1171
Frauen befanden sich ohne Zweifel viele auf der
Straße aufgelesene Wesen, denn das Wildfang-
recht (ius albinagii, droit d'aubain) bestand
immer noch zu Recht. Fremdlinge, die herren- und
gutlos umherwanderten, hießen Wolfshäupter,
Vogelfreie, elende Leute (albani, aubains). Unter
dem hl. Ludwig hören wir eine Klage darüber,
daß ein Mann einer Inquisition unterworfen
wurde, weil er keinen Herrn hatte (Historiens
de France 24, 108, n. 119). Durch die Be-
mühungen der Kirche milderte sich das Fremden-
recht (die Menschenjagden wurden oft verboten, so
1102 durch eine Londoner Synode) und statt des
einseitigen Zwangs bestimmte die freiwillige Hin-
gabe ihr Los. Selbst im heidnischen Norden
regelten zweiseitige Verträge die Lasten und Be-
fugnisse der fremden Knechte, der Mietlinge, Prä-
bendare (Schönfeld, Isländischer Bauernhof 81).
Selten dienten sie bloß um Kost und Kleidung;
meist erhielten sie einen festen Lohn, der gar nicht
nieder stand. Eben weil ihre Zahl immer mehr
wuchs, nahm das Knechtschaftsverhältnis immer
mehr den Charakter der Freiwilligkeit an. Kam
es doch immer noch vor, daß Kolonen ihre Hufen
aufgaben und statt des Felddienstes den Haus-
dienst wählten.
Noch viel weniger als die Hausknechte glichen
die angesetzten Leibeigenen und Hörigen den alten
Sklaven. Allerdings konnten die Leibherren sie
züchtigen, verkaufen, zu Heiraten und zu beliebiger
Arbeit zwingen. Aber diese Rechte wurden selten
in vollem Umfang ausgeübt. Ihre Dienste wurden
fest gemessen und fest bestimmt. Bei dem Tod
fiel nicht der ganze Nachlaß, sondern nur noch das
Besthaupt an den Herrn. An Stelle des Heirats-
zwangs trat eine Heiratsgenehmigung und Hei-
ratsabgabe. Eine Schwierigkeit bereitete es nur,
wenn Hörige verschiedener Herren oder verschie-
dener Klassen zusammenheirateten. In diesen
Fällen entstand das Recht des ungenossamen oder
ungenossenen Talers, das ius primae noctis.
Nach vielen Rechten folgte das Kind der „ärgeren
Hand“. Am meisten beschränkt war die Freizügig-
keit. Die Leibherren hatten das Recht, den flüch-
tigen Sklaven nachzujagen; aber sie konnten sich
durch Erlegung einer Loskaufsumme oder Ver-
pflichtung zu einer dauernden Zinsleistung, die
einfachen Hörigen durch eine Nachsteuer ihre Ge-
bundenheit lösen.
Während die christliche Kirche mit Erfolg auf
die Austilgung der Sklaverei hinwirkte, war es
auf der andern Seite der Islam, der das Prin-
zip der Sklaverei wieder aufnahm und nament-
lich den christlichen Völkern gegenüber mit aller
Härte und Grausamkeit zu handhaben suchte. Es
bildeten sich im nördlichen Afrika Barabesken-
oder Raubstaaten, welche die christlichen Küsten
plünderten, Schiffe der Christen kaperten und die
Gefangenen zu Sklaven machten. Aber auch hier,
Sklaverei.
1172
glücklichen Christensklaven loszukaufen; darum
verwendeten Private ihr Vermögen hierzu und
Bischöfe die Kirchengüter als Lösegeld. Es ent-
standen ferner um 1200 die Orden der Mathu-
rinen und Trinitarier, von Johann von Matha
und dem Einsiedler Felix von Valois gestiftet,
welche sich eigens die Loskaufung der christlichen
Sklaven zum Zweck setzten; ebenso wurde im
Jahr 1223 von Petrus Nolaskus für Spanien
ein Orden unter dem Namen „der heiligen Jung-
frau von der Gnade“ (Maria de Mercede) zur
Loskaufung der christlichen Gefangenen aus mo-
hammedanischer Sklaverei gestiftet. Dieser Orden
blühte bis zum Jahr 1835, wo die spanische Re-
gierung seine Besitzungen einzog.
Endlich gedachten auch die weltlichen Gewalten
der Sklaverei der Christen in Afrika ein Ende zu
machen, und schon 1270 schlossen England und
Frankreich hierzu eine heilige Allianz, nicht ohne
Erfolg. Ebenso wurden hundert Jahre später
(1389) die Barbaresken von den vereinigten Eng-
ländern, Franzosen, Genuesen und Venetianern
gezüchtigt, noch mehr zwischen 1506/09 durch
Ferdinand den Katholischen; doch hörten die Räu-
bereien, von der Türkei unterstützt, nicht auf. Der
mächtige Kaiser Karl V. hätte vielleicht dem Un-
wesen ein Ende gemacht, aber zuerst hemmte ihn
die Eifersucht der Franzosen, und nachmals zer-
störte ein Orkan 1541 seine Flotte. Seit dieser
Zeit schämten sich die christlichen Staaten Europas
nicht, Verträge mit den Raubstaaten abzuschließen,
um dadurch ihre Untertanen vor Sklaverei zu
sichern und sogar Tribut zu bezahlen. Aber wieder-
holt mußten sie auch erleben, daß die Räuber solche
Verträge nicht achteten, um so mehr als die christ-
lichen Staaten selbst mehr und mehr auf den
Negerhandel angewiesen waren, da sie ihn für
Amerika nicht entbehren konnten.
Papst Nikolaus V. erteilte dem König von
Portugal 1452 und 1454 die Erlaubnis, die ent-
deckten Länder sich zu unterwerfen und ihre Be-
wohner in die Sklaverei zu versetzen. In ähnlichen
Ausdrücken erteilte Alexander VI. dem König von
Spanien 1493 ein Eroberungsrecht über Amerika
(Margraf, Kirche u. Sklaverei; eine mildere Aus-
legung steht bei Pastor, Gesch. der Päpste II1.489).
Nun hat allerdings Paul III. (1537) die Fehler
seiner beiden Vorgänger wieder gut gemacht, aber
die Spanier haben lange mit der päpstlichen Er-
laubnis Mißbrauch getrieben. Die Regierung ließ
die Sklaverei fortbestehen unter der gesetzlichen
Form der Kommenden und Ripartimientos. Da-
nach behielt die spanische Regierung das Eigen-
tumsrecht, gewährte aber den Kolonisten den Be-
sitz an Land und Leuten unter der Bedingung,
„die Leute in der christlichen Lehre und den übrigen
Bestandteilen des heiligen katholischen Glaubens
zu unterwerfen“. Das war nur eine verkappte
Sklaverei, die sich auf die Bemühungen der Fran-
suchte der christliche Geist Hilfe zu schaffen. Es ziskaner und Dominikaner hin nur wenig lockerte.
galt als ein besonderes christliches Werk, diese un= Da die Indianer wegen ihrer Schwächlichkeit zu