Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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steht, eine rechtliche, eine legitime. Steht ihr da- 
gegen ein älteres Recht auf den Besitz der Staats- 
herrschaft entgegen, vollzieht sie sich demnach auf 
dem Weg der Gewalt, so erscheint sie als eine 
widerrechtliche, usurpierte, gleichviel, ob das um 
den rechtlichen Besitz der Souveränität gebrachte 
Rechtssubjekt ein Individuum, also ein Fürst, 
eine organisierte Klasse von Personen, also eine 
Aristokratie, oder das gesamte politisch berechtigte 
Volk war. Die Geschichte hat zahlreiche Fälle 
aufzuweisen, in denen ein Monarch und eine 
Dynastie das berechtigte Herrscherhaus um den 
Besitz der Staatsgewalt brachte, z. B. die Ver- 
drängung der Stuarts durch die Dynastie Ora- 
nien-Hannover, der Bourbonen durch das Haus 
Orléans, der Familie Karageorgewitsch durch die 
Obrenowitsch; legitime Dynastien wurden durch 
die widerrechtliche Proklamation der Volkssouve= 
ränität und der Republik verdrängt (1792 in 
Frankreich, 1799 in Neapel und 1910 in Por- 
tugal); Aristokratien mußten der Volksherrschaft 
weichen (so häufig in den deutschen Reichsstädten 
des Mittelalters). 
Indessen läßt eine Anzahl von Beispielen er- 
sehen, daß unter Umständen auch die zu Recht 
bestehende demokratische Republik einer usurpierten 
Fürstenherrschaft oder der gewaltsamen Einsetzung 
eines aristokratischen Regiments zum Opfer fallen 
kann. Ja es ist vorgekommen, daß derartige usur- 
Souveränität, 
staatsrechtliche. 1220 
Literatur. Vgl. auch die unter Art. Garantie, 
staatsrechtl., Monarchie u. Staatsgewalt aufge- 
führten Handbücher des Staatsrechts; ferner R. 
Maurenbrecher, Die deutschen regierenden Fürsten 
u. ihre Souveränität (1839); Zachariä, Deutsches 
Staatsrecht (21853); Gerber, Grundzüge eines Sy- 
stems des deutschen Staatsrechts (1865, 71880); 
Jellinek, Lehre von den Staatenverbindungen 
(1882); Rosin, Souveränität, Staat, Gemeinde, 
Selbstverwaltung, in Hirths Annalen (1883); 
Cosse, Du principe de souveraineté (Par. 1882); 
Borel, Etude sur la souveraineté et I’état fédéra- 
tif (Lyon 1886); Bornhak, Preuß. Staatsrecht 
(1884); Preuß, Gemeinde, Staat, Reich als Ge- 
bietskörperschaften (1889); Trieps, Das Deutsche 
Reich u. die deutschen Bundesstaaten (1890); 
Westerkamp, Staatenbund u. Bundesstaat (1892); 
v. Seydel, Der Bundesstaatsbegriff, in Staats- 
rechtliche u. polit. Abhandlungen (1893); Kliemke, 
Die staatsrechtliche Natur u. Stellung des Bundes- 
rats (1894); Bornhak, Die verfassungsrechtliche 
Stellung des deutschen Kaisertums (Archiv für 
öffentliches Recht VIII I18941); Treumann, Die 
Monarchomachen (1895); Rehm, Allgem. Staats- 
lehre (1899); Hancke, Bodin, eine Studie über 
den Begriff der Souveränität (1894); Jellinek, 
Über Staatsfragmente (Festgabe der jurist. Fakul- 
tät der Universität Heidelb. für Großh. Friedrich 
von Baden, 1896); Landmann, Der Souveräni- 
tätsbegriff bei den französ. Theoretikern (1896). 
Außerdem: Dock, Der Souveränitätsbegriff von Bo- 
din bis zu Friedrich d. Gr. (Straßb. jur. Diss. 1897); 
Binding, Die rechtl. Stellung des Kaisers im heuti- 
  
