Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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strenger und anhaltender Arbeit wenig geeignet 
erschienen, so kamen zunächst einzelne Kolonisten 
und Spekulanten auf den Gedanken, Regersklaven 
aus Afrika einzuführen, weil ein Neger so viel 
arbeitete als vier Indianer. Kardinal Kimenes 
verbot jedoch, solange er Regent von Spanien 
war, diesen Negerhandel; Karl V. dagegen ge- 
stattete ihn, nachdem auch der fromme Domini- 
kaner Las Casas aus Mitleid für die Indianer, 
deren vollständige Ausrottung zu befürchten war, 
es für besser erklärt hatte, wenn Reger zur Über- 
nahme der Arbeit in den Kolonien verwendet 
würden. Von da ab schämte sich fast kein Staat 
mehr, an dem Negersklavenhandel teilzunehmen, 
und ganz besonders begünstigte ihn die Königin 
Elisabeth von England. Im Utrechter Frieden 
erlangte England ein Vorrecht auf Sklavenlieferung 
und schloß darüber mit Spanien den diesem durch 
die Unterwühlung seines Kolonialsystems ver- 
hängnisvollen Assientovertrag von 1713. Im 
ganzen sollen in drei Jahrhunderten nicht weniger 
als 30 Mill. Negersklaven eingeschleppt worden 
sein. Bis zum Schluß des 18. Jahrh. war es 
ausschließlich die katholische Kirche, die sich der 
Indianer und Neger annahm; die protestantische 
Kirche tat so gut wie nichts dafür, mit Ausnahme 
einiger Sekten (der Mennoniten und Quäker). 
Schon Pius II. erließ 1462 ein Dekret zum 
Schutz der Eingebornen auf den Kanarischen 
Inseln und an der Küste von Guinea. Paul III. 
trat in der berühmten Bulle von 1537 gegen 
die Indianersklaverei auf und hob mit Anerken- 
nung hervor, daß Karl V. durch allgemeines Ge- 
setz sie untersagt habe. Erfolgreicher freilich als 
diese Bulle war das Wirken der Jesuiten in por- 
tugiesischen Gebieten, besonders in Brasilien; sie 
setzten die Bemühungen der Dominikaner mit noch 
größerem Heldenmut und mehr Geschick fort. Vor 
allem den Jesuiten war es auch zu danken, daß 
die Päpste Pius V., Klemens VIII. und Ur- 
ban VIII. gegen die Sklaverei auftraten. Urban 
wiederholte feierlich die Bulle Pauls III. und 
exkommunizierte den, „der es wagen würde, einen 
Indianer, gleichviel ob christlich oder nicht, zum 
Sklaven zu machen, zu verkaufen oder zu ver- 
tauschen, von Weib und Kindern zu trennen und 
seines Eigentums zu berauben“. Endlich bezeich- 
nete Benedikt XIV. die Sklaverei als einen Greuel. 
Freilich konnten die Päpste gegenüber der Ge- 
winnsucht der neueren Staaten wenig ausrichten; 
aber es bleibt ihnen doch der Ruhm, zuerst diesen 
neuen Sklavenhandel verurteilt zu haben. Erfolg- 
reich wurde dieser Sklavenhandel erst dann be- 
kämpft, als England, das ja eine große Schuld 
gutzumachen hatte, mit seiner Macht dagegen auf- 
trat, bewogen hierzu durch die Stimme der Mensch- 
lichkeit, welche sich seit der Mitte des 18. Jahrh. 
in England und anderwärts mächtig für die Neger- 
sklaven erhob. Zuerst waren es die Quäker, die 
mit frommem Sinn gegen den unchristlichen Men- 
schenhandel und gegen die Sklaverei auftraten; 
Sklaverei. 
  
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1718 veröffentlichte der Quäker Wilh. Burling 
die erste Schrift gegen die Sklaverei. Ihm folgten 
andere seiner Parteigenossen, namentlich William 
Penn, und in dem von ihm gegründeten Staat 
Pennsylvanien in Nordamerika wurde die Skla- 
verei zuerst abgeschafft. Das gleiche geschah bald 
darauf in dem kleinen Staat Delaware und in 
allen Kolonien, welche die Quäker besaßen. Zu- 
gleich sorgten diese Männer für Negerschulen. Von 
nun an, d. h. seit der 2. Hälfte des 18. Jahrh., 
verstummte der Ruf nach Gnade für die Neger 
nicht mehr in England, und Prediger und Ge- 
lehrte, Dichter und Staatsmänner führten offen 
und kräftig die Sache der Menschlichkeit. Pitt, 
Fox, Wilberforce, Grenville, Buxton und andere 
machten sich dadurch unsterbliche Namen. Die erste 
Frucht war ein milderes Sklavengesetz vom Jahr 
1784, das die Tötung eines Negers bei Todes- 
strafe verbot und 30 Peitschenhiebe als das Höchste 
der Züchtigung zuließ. In allem, was hinfort für 
Aufhebung der Sklaverei geschah, ist Abolition 
und Emanzipation zu unterscheiden; erstere ist das 
Verbot des Sklavenhandels, letztere die wirkliche 
Loslassung der schon vorhandenen Sklaven. Abo- 
lition schien das erste, was nottat; durfte kein 
Sklave mehr eingeführt werden, so mußte man die 
schon vorhandenen milde behandeln, damit sich die 
nötige Zahl in den Kolonien selber ergänze. Ein 
solches Verbot der Sklaveneinfuhr haben zuerst 
1787 einige der nördlichen Freistaaten von Nord- 
amerika erlassen, während die südlichen Freistaaten 
(Virginien, Maryland, Georgien, Südcarolina, 
Louisiana, Missouri, Ohio) bis 1863 die Skla- 
verei duldeten. Die erste wirkliche Emanzipation 
von seiten eines Staats geschah durch den fran- 
zösischen Nationalkondent am 4. Febr. 1794, der 
alle Sklaven in den französischen Kolonien frei er- 
klärte, ohne daß jedoch diesen schönen Worten der 
gehörige Nachdruck gegeben worden wäre; noch 
Napoleon spielte in der Negerfrage eine zweideutige 
Rolle. Von größter Wichtigkeit dagegen war die 
Abolitionsakte, die trotz des Widerstands von 
seiten vieler, auch des alten Helden Nelson, im 
Jahr 1807 vom englischen Parlament auf 
Fox' Andringen angenommen wurde. Durch sie 
hörte der englische Sklavenhandel auf, und der 
erste große Schritt war getan. Aber nicht bloß 
für sich wollte England den Sklavenhandel auf- 
heben, sondern es suchte auch alle andern christlichen 
Staaten dafür ins Interesse zu ziehen und schloß 
daher mit den einzelnen Staaten Traktate, wo- 
durch sich auch diese zur Abstellung solchen Handels 
verpflichteten, 1813 mit Schweden, 1814 mit den 
Niederlanden und Dänemark, 1815 mit Portugal, 
1815 und 1817 mit Spanien, 1826 mit Bra- 
silien, 1831 mit Frankreich, das übrigens schon 
früher ein darauf bezügliches Versprechen gegeben 
hatte. Eben ein solches gaben im Jahr 1814 auch 
die Vereinigten Staaten; im Jahr 1841 aber 
kamen neue Verträge mit Osterreich, Preußen und 
Rußland (der Quintupelvertrag) zustande, nach-
	        
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