftbarkeit der Reeder, Bergung
und Hilfeleistung in Seenot, Schiffshypotheken
und Schiffspfandrechte (mortgages and liens
on ships). Es sind bereits verschiedene Ent-
würfe für internationale Verträge aufgestellt
worden. Diese bildeten den Gegenstand der Be-
ratungen auf vier internationalen Versammlungen
von Regierungsvertretern in Brüssel, Februar und
Oktober 1905, 1909 und 1910. Auf der Der-
sammlung des Comité marit intern. in Venedig
wurden die in Liverpool vorbereiteten, in Paris
aufgestellten Entwürfe durchberaten. Es kamen nun
die sog. Venediger Entwürfe zustande, welche die
Vorlage für eine zukünftige Beratung der Re-
gierungen bilden sollten. Die Entwürfe haben
die Haftung des Reeders sowie die Schiffshypo-
theken und Schiffsgläubigerrechte zum Gegenstand.
Die Venediger Entwürfe treffen bei der Reeder-
haftung den Punkt, wo sich die größten Schwierig-
keiten für eine internationale Reglung zeigen. Vier
Rechtssysteme kommen in Frage: das deutsch-
skandinavische Exekutionssystem, das romanische
Abandonsystem, das amerikanische Werthaftungs-
sostem und das englische System der Haftung mit
gewissen Höchstbeträgen (8 Pfd. Sterl. die Tonne).
Die Engländer hielten zähe an ihrem System fest.
Noch auf der Versammlung in Liverpool schien
aus diesem Grund eine Einigung ausgeschlossen
zu sein. Und auch in Venedig wäre man zur Auf-
stellung der bezeichneten Entwürfe wohl nicht ge-
kommen, wenn nicht die englische Regierung hätte
erklären lassen, sie wolle ihre weitere Stellung-
nahme zu den vorläufigen Vereinbarungen über
den Schiffszusammenstoß und die Bergung davon
abhängig machen, ob man in betreff der Reeder-
haftung zu einem Ergebnis gelange. Dies führte
zu einem Kompromiß, der halb freiwillig halb
erzwungen war. Ob auf diesem die angestrebte
einheitliche Gesetzgebung sich wird aufbauen können,
darüber gehen die Meinungen zurzeit noch aus-
einander.
Zu dem Seerecht in nahen Wechselbeziehungen
steht das Recht der auf Flüssen, Landseen, Ka-
nälen betriebenen Binnenschiffahrt. Dieses
in früherer Zeit große Lücken aufweisende Rechts-
gebiet fand in Deutschland umfassende Reglung
in dem Reichsgesetz betr. die privatrechtlichen Ver-
hältnisse der Binnenschiffahrt vom 15. Juli 1895
(Anderungen im Einf. Ges. zum H.G.B. vom
10. Mai 1897, Art. 12; Bekanntmachung des
neuen Textes vom 20. Mai 1898). Die Staats-
verträge, welche die Schiffahrt auf den bedeutend-
sten Binnengewässern betreffen (namentlich die
Seerecht usw.
1082
Elbschiffahrtsakte vom 23. Juni 1821, die Weser-
chiffahrtsakte vom 10. Sept. 1823, die Rhein-
schiffahrtsakte vom 31. März 1831, die Donau-
schiffahrtsakte vom 7. Nov. 1857), befassen sich
fast ausschließlich mit Fragen des öffentlichen
Rechts. Das private Binnenschiffahrtsrecht hat
sein Vorbild im Seerecht des H.G.B. Die Be-
ziehungen zwischen beiden Rechtsgebieten sind in
der neuesten Zeit um so enger geworden, je weiter
die Seeschiffe auf den großen Kanälen und den
regulierten Strömen ins Binnenland vordringen
und je weiter umgekehrt die größeren Binnen-
schiffe sich aufs Meer hinauswagen. An mehreren
Stellen verweist das Binnenschiffahrtsgesetz aus-
drücklich auf das Seerecht, so im § 85 in Bezug
auf die Vergütungen und Beiträge bei der großen
Haverei (§8 78/91) sowie im § 92 in betreff der
Schadensersatzpflicht beim Zusammenstoß von
Schiffen. Bergung und Hilfeleistung werden in
den §§ 93/101 nach dem seerechtlichen Vorbild
geregelt. Über ein der seerechtlichen Verklarung
ähnliches Verfahren vgl. 88 11 ff. Der Eigen-
tümer des zur Schiffahrt auf Binnengewässern
verwendeten Schiffs wird vom Gesetz nicht Reeder
(Binnenreeder, Kahnreeder), sondern Schiffs-
eigner genannt. Die größeren Schiffe sind in das
Schiffsregister einzutragen, in das auch die Ver-
pfändung — §§ 1259 ff B.G.B. — eingeschrieben
wird (vgl. III 697). Binnenschiffe, die nicht in
ein deutsches Schiffsregister eingetragen sind, wer-
den wie sonstige bewegliche Sachen behandelt,
können also nur durch Übergabe zum Faustpfand
verpfändet werden. Der Erwerb des Eigentums
an einem Binnenschiff — registriert oder nicht —,
das Rechtsverhältnis der Miteigentümer (keine
Partenreederei), die Vermietung eines Binnen-
schiffs untersteht ebenfalls dem allgemeinen bürger-
lichen Recht. Den „Schiffer“ des Seerechts kennt
auch die Binnenschiffahrt; er ist zu ordentlicher
Sorgfalt verpflichtet (§ 7). Für den Schaden,
den der Schiffer, die Schiffsmannschaft oder die
übrigen auf dem Schiff angestellten Personen (mit
Ausnahme des Zwangslotsen) einem Dritten durch
ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstver-
richtungen zufügen, ist neben den Schuldigen der
Schiffseigner verantwortlich. Auch hier haftet
dieser aber regelmäßig (namentlich abgesehen von
eignem Verschulden) nur mit Schiff und Fracht
(§§ 3, 4). Was die persönliche Haftung des
schuldigen Schiffers anlangt, so enthält das Gesetz
die wichtige Zusatzbestimmung, daß der Schiffs-
eigner, wenn er selbst das Schiff führt, für einen
durch seine fehlerhafte Führung entstandenen
Schaden ausschließlich mit Schiff und Fracht
haftet, es sei denn, daß dem Schiffer-Schiffs-
eigner eine bösliche Handlungsweise zur Last falle.
Dieser Zusatz ist ein Ausfluß sozialer Erwägungen;
er ist vom Reichstag in das Gesetz eingefügt wor-
den, um die Kleinschiffer, die ihren eignen Kahn
führen, vor rechtlichen Nachteilen gegenüber den
großen Binnenreedern zu schützen. Sind mehrere
—