Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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auch nicht besonders gelegen haben dürfte, hat er 
nichts hinterlassen. 
3. Moralphilosophie. Smith geht in 
seiner Theorie der sittlichen Empfindungen von 
dem Gedanken aus, daß in jedem Menschen die 
Fähigkeit, ja das Bedürfnis liegt, die Empfin- 
dungen der andern mitzufühlen. Da wir nun von 
dem Gefühl anderer Menschen keine unmittelbare 
Erfahrung haben, so können wir uns nur dadurch 
eine Vorstellung von ihrem Zustand verschaffen, 
daß wir uns durch die Phantasie zum Bewußt- 
sein bringen, was wir an ihrer Stelle empfinden 
würden. Die Phantasie versetzt uns an die Stelle 
des Nächsten, und unsere Sinneserregungen, 
nicht seine stellt sie uns vor, und zwar so lebhaft, 
daß wir auch tatsächlich körperlich und seelisch mit 
ihm empfinden. Diese Sympathie ist nicht bloß 
Mitleid, sondern das Mitempfinden aller 
Affekte des Nächsten. Voll ist dieses Mitgefühl 
aber nur dann, wenn der Beobachter die angenehme 
oder unangenehme Erregung des Affizierten in 
sich gerechtfertigt, ihrer Ursache entsprechend findet 
und sie demnach billigt. Darauf, daß die Er- 
regung im richtigen Verhältnis zu ihrem Anlaß 
steht, beruht die Angemessenheit, die Schicklichkeit 
des Handelns; die Lob= oder Strafwürdigkeit, das 
Verdienst oder Mißverdienst eines Affekts aber 
hängt davon ab, ob die von ihm hervorgerufene 
Handlung wohltätig oder schädlich ist; und das 
bedingt ihre sittliche Güte oder Schlechtigkeit. Und 
tugendhaft ist das, womit der Unbeteiligte von 
sich aus reflektierend Sympathie empfindet. Und 
Ahnliches wie von der Beurteilung der Taten an- 
derer gilt für die Frage: Wie kommen wir dazu, 
uns selbst sittlich zu beurteilen? So wie wir die 
Handlungsweise anderer billigen oder mißbilligen, 
je nachdem wir fühlen, daß wir, wenn wir uns 
in ihre Lage versetzen, mit den sie zum Han- 
deln bestimmenden Beweggründen sympathisieren 
können oder nicht, so billigen oder mißbilligen wir 
unsere eigene Handlungsweise in dem Maß, als 
wir fühlen, daß wir mit den Augen eines andern 
uns betrachtend mit unsern Beweggründen sym- 
pathisieren können. So schauen wir letzten Grundes 
unsere Seelenzustände nur im Spiegel der mensch- 
lichen Gesellschaft. Auch die Regeln des sittlichen 
Verhaltens abstrahieren wir aus der Beobachtung 
der Handlungsweise der Menschen. Ob wir nun 
unsere Handlungen durch diese Moralgebote oder 
auch durch die Affekte bestimmen lassen sollen, 
das hängt von der Natur dieser letzteren ab. 
Wohlwollende Affekte dürfen und sollen die 
Pflichttreue unterstützen, die unsozialen dagegen 
sind zu bekämpfen. Genau unschrieben sind 
eigentlich nur die Pflichten der Gerechtigkeit, die 
gewissermaßen den Regeln der Grammatik gleichen, 
während die übrigen Gebote darin mehr auf die der 
Asthetik hinauskommen. Diese grundlegenden Ge- 
danken werden in den drei ersten Teilen der Theorie 
der sittlichen Empfindungen entwickelt, die noch 
folgenden vier Teile gehen mehr auf Einzelheiten 
Staatslexikon IV. 3. u. 4. Anfl. 
Smith. 
  
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ein. — Smith hat die Ausstellungen seiner eng- 
lisch-schottischen Vorgänger, auf deren Schultern 
er steht, über das Wesen der Tugend und deren 
Bestimmbarkeit (Ubereinstimmung oder Angemes- 
senheit der Motive und Handlungen mit den sie 
bedingenden Verhältnissen) in folgenden Punkten 
weitergebildet und vervollkommnet: er hat einmal 
die Modalität jener Angemessenheit durch seine 
Sympathietheorie näher bestimmt und der prak- 
tischen Verwendbarkeit näher gebracht; und er hat 
ferner durch Herausarbeitung des Unterschieds von 
tugendhaft und verdienstlich zu dem Moment der 
bloßen Billigung das der Lohnwürdigkeit sittlicher 
Handlungen hinzugefügt, die aber auch nicht auf 
der Angemessenheit der Handlungen an sich, son- 
dern auf ihrer Wirkung, ihrem Nutzen beruht. 
Gegen die Smithsche Ethik läßt sich natürlich nicht 
nur im einzelnen, sondern auch im Prinzip sehr 
vieles einwenden. Seine Theorie des Mitgefühls 
(Sympathie), die als sittliche Grundforderung 
aufstellt: Handle so, daß der unparteiische Zu- 
schauer mit dir sympathisieren kann, ist als Moral- 
prinzip jedenfalls nicht genügend. Denn abgesehen 
von der Schwierigkeit, sich trotz der drohenden 
Verblendungen der Eigenliebe tatsächlich auf den 
Standpunkt des unparteiischen Beobachters zu 
stellen, muß man doch sofort weiter fragen: wo- 
nach soll denn der unparteiische Zuschauer ur- 
teilen? Wenn uns da Smith auf die Richtschnur 
der Angemessenheit, Zweckmäßigkeit und Nützlich- 
keit verweist, so kann uns diese Antwort nicht be- 
friedigen. Aber wenn wir von diesem Grund- 
mangel, der mit der sensualistischen Weltanschauung 
von selbst gegeben ist, absehen, so läßt sich doch 
nicht leugnen, daß die Moral Smiths auch relativ 
große Vorzüge aufzuweisen hat. Man darf vor 
allen Dingen nicht vergessen, daß er mit gar nicht 
so üblem Erfolg eine Brücke von der Nützlichkeits- 
moral zu der idealistischen oder Prinzipienmoral 
zu schlagen versucht hat. Er betont gegen Hume: 
Der sittliche Mensch tut das Gute, obwohl es im 
allgemeinen mit dem Nühtzlichen sich deckt, nicht, 
weil es nützlich ist, sondern weil er von Natur sich 
gedrängt fühlt, es zu billigen; und die Billigung 
des Guten und Schönen geht der Erwägung ihrer 
Nützlichkeit voraus. Sodann hat Smith im Gegen- 
satz zu dem einseitigen und übertriebenen Altruis- 
mus das Verhältnis der Selbstliebe zur Nächsten- 
liebe im allgemeinen richtig und an die Forde- 
rungen des Evangeliums anklingend (du sollst 
deinen Nächsten lieben wie dich selbst) bestimmt: 
Die Selbstliebe ist das Maß, und diese ist sitt- 
lich, wenn sie die Nächstenliebe als Bedingung des 
eignen Glücks einschließt. Ferner hat Smith, ob- 
wohl er sich gegen diejenigen wendet, welche den 
Grund der Billigung der Tugend nur im Ver- 
stand suchen, doch richtig erkannt, daß das Pflicht- 
gefühl nicht etwas Urwüchsiges, Autonomes ist, 
sondern von außen her durch das Gesetz in den 
Menschen hineingetragen wird und in der An- 
erkennung und dem Gehorsam gegen dieses besteht; 
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