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schließen und auf Pergament oder Papier ge-
schrieben, in englischer Sprache verfaßt oder von
einer Übersetzung begleitet sein. Die Sprache der
Petition muß ehrerbietig und gemäßigt sein; da
die Petitionen durch ein Mitglied eines Hauses
diesem überreicht werden müssen, so hat dieses
Mitglied die Petition vorher durchzulesen und zu
prüfen, ob nicht augenfällige Verletzungen der
Regeln des Hauses ersichtlich sind. Der mit der
Überreichung der Petition betraute Abgeordnete
hat auf derselben seinen Namen eigenhändig zu
vermerken. Petitionen von Korporationen müssen
mit deren Siegel versehen und auf dem Blatt
selbst, auf welchem die Petition geschrieben ist,
wenigstens von einem der Petenten unterschrieben
sein. Aus dem Petitionsrecht des englischen Par-
laments hat sich dessen Zustimmungsrecht zur Ge-
setzgebung entwickelt. Der König wird gebeten,
eine Verordnung bestimmten Inhalts (Bill) zu
erlassen, worauf er seine Zustimmung erteilt und
das Gesetz vollzieht.
Als Petition wird aber in England auch die
Anrede des Sprechers des Hauses der Gemeinen
an die Staatsregierung bezeichnet, in welcher der-
selbe auf die alten, unzweifelhaften Rechte und
Privilegien des Hauses der Gemeinen Anspruch
erhebt. Berühmt ist die Petition of Rights vom
28. Mai (7. Juni) 1628, durch welche das Haus
sich die Rechte anerkennen ließ, daß kein Freimann
ohne ausgesprochene rechtsgültige Ursache solle
eingekerkert werden, und daß der König ohne
Parlamentsakte keine neuen Steuern oder An-
leihen erheben dürfe, weil dies den Rechten und
Freiheiten des Unterhauses und den Gesetzen und
Statuten der Nation zuwider sei.
Die früheste verfassungsmäßige Gewährleistung
hat das Petitionsrecht in Nordamerika gefunden.
Die Constitution of the United States ent-
zieht dem Kongreß die Befugnis, je ein Gesetz zu
erlassen, welches das Recht des Volks, sich fried-
lich zu versammeln und an die Regierung Peti-
tionen zu richten und sie um Abhilfe von Be-
schwerden anzugehen, beschränke. Ahnliche Vor-
schriften befinden sich in den meisten Verfassungen
der Unionstaaten. Nach dem amerikanischen Vor-
bild hat in Frankreich die Assemblée consti-
tuante das Petitionsrecht als Grundrecht der
Staatsbürger proklamiert und jede Beschränkung
oder Aufhebung des Rechts de présenter des
Pétitions aux dépositaires de I’autorité publi-
due untersagt. Die Konstitution von 1798 ge-
stattete die persönliche Uberreichung von Petitionen
mehrerer. Die Konstitutionen von 1795 und
1799 verboten die persönliche Uberreichung der
Petitionen und gestatteten nur noch pstitions in-
dividuelles. Mit dieser Beschränkung hatte jeder-
mann die Befugnis d’'adresser des pétitions
à toute autorité constituée et au Tribunat.
Die Verfassung vom 2. Dez. 1852 gestattete nur
die Einreichung von Petitionen an den Senat,
das Gesetz vom 22. Juli 1879 ließ wieder die
Petitionsrecht.
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schriftliche Uberreichung von Petitionen an beide
Kammern zu, verbot aber d'en apporter en per-
sonnes ou à la barre. Die belgische Konstitu-
tion vom 25. Febr. 1831 gewährt jedem das
Recht d’adresser aux autorités publiques des
Pétitions, signées par une ou plusieurs per-
sonnes. Les autorités constituces ont seu-
les le droit dadresser des pétitions en nom
collectif. II est interdit de présenter en per-
sonnes des pétitions aux chambres. Chaque
chambre ale droit de renvoyer aux mitustres
les pétitions qui lui sont adressées. Les mi-
nistres sont tenus de donner des explications
sur leur contenu chaque fois due lachambre
l'exige (art. 21, 43).
In Deutschland hat sich das Petitionsrecht
erst mit der Gründung des Deutschen Bundes in-
folge der neuen landständischen Verfassungen ent-
wickeln können. Wir begegnen zwar schon in
früheren Jahrhunderten dem Beschwerderecht der
Untertanen und Landstände über ihre Landes-
herrschaft wegen Bedrückung durch schlechte Re-
gierung, Verletzung ihrer Rechte und Freiheiten.
Die Wahlkapitulation hat das Beschwerderecht an
den Kaiser, an die Austrägalinstanz und das
Reichsgericht sogar ausdrücklich geregelt. Aber
dieses Klagerecht fällt mit dem Petitionsrecht der
modernen Konstitutionen nicht zusammen. Die
erste ausdrückliche Anerkennung des modernen
Petitionsrechts findet sich in der Verfassungs-
urkunde für Sachsen-Weimar von 1816, Art. 10.
Die Wiener Schlußakte vom 15. Mai 1820 er-
wähnt im Art. 29 nur des Rechts der Beschwerde
wegen Verweigerung, Verzögerung oder Hemmung
der ordnungsmäßigen Rechtspflege in einem ein-
zelnen Bundesstaat; des Petitionsrechts der
Staatsbürger oder Landstände ist nicht gedacht.
Dasselbe findet dann eine ausdrückliche Anerken-
nung in den Verfassungen für Sachsen-Meiningen
vom 23. Aug. 1829, für Sachsen-Altenburg vom
29. April 1831. für Kurhessen von 1831, für
Braunschweig vom 12. Okt. 1832, für Hannover
von 1833, sowie in allen nach 1848 publizierten
Verfassungsurkunden, insbesondere der preußischen
vom 31. Jan. 1850, Art. 32. Die Verfassungen
für Bayern vom 26. Mai 1818, für Baden vom
22. Aug. 1818, für Württemberg vom 25. Sept.
1819, für Hessen vom 17. Dez. 1820 sowie für
Sachsen vom 4. Sept. 1831 reden von dem Pe-
titionsrecht der Landstände und dem Beschwerde-
recht der Untertanen an die Volksvertretung oder
den Monarchen. Die Bundesbeschlüsse vom
13. Okt. 1831 und 18. Juni 1832, deren erster
das Sammeln von Unterschriften zu gemeinschaft-
lichen Vorstellungen oder Adressen über gemein-
schaftliche Angelegenheiten des Bundes verbot
und deren zweiter die deutschen Souveräne zur
Verwerfung der auf Erweiterung gewisser stän-
discher Befugnisse gerichteten Petitionen der
Stände verpflichtete, zeigen, in welchem Umfang
schon damals das Petitionsrecht der Staatsbürger