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Artikel der Verfassung, die die persönliche Freiheit
gewährleisten, zeitweilig aufzuheben und am Ende
jeder Amtsperiode die Verwaltungsakte des Prä-
sidenten zu prüfen und gutzuheißen oder bei Ver-
fassungswidrigkeit die Abgeordnetenkammer zur
Anklage, die an den Senat geht, zu veranlassen.
Beide Kammern haben im allgemeinen gleiche Be-
fugnisse, beide beraten und beschließen Gesetze und
beaufsichtigen einander. Der Vorsitz im Kongreß
wechselt zwischen den Präsidenten der beiden Kam-
mern ab. Der Abgeordnetenkammer steht es zu,
den Präsidenten, die Minister, die Mitglieder des
Kongresses und des Obersten Gerichtshofs wegen
Bruchs der Verfassung oder Vergehen bei Aus-
übung des Amts vor dem Senat anzuklagen; der
Senat entscheidet, ob die Anklage begründet ist,
sowie bei Kompetenzkonflikten zwischen den obern
Gerichtshösen und zwischen dem Präsidenten und
dem obersten Gericht.— Die Gesetzesinitiative steht
jeder der beiden Kammern, der vollziehenden Ge-
walt sowie dem Obersten Gerichtshof in richter-
lichen Angelegenheiten zu. Ist ein Gesetz von der
einen Kammer beschlossen, so geht es der andern
zur Begutachtung zu, die es mit Anderungsvor-
schlägen zurücksenden kann. Falls keine Einigung
zustande kommt, treten beide Kammern zum Kon-
greß zusammen, und der strittige Gegenstand
kann durch Zweidrittelmehrheit entschieden werden.
Ein vom Kongreß genehmigtes Gesetz wird zur
Publikation der vollziehenden Gewalt übermittelt,
die innerhalb zehn Tagen Einwendungen dagegen
erheben kann, worauf der Vorschlag von neuem
zu beraten ist; wird er dann wieder vom Kongreß
angenommen, so erhält er Gesetzeskraft auch ohne
die Zustimmung der Exekutive, und eine von dieser
etwa verweigerte Publikation kann durch den Kon-
greßpräsidenten bewirkt werden.
Vertreter der vollziehenden Gewalti st der
Präsident; er muß Peruaner von Geburt, voll-
berechtigter Bürger, 35 Jahre alt und wenigstens
zehn Jahre im Land ansässig sein. Er wird wie
die beiden Vizepräsidenten vom gesamten Volk auf
vier Jahre gewählt und ist nach seiner Amtszeit
für die nächste Amtsperiode nicht wieder wählbar.
Der Kongreß prüft die Wahlakten und verkündet
die Wahl; hat kein Bewerber bei den Wahlen die
Hälfte der Stimmen erhalten, so wählt er zwischen.
den zwei Kandidaten mit der höchsten Stimmen-
zahl. Wird die Präsidentschaft durch Tod oder
sonstwie erledigt, so tritt der erste Vizepräsident
die Regierung an, der zweite Vizepräsident nur
bis zu einer vollzogenen Neuwahl, die alsbald
stattzufinden hat. Die Rechte des Präsidenten
sind: über die innere und äußere Sicherheit des
Staats zu wachen, den Kongreß zu berufen, nach
Bedarf auch zu außerordentlichen Sessionen, diesem
bei der Eröffnung eine Botschaft mit seinen Vor-
schlägen vorzulegen, die Beschlüsse des Kongresses
zu promulgieren, durch Dekrete und Verordnungen
ihre Ausführung zu vervollständigen, die richter-
liche Gewalt zu kontrollieren und ihre Urteile zur
Peru.
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Durchführung zu bringen, die bewaffnete Macht
instand zu halten und zu verteilen, die diplo-
matischen Vertreter zu ernennen, die der auswär-
tigen Mächte zu empfangen, diplomatische Unter-
handlungen zu führen, das Patronatsrecht des
Staats über die Kirche auszuüben (. u.), erledigte
Amter zu besetzen, soweit es ihm zusteht; während
seiner Amtsdauer darf der Präsident ohne Zu-
stimmung des Kongresses das Land nicht verlassen
und nicht persönlich den Oberbefehl über die
Streitkräfte führen.
Die Verwaltungsgeschäfte besorgtein Minister-
rat mit sechs Mitgliedern: Minister des Innern
und der Polizei, des Auswärtigen, der Finanzen
und des Handels, für Justiz, Kultus und öffent-
lichen Unterricht, für Krieg und Marine, für
Fomento (öffentliche Arbeiten, Wohlfahrt usw.);
einer der Minister führt den Vorsitz im Minister-
rat. Der Präsident ernennt den Vorsitzenden, der
dann die übrigen Mitglieder vorschlägt. Jeder
Minister überreicht dem ordentlichen Kongreß nach
Eröffnung einen Bericht über den Zustand seines
Verwaltungszweigs. Für die im Ministerrat be-
schlossenen Verordnungen sind alle Minister soli-
darisch verantwortlich, außer wenn sich einer
ausdrücklich dagegen verwahrt hat, ferner jeder
Minister für die besondern Akte seines Verwal-
tungszweigs. Jeder Erlaß des Präsidenten bedarf
zu seiner Gültigkeit der Unterzeichnung des be-
treffenden verantwortlichen Ministers. — Für die
innere Verwaltung zerfällt das Land in 19 De-
partements, zwei selbständige Küstenprovinzen und
eine Bundesprovinz, diese in 101 Provinzen und
801 Distrikte. An der Spitze jener stehen Prä-
fekten, über den Provinzen Subpräfekten, über
den Distrikten Gouverneure. Für die lokale Selbst-
verwaltung bestehen Provinz= und Distriktsräte,
deren Aufgabe in der Reglung, Verwaltung und
Überwachung bestimmter Gebiete besteht (öffenl-
liches Gesundheitswesen, Wasserversorgung, Stra-
ßen= und Wegepolizei, öffentliche Beleuchtung,
Aufsicht über Märkte, Gewichte und Maße, Füh-
rung der Zivilregister usw.). Die Provinzialräte
werden von den Bürgern erwählt, die Distrikts-
räte teils erwählt teils vom Provinzialrat ernannt;
Ausländer sind in beide Körperschaften seit 1892
wählbar. In den Departementshauptstädten be-
stehen Departementsräte, denen die Besorgung der
öffentlichen Arbeiten, Brücken und Departements-
straßen, die Förderung des öffentlichen Unterrichts
und der öffentlichen Wohltätigkeitsanstalten sowie
die Revision der Beschlüsse der Provinzialräte zu-
steht; ihre Mitglieder werden von den Provinzial-
räten des betreffenden Departements gewählt.
Die durch die Verfassung garantierten Rechte
des Volks sind die in demokratischen Repu-
bliken üblichen: Gleichheit aller vor dem Gesetz.
Abschaffung aller erblichen Rechte und Privilegien,
Freiheit der Presse und des Unterrichts, Gewerbe-,
Berufs-, Handels-, Versammlungs= und Vereins-
freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums, des Wohn-