pierte aristokratische Regierungen von sehr langer gen Deutschen Reich, in Jahrbuch der Gehe-Stiftung 
Dauer waren. Die Jahrhunderte hindurch wäh= zu Dresden III (1899); Dock, Revolution u. Re- 
rende Herrschaft der Nobili in Venedig, die vom stauration über die Souveränität (1900); Laband, 
Jahr 1297 bis zum Jahr 1797 im Besitz der 
Macht blieben, und diejenige der Adelsfamilien 
in Genua, die vom Jahr 1528 bis zur französi- 
schen Invasion infolge der Revolution herrschten, 
beweisen das zur Genige. 
Ebenso wie die Erwerbung der Souveränität 
ist auch die Beendigung derselben entweder 
eine rechtmäßige oder eine widerrechtliche, je nach- 
dem sie sich den bestehenden Rechtsvorschriften ge- 
mäß vollzieht oder im Widerspruch mit ihnen 
stattfindet. 
Unter den einzelnen rechtmäßigen Erwerbsarten 
ist die Thronfolge infolge des Todes oder der 
Das Staatsrecht des Deutschen Reichs (4 Bde, 
1901); dasselbe verkürzt in 5. Aufl. in Das öffentl. 
Recht der Gegenwart I, hrsg. von Jellinek, Laband 
u. Piloty (1909); Mode, Doppelsouveränität im 
Deutschen Reich (1900); R. Schmidt, Allg. Staats- 
lehre 1 u. II (1901,03); Gierke, Johannes Althu- 
sius (21902); Schücking, Der Staat u. die Agnaten 
v! (1902); Le Fur u. P. Posener, Bundesstaat u. 
Staatenbund (1902); Boghitchevitch, Halbsouve- 
ränität (1903); Daniel, Die Kuralienformel „Von 
Gottes Gnaden“, ein Beitrag zur Lehre vom gött- 
lichen Recht der Krone (1903); Rehm, Modernes 
Fürstenrecht (1904); Cathrein, Moralphilosophie 
(2 Bde, 1904); Jellinek, Das Recht des modernen 
Staats I (21905); Piloty, Autorität u. Staats- 
Abdankung des bisherigen Staatsherrschers von gewalt (1905); Krabbe, Die Lehre der Rechtssou- 
besonderer Wichtigkeit (s. d. betr. Art.); was aber 
die möglichen Beendigungsarten anlangt, 
so müssen wir, abgesehen von den soeben erwähnten 
Fällen des Todes und der freiwilligen Verzicht- 
leistung, die Entsetzung des Monarchen infolge 
rechtmäßigen Beschlusses der Agnaten, die Revo- 
lution, die Eroberung durch eine fremde Macht 
und die freiwillige Abtretung an einen andern 
Souverän unterscheiden. In vielen Staaten hat 
man den Agnaten des regierenden Hauses von 
alters her das Recht beigelegt, den Souverän durch 
einen Beschluß des Familienrats der Regierung 
zu entsetzen, wenn sich die absolute Unfähigkeit 
desselben herausstellt, das Land ordnungsgemäß 
zu beherrschen (vgl. hierzu d. Art. Regentschaft). 
veränität (1906); Triepel, Unitarismus u. Föde- 
ralismus im Deutschen Reich (1907); Rehm, Die 
überstaatl. Rechtsstellung der deutschen Dynastien, 
in der Festschrift für die jurist. Fakultät in Gießen 
(1907); Preuß, Selbstverwaltung, Gemeinde, 
Staat, Souveränität, in den Staatsrechtl. Abhand- 
lungen, Festgabe für Laband zum 50jähr. Doktor- 
jubiläum II (1908) 159 ff; La Fur. La souverai- 
neté et le droit, in der Revue du droit public de 
la science politigue en France et à I’étranger, 
Nr 3 (Par. 1908); Kaufmann, über den Begriff 
des Organismus in der Staatslehre des 19. Jahrh. 
(1908); Cathrein, Recht, Naturrecht u. positives 
Recht (21909); Bornhak, Grundriß des deutschen 
Staatsrechts (21909); ders., Allg. Staatslehre 
(21909); Dienstfertig, Die rechtl. Mitwirkung des 
  
Bundesrats u. des Reichstags auf dem Gebiet der
	        
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