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z. B. das Eindringen des Arbeiterschutzes in die
Familie, wird jetzt als eine Selbstverständlichkeit
hingenommen, weil es als Notwendigkeit erkannt
wird“ (E. Francke, Soziale Praxis XI, Nr 36).
Bei einer richtigen Bewertung des Gangs der so-
zialpolitischen Gesetzgebung ist zu bedenken, daß
ein Teil der Aufgaben, deren Lösung man von
der staatlichen Gesetzgebung erwartete, von der
Gewerkschaftsbewegung bzw. Tarifbewegung über-
nommen worden ist. Hier ist z. B. unter anderem
zu nennen die Einschränkung der Sonntags= und
Uberarbeit, die Einrichtung der Betriebs= und
Arbeitsräume, die Reglung des Lehrlingswesens,
der Lohnzahlung usw.
Gegen eine Fortführung unserer Sozialpolitik
wird neuerdings vielfach eingewandt, sie belaste
in ungebührlicher Weise die Industrie und des-
halb müsse mit der sozialpolitischen Gesetzgebung
endlich einmal Schluß gemacht werden. Daß die
deutsche Industrie eine Reihe schwerer Lasten trägt,
soll auch an dieser Stelle nicht geleugnet werden;
aber diese dürften zu ihrem wesentlichsten Teil in
den öffentlichen Abgaben an Staat und Gemein-
den und viel weniger in den finanziellen Opfern,
die unsere Sozialpolitik fordert, zu erblicken sein,
und letztere höchstens einen kleinen Bruchteil der
ersteren darstellen. Dazu aber muß man berück-
sichtigen, daß die Kosten unserer sozialen Gesetz-
gebung zu einem großen Teil auch von den Ar-
beitern in der Gestalt deren Beiträge aufgebracht
werden. Und endlich ist festzuhalten, daß die so-
zialen Lasten bereits seit langem zu einem feststehen-
den Produktionsfaktor geworden sind, auch in den
Preisen ihren Ausdruck gefunden haben und in
dieser Form nicht bloß von der Industrie und
deren Arbeiterschaft, sondern der Gesamtheit der
Konsumenten getragen werden. Wenn man weiter
einwendet, durch die soziale Gesetzgebung werde
unserer Industrie namentlich auch die Konkurrenz
mit dem Ausland erschwert, die eine solche Gesetz-
gebung in unserem Umfang nicht kenne, so muß
dem gegenüber gehalten werden, daß es recht
schwer fallen dürfte, hier exakte Vergleiche zu ziehen.
Außerdem ist zu beachten, daß auch das Ausland
(vgl. die neue allgemeine Staatsbürgerversorgung
in England, die jüngste Altersversicherung in
Frankreich u. a.) immer mehr dazu übergeht, dem
Beispiel Deutschlands zu folgen, und daß dort, wo
durch Versicherung für die Arbeiter nicht gesorgt
ist, diese das Bestreben haben, durch höhere Löhne
sich dafür schadlos zu halten, wie dies in Nord-
amerika tatsächlich der Fall ist. Für die Bewertung
unserer Sozialpolitik bzw. sozialen Gesetzgebung
und die Beurteilung der durch sie erwachsenden
Kosten darf im übrigen nicht vergessen werden,
daß sie für die körperliche und geistige Gesunder-
haltung unserer Arbeiter- und Angestelltenschaft
und damit indirekt für die Leistungsfähigkeit der
deutschen Industrie von entscheidender Bedeutung
gewesen ist; und man darf gewiß wohl die Frage
stellen, ob überhaupt der letzteren ihr Siegeszug in
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl.
Sozialpolitik.
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den jüngsten beiden Jahrzehnten wohl möglich ge-
wesen wäre, wenn ihr die Sozialpolitik nicht zu
einer leistungsfähigen Arbeiterschaft mitverholfen
hätte. Gerade dieser große Gesichtspunkt erscheint
für die Beurteilung der ganzen Frage so wesent-
lich, daß kleinlichere Bedenken dahinter zurücktreten
müssen.
Eine gründliche Sozialreform erfordert aber
neben der sozialpolitischen Gesetzgebung auch eine
soziale Verwaltungspolitik. Auch die
öffentliche Verwaltung muß von sozialen Grund-
sätzen durchdrungen und getragen sein. Das ist
in mancher Hinsicht schon erforderlich, wenn die
von der Gesetzgebung aufgestellten Grundsätze in
der Praxis voll zur Wirkung kommen sollen.
UÜberdies hat sich die Verwaltungspolitik selb-
ständig auf dem Gebiet der Sozialreform zu be-
tätigen; für sie ist es noch weniger wie für die
Gesetzgebung möglich, etwa ein bestimmtes sozial-
politisches Ressort abzugrenzen, denn die soziale
Frage greift heute so ziemlich in alle Ressorts der
Verwaltungspolitik hinein und heischt Berücksich-
tigung. „Das Eintreten sozialer Gesichtspunkte
in die Verwaltung hat zur Folge, daß man die
einzelne Maßregel (in volkswirtschaftlicher Hin-
sicht) nicht mehr bloß darauf prüft, wie sie auf die
Vermehrung des Wohlstands im ganzen, sondern
auch, wie sie auf die einzelnen Schichten des Volks
wirkt... Unbewußt wirken Rücksichten auch auf
einzelne soziale Schichten zu allen Zeiten mit.
Jede Verwaltung ist beherrscht von den sozialen
Anschauungen der Gesellschaftsklasse, aus der ihre
leitenden Kräfte hervorgegangen sind und täglich
neu hervorgehen. Hier zeigt sich der Einfluß der
Sozialpolitik gerade darin, daß die Einseitigkeit
der eignen Anschauung zum Bewußtsein kommt
und neben den Interessen der herrschenden Klasse
die der andern zur Berücksichtigung sich melden“
(J. Jastrow, Sozialpolitik und Verwaltungs-
wissenschaft 43).
Wie sehr es freilich noch vielfach an genügendem
sozialpolitischem Verständnis fehlt, offenbart sich
nirgends deutlicher wie zeitweilig in dem Verhalten
von Behörden, Gerichten und Polizeiorganen zur
Arbeiterbewegung, insbesondere zum Koalitions=
recht der Arbeiter. Die Klagen über Engherzig-
keit und Willkür, über Mangel an Gerechtigkeit
und Unterdrückung berechtigter Selbsthilfe sind
leider oft nur zu begründet. In zahlreichen Amts-
stuben und Kabinetten herrscht noch — vielleicht
weniger in bewußter Absicht als infolge tief ein-
gewurzelter Vorurteile — ein der heutigen Ar-
beiterbewegung feindlicher Geist, der in jeder, auch
der berechtigtsten Außerung dieser Bewegung eine
Gefahr für den Staat wittert und zu Maßregeln
führt, durch welche eine gedeihliche soziale Ent-
wicklung keineswegs gefördert, sondern im Gegen-
teil gehemmt wird. Dabei mag zugestanden werden,
daß die unselige Verquickung des größten Teils der
organisierten Arbeiterbewegung mit der politischen
Sozialdemokratie die Arbeiterbewegung überhaupt
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