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wofür sie andere Grundstücke erhalten. Aber das
alles ist nur unter Verhältnissen möglich, die
höchst primitiver Natur sind. Der russische Bauer
ist ein sehr einfacher, anspruchsloser Mensch, der mit
der ursprünglichsten Lebensweise vorlieb nimmt.
Die Landwirtschaft Rußlands ist meist noch auf
einer sehr niederen Stufe. Von Meliorationen ist
so gut wie gar nicht die Rede. Die Lebens-
anschauungen des Landvolks sind zudem sehr ein-
heitlich. Mit Resignation fügt man sich in alles.
Auf einer solchen Kulturstufe ist ein Familien=
kommunismus denkbar, wie er bis vor einigen
Jahren noch in den südflawischen Regionen, in
Kroatien, Bulgarien und Serbien, in der Form
der Zadruga bestand, in welcher mehrere patri-
archalisch beisammen lebende, zusammen hausende
und essende Familien einen Komplex von Grund-
stücken gemeinsam bebauen und bewirtschaften.
Aber wäre selbst in so einfachen Verhälktnissen
unter Menschen von geringer Geistesbildung eine
derartige Agrarverfassung möglich gewesen, wenn
nicht die starke und häufig so harte Hand des
Grundherrn, dessen Leibeigene die Bauernfamilien
waren und der das Fett vom Arbeitsertrag der
Bauern abschöpfte, selbst aber im Besitz freien
Eigentums war, alles zusammengehalten und über-
wacht hätte?: Die Mitteilungen Tolstojs und an-
derer über die russischen Eigentumsverhältnisse und
die traurige Lage der Bauern des großen slawi-
schen Reichs lassen nur zu sehr erkennen, wie wenig
die Agrarorganisation desselben den Menschen
genützt hat.
Trot alledem ist die Menschheit von der sozia-
listischen Doktrin nicht befreit worden, vielmehr
hat diese in den letzten Jahrzehnten an Verbreitung
gewonnen, obgleich sich die materielle Lage des
Arbeiterstandes in den meisten Ländern im großen
und ganzen nicht nur infolge der staatlichen Schutz-
gesetze, sondern auch infolge des humaneren Ent-
gegenkommens der Unternehmer und besonders
infolge der kräftigen Selbsthilfe und Organisation
der Arbeiter bedeutend günstiger gestaltet hat.
Die Kritik der Institution des Privateigen-
tums an den Produktionsmitteln ist im Gegen-
teil durch Karl Marx und seine Schüler mit wohl
noch nie dagewesener Schärfe geübt worden. Die
Darstellung der gegen sie ins Feld geführten Tat-
sachen ist aber eine durchaus einseitige, welche alles
Schlimme aufzählt und das Gute, den Bestand
der auf das Privateigentum gegründeten Gesell-
schafts= und Produktionsordnung vollständig
Rechtfertigende unbeachtet läßt. Es ist die bekannte,
den sozialistischen Versuchen einer Geschichts- und
insbesondere einer Kulturgeschichtsschreibung eigen-
tümliche Manier. Marx, sein langjähriger Freund
und Mitarbeiter Friedrich Engels, K. Kautsky und
der Engländer Hyndman u. a. sind die Proto-
typen der Tendenzschriftstellerei auf sozialem und
wirtschaftlichem Gebiet.
Die Eigenart dieser neuen Ausprägung des so-
zialistischen Gedankens, des sog. „wissenschaft-
Sozialismus.
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lichen“ Sozialismus (Marxismus), ergibt sich am
klarsten aus ihrer Gegenüberstellung zum älteren,
namentlich französischen Sozialismus. Während
der ältere Sozialismus die Einrichtungen der
bürgerlichen Gesellschaft als unvernünftig und un-
gerecht bekämpfte, begnügt sich der „wissenschaft-
liche“ Sozialismus mit der bloßen Feststellung
der in der kapitalistischen Gesellschaft sich häufen-
den Widersprüche, die mit Naturnotwendigkeit zur
Auflösung der bestehenden Ordnung führen müssen.
Die äälteren (,kritisch-utopistischen“) Sozialisten
konstruierten den Zukunftsstaat aus dem Kopf.
Der Marristische Sozialismus findet die Elemente
und Keime der zukünftigen Gesellschaft in dem vor
unsern Augen sich vollziehenden Auflösungsprozesse
der gegenwärtigen, kapitalistischen Gesellschaft.
Die „Utopisten“ machten Propaganda für ihre
Ideen, Musterexperimente, appellierten an den
Staat, die höheren Klassen der Gesellschaft. Marx
und Engels erwarten nichts von den höheren
Klassen, sondern alles von der Naturnotwendigkeit
der geschichtlichen Entwicklung, von der Organi-
sation der Arbeiterklasse, vom Klassenkampf des
Proletariats.
Die Weltanschauung, zu der die neue Lehre
sich bekennt, entsteht aus einer Verbindung der
Hegelschen Dialektik mit dem Feuerbachschen Ma-
terialismus. Alles Sein ist Materie, die Daseins-
weise der Materie aber Bewegung. Nicht die
Idee ist der Demiurg des Wirklichen, wie bei
Hegel, — die Gedankenwelt vielmehr der bloße
Reflex der Bewegung im Stofflichen, alle Wissen-
schaft somit Entwicklungslehre, der Sozialismus
als „Wissenschaft“ die Entwicklungsgeschichte der
Erscheinungen des sozialen Lebens, die Erforschung
und Darlegung der immanenten Gesetze der so-
zialen Evolution.
Die materialistische Geschichtsauffas-
sung belehrt uns über diese Gesetze zunächst im all-
gemeinen. Die Geschichte einer jeden Epoche wird
hiernach bestimmt durch ihre ökonomischen Verhält-
nisse, durch die Art und Weise, wie die Menschen
ihren Lebensunterhalt produzieren, die Güter aus-
tauschen und verteilen. Während in der ursprüng-
lichen kommunistischen Gesellschaft vollkommene
Gleichheit herrschte, führte das Privateigentum
zur Verschiedenheit des Besitzes, zu Klassenunter-
schieden, Gegensätzen, Klassenkämpfen. Der Klassen-
kampf bildet das die gesellschaftliche Entwicklung
vollziehende Moment. Sein Ziel ist jedesmal die
Emanzipation einer unterdrückten Klasse, das Ziel
des gegenwärtigen Klassenkampfes zwischen Bour-
geoisie und Proletariat: die Beseitigung aller
Klassen. Mit der ökonomischen Unterlage ändert
sich bei allen großen Wandlungen in der Geschichte
der gesamte soziale und politische Uberbau. Aber
auch die Prinzipien und Ideen folgen als ideo-
logischer Uberbau dem Wechsel der ökonomischen
Unterlage, die für alles das bestimmende Moment
der Entwicklung darstellt. Recht, Moral, Reli-
gion sind daher ebenso rein historische, veränder-