Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Artikel der Verfassung, die die persönliche Freiheit 
gewährleisten, zeitweilig aufzuheben und am Ende 
jeder Amtsperiode die Verwaltungsakte des Prä- 
sidenten zu prüfen und gutzuheißen oder bei Ver- 
fassungswidrigkeit die Abgeordnetenkammer zur 
Anklage, die an den Senat geht, zu veranlassen. 
Beide Kammern haben im allgemeinen gleiche Be- 
fugnisse, beide beraten und beschließen Gesetze und 
beaufsichtigen einander. Der Vorsitz im Kongreß 
wechselt zwischen den Präsidenten der beiden Kam- 
mern ab. Der Abgeordnetenkammer steht es zu, 
den Präsidenten, die Minister, die Mitglieder des 
Kongresses und des Obersten Gerichtshofs wegen 
Bruchs der Verfassung oder Vergehen bei Aus- 
übung des Amts vor dem Senat anzuklagen; der 
Senat entscheidet, ob die Anklage begründet ist, 
sowie bei Kompetenzkonflikten zwischen den obern 
Gerichtshösen und zwischen dem Präsidenten und 
dem obersten Gericht.— Die Gesetzesinitiative steht 
jeder der beiden Kammern, der vollziehenden Ge- 
walt sowie dem Obersten Gerichtshof in richter- 
lichen Angelegenheiten zu. Ist ein Gesetz von der 
einen Kammer beschlossen, so geht es der andern 
zur Begutachtung zu, die es mit Anderungsvor- 
schlägen zurücksenden kann. Falls keine Einigung 
zustande kommt, treten beide Kammern zum Kon- 
greß zusammen, und der strittige Gegenstand 
kann durch Zweidrittelmehrheit entschieden werden. 
Ein vom Kongreß genehmigtes Gesetz wird zur 
Publikation der vollziehenden Gewalt übermittelt, 
die innerhalb zehn Tagen Einwendungen dagegen 
erheben kann, worauf der Vorschlag von neuem 
zu beraten ist; wird er dann wieder vom Kongreß 
angenommen, so erhält er Gesetzeskraft auch ohne 
die Zustimmung der Exekutive, und eine von dieser 
etwa verweigerte Publikation kann durch den Kon- 
greßpräsidenten bewirkt werden. 
Vertreter der vollziehenden Gewalti st der 
Präsident; er muß Peruaner von Geburt, voll- 
berechtigter Bürger, 35 Jahre alt und wenigstens 
zehn Jahre im Land ansässig sein. Er wird wie 
die beiden Vizepräsidenten vom gesamten Volk auf 
vier Jahre gewählt und ist nach seiner Amtszeit 
für die nächste Amtsperiode nicht wieder wählbar. 
Der Kongreß prüft die Wahlakten und verkündet 
die Wahl; hat kein Bewerber bei den Wahlen die 
Hälfte der Stimmen erhalten, so wählt er zwischen. 
den zwei Kandidaten mit der höchsten Stimmen- 
zahl. Wird die Präsidentschaft durch Tod oder 
sonstwie erledigt, so tritt der erste Vizepräsident 
die Regierung an, der zweite Vizepräsident nur 
bis zu einer vollzogenen Neuwahl, die alsbald 
stattzufinden hat. Die Rechte des Präsidenten 
sind: über die innere und äußere Sicherheit des 
Staats zu wachen, den Kongreß zu berufen, nach 
Bedarf auch zu außerordentlichen Sessionen, diesem 
bei der Eröffnung eine Botschaft mit seinen Vor- 
schlägen vorzulegen, die Beschlüsse des Kongresses 
zu promulgieren, durch Dekrete und Verordnungen 
ihre Ausführung zu vervollständigen, die richter- 
liche Gewalt zu kontrollieren und ihre Urteile zur 
  
Peru. 
  
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Durchführung zu bringen, die bewaffnete Macht 
instand zu halten und zu verteilen, die diplo- 
matischen Vertreter zu ernennen, die der auswär- 
tigen Mächte zu empfangen, diplomatische Unter- 
handlungen zu führen, das Patronatsrecht des 
Staats über die Kirche auszuüben (. u.), erledigte 
Amter zu besetzen, soweit es ihm zusteht; während 
seiner Amtsdauer darf der Präsident ohne Zu- 
stimmung des Kongresses das Land nicht verlassen 
und nicht persönlich den Oberbefehl über die 
Streitkräfte führen. 
Die Verwaltungsgeschäfte besorgtein Minister- 
rat mit sechs Mitgliedern: Minister des Innern 
und der Polizei, des Auswärtigen, der Finanzen 
und des Handels, für Justiz, Kultus und öffent- 
lichen Unterricht, für Krieg und Marine, für 
Fomento (öffentliche Arbeiten, Wohlfahrt usw.); 
einer der Minister führt den Vorsitz im Minister- 
rat. Der Präsident ernennt den Vorsitzenden, der 
dann die übrigen Mitglieder vorschlägt. Jeder 
Minister überreicht dem ordentlichen Kongreß nach 
Eröffnung einen Bericht über den Zustand seines 
Verwaltungszweigs. Für die im Ministerrat be- 
schlossenen Verordnungen sind alle Minister soli- 
darisch verantwortlich, außer wenn sich einer 
ausdrücklich dagegen verwahrt hat, ferner jeder 
Minister für die besondern Akte seines Verwal- 
tungszweigs. Jeder Erlaß des Präsidenten bedarf 
zu seiner Gültigkeit der Unterzeichnung des be- 
treffenden verantwortlichen Ministers. — Für die 
innere Verwaltung zerfällt das Land in 19 De- 
partements, zwei selbständige Küstenprovinzen und 
eine Bundesprovinz, diese in 101 Provinzen und 
801 Distrikte. An der Spitze jener stehen Prä- 
fekten, über den Provinzen Subpräfekten, über 
den Distrikten Gouverneure. Für die lokale Selbst- 
verwaltung bestehen Provinz= und Distriktsräte, 
deren Aufgabe in der Reglung, Verwaltung und 
Überwachung bestimmter Gebiete besteht (öffenl- 
liches Gesundheitswesen, Wasserversorgung, Stra- 
ßen= und Wegepolizei, öffentliche Beleuchtung, 
Aufsicht über Märkte, Gewichte und Maße, Füh- 
rung der Zivilregister usw.). Die Provinzialräte 
werden von den Bürgern erwählt, die Distrikts- 
räte teils erwählt teils vom Provinzialrat ernannt; 
Ausländer sind in beide Körperschaften seit 1892 
wählbar. In den Departementshauptstädten be- 
stehen Departementsräte, denen die Besorgung der 
öffentlichen Arbeiten, Brücken und Departements- 
straßen, die Förderung des öffentlichen Unterrichts 
und der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten sowie 
die Revision der Beschlüsse der Provinzialräte zu- 
steht; ihre Mitglieder werden von den Provinzial- 
räten des betreffenden Departements gewählt. 
Die durch die Verfassung garantierten Rechte 
des Volks sind die in demokratischen Repu- 
bliken üblichen: Gleichheit aller vor dem Gesetz. 
Abschaffung aller erblichen Rechte und Privilegien, 
Freiheit der Presse und des Unterrichts, Gewerbe-, 
Berufs-, Handels-, Versammlungs= und Vereins- 
freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums, des Wohn-
	        
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