1169
taufen ließ (Boehmer, Fontes 2, 18; Cäs.,
Dial. 10, 44). Am ungestörtesten entfaltete sich
der Sklavenhandel in Italien. Die einzige Be-
schränkung bestand darin, daß keine Christen dem
Handel unterworfen sein sollten, aber die Taufe
durfte nicht erschlichen werden. Selbst christliche
Prediger, wie Sachheti, äußerten sich, ein Sklave
könne sich ebensowenig zum Christen machen, als
ein Gefangener eine Rechtshandlung vollziehen
könne (Csermoni Evangelicil Florenz 1857194).
Eine ähnliche Außerung steht bei Antonin von
Florenz (Summa theol. p. 3, tit. 3, c. 6, 88 3. 7).
Ein spanischer König erklärte, das Naturrecht ver-
damme die Sarazenen und andere Ungläubige zur
Sklaverei (A. Brutails, Etude sur I’esclavage
en Roussillon [Par. 18661 8). Von Natur aus,
meint dagegen Thomas von Aquin, seien alle
Menschen gleich und nur wegen der Sünde der
eine zum Dienst des andern verurteilt. Deshalb
habe Noe seinen Sohn Cham den zwei andern
Brüdern unterworfen (S. theol. 1, 2, q. 94, a. 5).
Alexander III. erklärte 1179 in einem Brief an
den mohammedanischen König von Valencia, Gott
habe alle Menschen frei erschaffen, daher müsse er
die gefangenen Christen freigeben (Patr. lat. 200,
1205). Da die Sarazenen noch ungescheut den
Raub und Sklavenhandel betrieben, glaubten sich
die Christen berechtigt, ihrerseits Vergeltung zu
üben. Die gleichen Grundsätze befolgten die deut-
schen Ritter gegenüber den Preußen, Polen und
Litauern (Peter Suchenwirts Werke 1827, 8/15;
Prutz, Rechnungen über Heinrich v. Derbys
Preußenfahrten L1893]XV). Wurden doch sogar
Christen bei Städteeroberungen nach Tausenden
verknechtet und verkauft (Langer, Sklaverei 25).
Auch Schuldknechte traf ein ähnliches Geschick.
Seitdem die Christen das UÜbergewicht über die
Sarazenen erlangt hatten, führten sie Tausende
von Sklaven ein und in den italienischen See-
städten wimmelte es davon, und zwar im 15. Jahrh.
noch mehr als in früheren Zeiten. Venedig allein
soll Tausende von Dukaten als Zölle für diesen
Handel bezogen haben. (Etwas unsichere Quellen
sprechen von 30 000, 50 000 Dukaten jährlich;
Langer a. a. O. 18.) Am allerausgedehntesten
bestand aber die Sklaverei in Spanien, wo man
glauben könnte, es habe sich gegen das Altertum
nichts geändert.
Wie im Altertum war der Sklave bei den roma-
nischen Völkern ziemlich rechtlos: er konnte nichts
besitzen, nichts erben und keine Verträge schließen,
außer mit Genehmigung des Herrn. Der Herr
besaß beinahe unbeschränkte Machltbefugnisse,
durfte ihn züchtigen und einsperren; nur durfte er
ihn nach altem Gesetz nicht töten. Wenn der Stock
nicht wäre, sagte der schon erwähnte Sachheti,
würden die Sklaven alle möglichen schlechten
Handlungen begehen. Als schlimm, zu allem Bösen
geneigt, stellt sie auch die Komödie dar, genau
wie im Altertum (Rodocanachi, Rev. d. quest.
bist. 79 [1906] 400). Im Unterschied vom
Sklaverei.
1170
Altertum überwog die Zahl der Sklavinnen die
der Sklaven; denn sie galten als viel gefügiger,
schmiegsamer und brauchbarer als die wilden Ge-
sellen, die stets an Ausbruch und Flucht dachten.
Die Familien hielten es für eine Ehrensache, eine
unfreie Dienerin, Amme, Gespielin zu besitzen.
Besonders schön müssen die Sklaven nicht ge-
wesen sein, denn die erhaltenen Beschreibungen
schildern auch die weiblichen Sklaven gewöhnlich
als häßlich, gelb= und schwarzfarbig und mit
Narben bedeckt (Rodocanachi a. o. O. 405). Da-
her leistete diese Einrichtung der Unsittlichkeit viel
geringeren Vorschub, als wir erwarteten, obwohl
es an Entführungen und unlautern Beziehungen
nicht fehlte. Ein Graf von Roussillon verbot
1437 verheirateten Männern, die Sklavinnen zu
ihrer Lust zu gebrauchen. Unter 165 Kindern,
die in den ersten Jahren des 15. Jahrh. in eine
Kinderherberge zu Siena Aufnahme fanden,
stammten 55 von Sklavinnen, 16 von Freien,
94 von unbekannten Müttern (Rodocanachia. a. O.
405). Mehr als sittliche Gründe trugen wirt-
schaftlich bei zur Verminderung der Sklaverei, und
die völlig Unfreien waren für den Ackerbau und
das Gewerbe nicht zu brauchen. Sie ließen sich
nur festhalten, wenn sie die lockern Bande der
Hörigkeit fesselten. So blieb nur die Hausskla-
verei übrig. Um aber hierfür Sklaven zu er-
werben, bedurfte man eines so hohen Kaufpreises,
daß er einen jährlichen Lohn überschritt; es war
also besser, Freie zu mieten, als Sklaven
zu kaufen. Die Preise der Sklaven stiegen immer
höher und der Sklavenhandel gestaltete sich immer
schwieriger. Im Norden kostete ein männlicher
Sklave wohl nur 1 1½8 Mark, ein weiblicher 1 Mark,
besonders tüchtige Sklaven 3 Mark (1 Mark
etwa 30 deutsche Reichsmark). In Italien betrug
der Preis für einen Sklaven 20/50 Goldgulden,
im 15. Jahrh. aber nie weniger als 70 Gold-
gulden, 60/80 Dukaten (Reumont, Hist. Jahrb.
[18867 54; Rodocanachi a. a. O. 393). In
Frankreich schwankten die Preise zwischen 200
und 400 Franken. Im 15. Jahrh. kostete ein
Sarazene 672, ein anderer Sklave 650 Franken.
Aber die höchsten Preise schreckten nicht zu-
rück, wenn es sich darum handelt, Menschen-
fleisch für Zwecke zu gewinnen, die noch heute zu
einer Art Sklaverei drängen. Noch bestanden auf
den meisten Höfen Frauenhäuser für weibliche
Arbeit. Wie es scheint, hatten manche Herren
einen Anspruch auf die Lieferung von „schönen
Frauen“ (Kriegk, Deutsches Bürgertum N. F. 295;
doch liegen zu wenig sichere Beweise dafür vor). In
den Städten liefen die schönen Frauen geradezu wie
Hypotheken und Pfandbriefe von Hand zu Hand.
Die für eine Schuld haftende, oft leichtsinnig wie
ein Faustpfand dahingegebene Frau, manchmal
eine Tochter, gelangte meist in die Hände von
Hurenmenger und Frauenwirten (das Wort
Menger stammt direkt ab von dem römischen
Sklavenhändler, dem Mango). Unter den feilen