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Maß des Werts aller Waren. Der Warenpreis
nun setzt sich zusammen aus Arbeitslohn, Unter-
nehmergewinn und Grundrente. Diese bilden die
Produktionskosten, und der Preis muß ebenso hoch
sein, daß alle an der Produktion Beteiligten ihr
entsprechendes Entgelt als Einkommen erhalten.
Dieses Einkommen ist, je nachdem der Anteil an
der Produktion in Arbeitsleistung, in Lieferung
des Kapitals oder in Hergabe des Bodens besteht,
Lohn, Zins oder Rente. Alle drei schwanken, und
dementsprechend auch der Preis. Der durchschnitt-
liche Lohn hängt ab von dem Fortschritt, Still-
stand oder Rückgang des Volksreichtums, von An-
gebot und Nachfrage der Arbeitskräfte, die im
Arbeitsvertrag zum Ausdruck kommen, und inner-
halb der einzelnen Beschäftigungsarten von deren
Vorzügen und Nachteilen. Es gibt jedoch eine
Grenze, unter die der Lohn dauernd nicht sinken
kann: er muß mindestens so hoch sein, daß vom
Arbeitsverdienst des Mannes und der Frau außer
ihnen selbst noch vier Kinder leben können; denn
da die Hälfte der Arbeiterkinder in den ersten
Lebensjahren stirbt, so müssen von jedem Ehepaar
durchschnittlich mindestens vier Kinder erzeugt
werden, wenn die Arbeiterbevölkerung nicht aus-
sterben soll. Auch die Rente steigt im allgemeinen
mit dem Wachsen des Nationalreichtums, während
der Zins die entgegengesetzte Tendenz zeigt. Wäh-
rend daher das Interesse des Arbeiter= und Grund-
besitzerstands innig und unlöslich mit dem Inter-
esse der ganzen Gesellschaft verbunden ist, gilt dies
keineswegs von den Kapitalbesitzern; ja Smith
meint, das Interesse des Händlers sei stets von
dem des Publikums verschieden.
Diesen Grundsätzen über die Elemente des Wirt-
schaftslebens entspricht nun bei Smith, da für ihn
die ökonomische Wirtschaft wesentlich Produktion
ist, die Idee der Produktion. Nicht der Boden,
wie bei den Physiokraten, ist ihm mehr der Schöpfer
des Reichtums, sondern die Arbeit, die sich mit den
von der Erde gebotenen Rohstoffen befaßt und
durch Gebrauch, Leitung und Verwendung der
Naturkräfte nützliche Güter schafft. Aber ebenso
falsch ist nach Smith die (merkantilistische) Ansicht,
daß die Menge des vorhandenen Gelds den Reich-
tum der Nation bilde. Obwohl, sagt er, den Be-
wohnern eines Landes ihr Einkommen meist in
Geld zufließe, so hänge doch die Größe ihres wirk-
lichen Einkommens nicht von dem Nennwert der
Geldsumme ab, sondern von der Gütermasse, die
damit gekauft werden kann, und ihr Gesamtein-
kommen bestehe nicht in dem Geld und den Gü-
tern, sondern nur in diesen; und bei der Gesell-
schaft sei dies noch klarer als bei den einzelnen.
Also die Funktion des Gelds ist nur die eines
Austauschmittels. Wo man daher, zur Verhütung
der Abnutzung, das Metallgeld umgehen kann, soll
man es tun (was Smith zu einer Theorie des
Papiergelds und der Banknoten veranlaßt); doch
wird das Metallgeld daneben stets notwendig
bleiben, schon als Wertmesser. Das zirkulierende
Smith.
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Hartgeld hat (wie jedes, auch das fixe Kapital)
keinen andern Zweck, als den Verbrauchsvorrat
des Volks zu erhalten und zu mehren. Aber
„das große Rad, das die Güter umtreibt, ist von
den Gütern, die es umtreibt, durchaus verschieden.
Das Einkommen der Gesellschaft besteht nur in
diesen Gütern, nicht in dem Rad, das sie um-
treibt“. Demnach bestimmt auch nicht die Handels-
bilanz oder der Umstand, ob mehr Geld in das
Land fließt oder aus ihm wegfließt, den Reichtum
einer Nation; worauf es ankommt, ist vielmehr
das Verhältnis zwischen Erzeugung und Ver-
brauch. Von diesem hängt nämlich die Bildung
des Kapitals, und vom Kapital wieder die künf-
tige Gütererzeugung ab, für welche jenes die Roh-
stoffe und die Subsistenzmittel für die Arbeiter
herbeischaffen muß. Bei der Erklärung der Ka-
pitalanhäufung geht Smith von einer falschen
Unterscheidung von produktiver und unproduktiver
Arbeit aus (ihm ist nur solche Arbeit produktiv,
welche körperliche Gegenstände hervorbringt) und
läßt das Kapital, wenn auch nicht — wie immer
noch behauptet wird, und wie seine unechten
Schüler tatsächlich lehrten — entstehen, so doch
sich vermehren durch Sparsamkeit. Da für Smith
— womit er den heute in der Nationalökonomie
herrschenden Kapitalbegriff geschaffen hat — unter
Kapital solche Güter zu verstehen sind, die zur
Produktion neuer Güter oder zur Vermehrung
des eignen Besitzes durch Kaufmannsgeschäfte ver-
wendet werden, so ist es klar, daß auch nach ihm
nur die Arbeit das Kapital schaffen kann. Spar-
samkeit fördert die Aufhäufung des Kapitals in
den Händen einzelner, führt zu Kapital besitz;
und sofern der Kapitalismus die Produktivität
der Arbeit begünstigt, wird dadurch auch das
Sachkapital vermehrt. Smith drückt sich so aus:
Die Kapitalgüter würden vom Gewerbefleiß
geschaffen, aber um Kapital zu werden oder das
Kapital zu vergrößern, müßten sie gespart und
angehäuft werden. Dabei sind ihm offenbar die
beiden Begriffe: Bestand der betreffenden Güter
und ihr Besitz, durcheinander geraten. Daß er
es richtig meint, geht aus dem hervor, was er
über die Rentabilität der verschiedenen Kapital-
anlagen sagt, wobei er die Landwirtschaft als die
produktivste Anlage bezeichnet. Reichtum ist ihm
eben in erster Linie das in Genußmitteln be-
stehende Jahreserzeugnis, nicht aber das Geld,
und auch nicht eigentlich derjenige Teil des Ka-
pitals, welcher die Arbeit nur in ihrer Wirksam-
keit unterstützt.
Das ist so ungefähr der Gedankengang der zwei
grundlegenden Bücher des Wealth of Nations;
der übrige Teil des Werks beschäftigt sich mit der
Volkswirtschafts politik, und zwar im großen
und ganzen mit der Handelspolitik und der Finanz-
wissenschaft. Es wird nicht nötig sein, hier in
Einzelheiten einzugehen, die ja zum großen Teil
von den Tatsachen überholt sind; es wird genügen,
die leitenden Grundgedanken hervorzuheben. Als
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