Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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zu den Herren verloren. Nahe verwandt mit ihnen 
sind die zahlreichen Kolonen, die in der Nähe der 
Gutshöfe Pachtgüter betrieben. Auch viele Sklaven 
im strengen Sinn hatten einen eignen Besitz, Weib 
und Kinder, aber nur so lang es dem Herrn ge- 
siel. Der Herr konnte dem Sklaven sein Er- 
spartes rauben, sein Weib und sein Kind weg- 
schicken und ihm ein anderes Weib geben. Denn 
er hatte kein anderes Interesse als ein Tierzüchter, 
der die Jungen verkaufen kann. Im allgemeinen 
waren Sklaven nicht viel wert, besonders wenig 
eine Sklavin. Sklavinnen gab es viermal weniger 
als Sklaven, der Verkehr mit ihnen war aber 
jungen Leuten sehr leicht gemacht, während der 
Verkehr zwischen Frauen und Sklaven, nicht am 
wenigsten wegen der großen Schmach, die darauf 
ruhte, selten vorkam. Gerade wegen der Blut- 
mischung zwischen verschiedenen Rassen, die die 
Sklaverei zusammenführte, ist das Römertum 
rasch entartet. Denn Blutmischung wirkt nur inner- 
halb gewisser Grenzen anregend. Wenn die Rassen 
zu verschieden sind, verschlechtert sich der Nach- 
wuchs. Blutzersetzung und Unsittlichkeit waren 
nicht die einzigen Folgen der Sklaverei; sie zer- 
störte nicht nur das Familien-, sondern auch das 
Wirtschaftsleben, da sie jene Großbetriebe er- 
möglichte, die den Bauern von der Scholle ver- 
trieben und den freien Handwerkerstand aufsaugten. 
Die Freien entwöhnten sich aller Arbeit, ganz be- 
sonders aber der Waffenführung. Söldlinge und 
Unfreie führten die Kriege, und damit war dem 
Einbruch der Germanen Tür und Tor geöffnet. 
So wurde die Sklaverei zum Hauptgrund des 
Untergangs des römischen Reichs, und es hat sich 
die Verachtung der Menschenrechte furchtbar ge- 
rächt. Sklavische Anschauungen durchseuchten die 
ganze Gesellschaft; eine Trinkgeldermoral drang 
bis in die höchste Stelle hinauf. Die Freien 
wurden von den Kaisern wie Unfreie behandelt, 
entehrenden Körperstrafen und der Folter unter- 
worfen, ja sogar des Rechts des Waffentragens 
beraubt. Dieser Umstand kam nun freilich den 
Sklaven wieder zu gut, um so mehr als philo- 
sophische Lehren und religiöse Kulte sich um die 
Sklaven annahmen. Humane, namentlich philo- 
sophisch gebildete Kaiser gewährten den Sklaven 
ein Beschwerderecht, schützten sie gegen willkürliche 
Tötung und Verstümmlung, verboten den Verkauf 
von Sklaven zu blutigen Theaterspielen oder an 
schlimme Häuser, erschwerten die Verknechtung von 
Schuldnern und den Selbstverkauf. Diese Ge- 
setzgebung brauchten die christlichen Kaiser nur 
weiter auszubauen und fortzusetzen, um ein an- 
nehmbares Sklavenrecht zu schaffen (Grupp, Kul- 
turgesch. der röm. Kaiserzeit I 293 ff 505; II 
54, 307). 
Das Christentum berief Freie und Unfreie, 
Heiden, Juden und Barbaren ohne Rücksicht auf 
ihre Verschiedenheit, aber es tastete die Recht- 
mäßigkeit der Sklaverei selbst nicht an und er- 
mahnte die Sklaven, ihren Herren gehorsam zu 
Sklaverei. 
  
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sein. „Warst du als Sklave berufen“, sagt der 
Apostel Paulus (1 Kor 7, 21), „so laß dich es 
nicht kümmern (daß du Sklave bist), sondern wenn 
du auch frei werden kannst, so benutze es vielmehr, 
als Sklave berufen zu sein.“ Die Kirche billigte 
es nicht, wenn die Sklaven entliefen, wie aus dem 
Brief des hl. Paulus an Philemon hervorgeht, 
und die Christen teilten die Vorurteile der Heiden 
gegen Verbindungen zwischen freien Frauen und 
Sklaven — man denke an die Geschichte der 
Aglae und des Bonifazius (Boll. A. SS. Mai 
III 280). Obwohl sich Kallistus dem Vorurteil 
entgegensetzte, so hat doch noch Konstantin die 
strengen Maßregeln älterer Zeit gegen solche Ver- 
bindungen und das Entlaufen der Sklaven eher 
noch verschärft als ermäßigt. Wenn eine freie Frau 
mit einem Sklaven Umgang hatte, sollten beide 
hingerichtet, der Sklave verbrannt, und wenn ein 
Mann höheren Rangs mit einer Sklavin sich ver- 
band, der Freie verbrannt, die Sklavin zu einem 
Bergwerk verurteilt werden; überstrenge Gesetze, 
die sich um so weniger durchführen ließen, als sie 
durch Freilassung leicht zu umgehen waren; kam 
es doch sogar vor, daß, wie Chrysostomus aus- 
führte, ein Freier einer Sklavin wegen sich in die 
Sklaverei begab. Um so eifriger wurde der einzige 
Ausweg beschritten, der noch übrig blieb, nämlich 
die Freilassung und die Verwendung zum Kolonat 
und die Gründung eines eignen Hausstands. 
Diese Entwicklung setzte sich das ganze Mittel- 
alter hindurch fort. Hier spielte die Hausdiener- 
schaft, die am ehesten noch der alten Sklaverei 
glich, eine geringe Rolle gegenüber der Hörigkeit 
(s. dies. Art.). Aber verschwunden ist die Sklavereie 
nicht ganz. Gregor von Tours erzählt noch Ge- 
schichten, die ganz an die Zustände der römischen 
Kaiserzeit erinnern (Grupp, Kulturgeschichte des 
Mittelalters 1 (19071 190). 
Und so dauerte die Sklaverei auch die folgen- 
den Jahrhunderte fort, namentlich in den roma- 
nischen Ländern und im hohen Norden. Aller- 
dings begegnen uns auch in Deutschland Spuren 
der Sklaverei. An der Koblenzer Zollgrenze 
mußten für jeden Sklaven 4 Denare gezahlt werden. 
Heinrich IV. bestätigte diesen Zoll 1104. Allein 
dieser Handel befand sich in Deutschland nur im 
Durchgangsverkehr; er bewegte sich zwischen dem 
hohen Norden und Süden auf der einen, dem 
Morgen= und Abendland auf der andern Seite. In 
Europa lieferten die Slavenländer viele Sklaven. 
Wie weiße Sklaven nach dem Süden, so ge- 
langten schwarze nach dem Norden. Zu Beginn 
des 12. Jahrh. besaß der Bischof Gaudry von 
Laon einen Neger oder Athiopier und ließ durch 
ihn das Henkeramt ausüben und nötigte ihn zu 
Grausamkeiten, vor denen ein Christ zurückgeschreckt 
wäre (Guiberti vita 3, 7). Noch im Jahr 1282 
begegnet uns in Basel im Gefolge eines Bischofs 
ein Schwarzer, angetan mit weißen Kleidern. Cä- 
sarius von Heisterbach erzählt, daß seine Tante ein 
heidnisches Mädchen vor zehn Jahren kaufte und
	        
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