Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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befinden; sie hat das Recht, Interpellationen und 
Fragen an die Minister zu richten, die im Lauf 
der Session zu beantworten sind, das Recht, En- 
queten über Fragen der Wahlen und reine Ver- 
waltungssachen anzuordnen. Die Abgeordneten 
sind für ihre Abstimmungen und Reden nur der 
Kammer selbst verantwortlich und können, außer 
bei Ergreifung auf frischer Tat, nicht ohne vor- 
herige Ermächtigung der Skupschtina gerichtlich 
verfolgt werden. Außer den Reisekosten erhalten 
sie eine tägliche Entschädigung von 15 Dinaren 
während der Ausübung ihres Mandats. 
Für eine „Große“ Skupschtina werden doppelt 
soviel Abgeordnete gewählt als für eine Gewöhn- 
liche. Die Große Skupschtina ist einzuberufen zur 
Wahl eines Königs, wenn kein Thronberechtigter 
vorhanden ist, zur Ernennung des Regentschafts- 
rats dann, wenn der verstorbene König keine 
Kandidaten vorgeschlagen hat, zur Beschlußfassung 
über Verfassungsänderungen, über Veräußerung 
oder Tausch des Staatsgebiets und wenn der 
König die Befragung einer Großen Skupschtina 
für nützlich hält. Eine Anderung des Wahlrechts 
(Einführung des allgemeinen Wahlrechts. Be- 
seitigung des Wahlzensus usw.) steht bevor. 
Die Rechte, welche die Verfassung garantiert, 
sind persönliche Freiheit, Schutz vor ungesetzlicher 
Verhaftung, vor Verurteilung durch einen nicht 
zuständigen Gerichtshof, Freiheit des Aufenthalts, 
Unverletzlichkeit des Domizils, des Eigentums, 
Gewissens-, Preß-, Vereins= und Versammlungs-, 
Unterrichtsfreiheit, Abschaffung der Todesstrafe 
für rein politische Vergehen (außer für Attentate 
auf den König und Mitglieder des Herrscher- 
hauses) usw. Fremde genießen den Schutz der 
Gesetze und können durch Vertrag zu öffentlichen 
Amtern zugelassen werden. 
An der Spitze der Staatsverwaltung steht 
der Ministerrat (zurzeit 9 Mitglieder); die Mit- 
glieder leiten die verschiedenen Verwaltungszweige 
(Inneres, öffentlicher Unterricht und Kultus, 
Außeres, Finanzen, Krieg, Handel, Ackerbau und 
Industrie, öffentliche Arbeiten, Justiz), während 
der Vorsitzende kein Portefeuille zu bekleiden 
braucht. Die Minister müssen Serben von Ge- 
burt oder seit 5 Jahren naturalisiert sein; sie 
haben das Recht, und auf Verlangen der Skup- 
schtina die Pflicht, den Sitzungen des Parlaments 
beizuwohnen, aber kein Stimmrecht. Sie sind der 
Skupschtina für alle in der Ausübung ihres Amts 
vollzogenen Handlungen verantwortlichund können 
vom König oder der Skupschtina (mit 3-Mehr- 
heit der anwesenden Mitglieder) wegen bestimmter 
Vergehen (Verrat, Verletzung der Verfassung oder 
der gesetzlichen Rechte serbischer Bürger, Pflicht- 
verletzung usw.) in Anklagezustand versetzt werden; 
die Aburteilung erfolgt in diesem Fall durch einen 
Staatsgerichtshof, der aus den Mitgliedern des 
Staatsrats und des Kassationshofs zusammen- 
gesetzt ist. Beratend steht der Regierung ein 
Staatsrat zur Seite, von dessen 16 auf Lebens- 
Serbien. 
  
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zeit ernannten Mitgliedern 8 vom König und 8 
von der Skupschtina aus je 16 von der Skup- 
schtina dem König und umgekehrt vorgeschlagenen 
Kandidaten erwählt werden. Außer der beratenden 
Befugnis entscheidet der Staatsrat in einigen Ver- 
waltungsstreitsachen, bei Klagen über Verletzung 
privater Rechte durch Regierungsdekrete, bei Ent- 
eignungen zu Staatszwecken, in gewissen Be- 
steuerungs= und Anleihesachen der Kreise und Ge- 
meinden usw. Zur Kontrolle der Finanzgebarung 
der staatlichen Behörden besteht ein besonderer 
unabhängiger Rechnungshof, dessen 5 Mitglieder 
von der Skupschtina aus einer vom Staatsrat 
vorgeschlagenen Kandidatenliste ernannt werden. 
Für die Lokalverwaltung ist das Land in 
18 Kreise eingeteilt; in jedem besteht ein Kreis- 
amt als politische, Polizei= und Finanzbehörde; 
in Belgrad steht ein Präfekt an der Spitze der 
Verwaltung, unter ihm der Bürgermeister. Unter 
den Kreisämtern stehen die 81 Bezirksämter als 
untere Verwaltungsbehörden; ihnen sind die Bür- 
germeister in den einzelnen Gemeinden für die 
Polizei untergeordnet. 
Als Organe der Selbstverwaltung bestehen in 
den Kreisen zur Vertretung der Kreisinteressen in 
Sachen des Unterrichts, der Industrie, des Ver- 
kehrswesens, der öffentlichen Gesundheit, der Fi- 
nanzen usw. Kreisversammlungen und Kreiskom- 
missionen, in jedem Bezirk eine Bezirksversamm- 
lung, in den Gemeinden der Gemeinderat (12 bis 
20 auf 2 Jahre gewählte Mitglieder), die Ge- 
meindeversammlung (aus sämtlichen Wahlberech- 
tigten bestehend) und ein Gemeinde-(Friedens-) 
gericht (von dem Gemeinderat gewählt), das in 
allen die Summe von 200 Dinaren nicht über- 
schreitenden Streitfragen (außer Erbschaftsange- 
legenheiten) und auch in geringeren Strassachen 
entscheidet. Das Wahlrecht zur Gemeindevertretung 
beruht auf der Zahlung von mindestens 15 Di- 
naren jährlicher Steuern, außerdem haben die 
21 Jahre alten Mitglieder von Sadrugas ohne 
Rücksicht auf ihre Steuerleistung Stimmrecht. Die 
Gemeindevorsteher werden gewählt. 
Für die Rechtspflege bestehen (außer den 
Gemeindegerichten) 24 Gerichte erster Instanz, 
ein Appellationshof (in Belgrad) und ein Kassa- 
tionshof (ebd.), der auch in Verwaltungsstreitig= 
keiten entscheidet; außerdem gibt es ein Handels- 
gericht (Belgrad) und für bestimmte Verbrechen 
(große Diebstähle, Raub, Brandlegung) Schwur- 
gerichte. Die Richter sind im allgemeinen unab- 
setzbar. 
Armee. Nach dem Organisationsgesetz vom 
31. März (13. April) 1904 besteht allgemeine 
Dienstpflicht vom 21. bis 45. Jahr, und zwar 
10 Jahre in der aktiven Armee (die Infanterie 
1½, Kavallerie und Artillerie 2 Jahre im stehen- 
den Heer, der Rest in der Reserve), 6 Jahre im 
ersten und 8 Jahre im zweiten Aufgebot der Na- 
tionalmiliz. Das Königreich ist in 5 Territorial= 
divisionen eingeteilt (Nisch, Valjevo, Belgrad,
	        
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