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Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder plus einem
Mitglied erforderlich. Außer dem Recht der Legis-
lative haben die Cortes folgende Befugnisse: den
Eid des Königs, des unmittelbaren Thronerben
oder der Regentschaft, die Verfassung und Gesetze
zu beobachten, entgegenzunehmen, den Regenten
oder die Regentschaft zu wählen und einen Vor-
mund für den minderjährigen König in den
von der Verfassung vorgeschriebenen Fällen zu er-
nennen, die Verantwortlichkeit der Minister, die
von der Abgeordnetenkammer angeklagt und vom
Senat abgeurteilt werden können, wirksam zu
machen. Die Mitglieder der Cortes sind für ihre
in Ausübung des Amts erfolgten Außerungen und
Abstimmungen nicht verantwortlich; sie können
während der parlamentarischen Tagung nicht ohne
Zustimmung der Kammer, der sie angehören, ver-
folgt werden, außer wenn sie auf frischer Tat er-
griffen sind; angeklagte Cortesmitglieder werden
in gesetzlich bestimmten Fällen nur vom obersten
Gerichtshof abgeurteilt. Die Cortesmitglieder ge-
nießen weder Diäten noch Reiseentschädigungen.
Der Senat besteht aus Senatoren aus eignem
Recht, aus vom König auf Lebenszeit ernannten
und aus gewählten Mitgliedern. Die Zahl der
gewählten beträgt 180 (Wahlgesetz vom 8. Febr.
1877), die beiden andern Gruppen dürfen zu-
sammen im Hoöchstfall die gleiche Zahl erreichen
(Februar 1911 im ganzen 320 Mitglieder).
Senatoren aus eignem Recht sind die volljährigen
Söhne des Königs und des präsumtiven Thron-
folgers, die spanischen Granden, die keiner fremden
Macht unterworfen sind und eine jährliche Rente
von 60 000 Pesetas aus eignem Grundbesitz oder
aus Werten, die diesen gesetzlich gleichgestellt sind,
besitzen, die Generalkapitäne der Armee und der
Flottenadmiral, der Patriarch von Indien und
die Erzbischöfe, die Präsidenten des Staatsrats,
obersten Gerichtshofs, Rechnungshofs und des
obersten Kriegs= und Marinegerichts nach zwei-
jähriger Amtszeit. Zu Senatoren können vom
König ernannt oder von den wahlberechtigten
Körperschaften gewählt werden: die Präsidenten
des Senats und der Abgeordnetenkammer, die
Deputierten, die 3 verschiedene Legislaturperioden
hindurch oder 8 Jahre lang Abgeordnete waren,
die Minister, die Bischöfe, die spanischen Granden,
die Generalleutnants der Armee und Vizeadmiräle
der Flotte nach zweijährigem Besitz dieses Grads,
die Gesandten nach zwei-, die bevollmächtigten
Minister nach vierjähriger Dienstzeit, die Staats-
räte, der Generalprokurator beim Staatsrat, die
Mitglieder und Räte der höheren Gerichte, die
Präsidenten oder Direktoren und rangälliesten
Mitglieder mehrerer gelehrten Körperschaften und
Universitätsprofessoren, die seit 4 Jahren minde-
stens dazu ernannt sind; alle diese Personen müssen
ein jährliches Einkommen von 7500 Pesetas be-
Spanien.
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zahlen, wenn sie außerdem einen Adelstitel be-
sitzen, oder Deputierte zu den Cortes oder den
Provinzialvertretungen oder Alcalden in den Pro-
vinzhauptstädten oder in den Städten mit mehr
als 20 000 Einwohnern gewesen sind. Alle Sena-
toren müssen Spanier und 35 Jahre alt sein und
dürfen nicht Gegenstand einer strafrechtlichen Ver-
solgung gewesen oder für unfähig zur Ausübung
der politischen Rechte erklärt worden sein. Von
den gewählten Senatoxen, die alle 5 Jahre zur
Hälfte erneuert werden, werden gewählt: 9 Mit-
glieder von den Erzbischöfen, Bischöfen und geist-
lichen Kapiteln, 6 von den 6 Akademien, je 1 von
den 10 Universitäten, 5 von den Okonomischen
Gesellschaften der Freunde des Landes, 150 von
den Provinzialvertretungen, denen Wahlmänner
der Gemeinderäte und Höchstbesteuerten der Ort-
schaften zur Seite treten. Einige Amter (besonders
in der Staats= und Gemeindefinanzverwaltung)
und Stellungen (Unternehmungen auf Kosten des
Staats) sind mit der Würde eines Senators in-
kompatibel. Eine „Reform“ des Senats (Aus-
schluß der Bischöfe bis auf drei, Vermehrung der
vom König ernannten Mitglieder bis zur Hälfte
aller Senatoren usw.) ist (Februar 1911) geplant.
Die Abgeordnetenkammer (Congreso)
besteht (Wahlgesetz vom 8. Aug. 1907) aus 404
Abgeordneten, die in allgemeiner, gleicher und
direkter Wahl von den Wahlberechtigten jedes
Wahlkreises auf 5 Jahre gewählt werden. Wähler
ist jeder 25 Jahr alte männliche Spanier, der
im vollen Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte ist
und seinen Wohnsitz in einer Gemeinde hat, in
der er seit mindestens 2 Jahren ansässig ist. Kein
Wahlrecht ausüben dürfen alle aktiven Mitglieder
der bewaffneten Macht oder waffentragender
Körperschaften oder Anstalten, ferner die zu ge-
wissen Strafen Verurteilten, die im Konkurs stehen-
den oder noch nicht rehabilitierten Bankrotteure
sowie morose Schuldner des Staatsschatzes, die
in Wohltätigkeitsanstalten Untergebrachten und
Personen, die von der Behörde ermächtigt sind,
die öffentliche Mildtätigkeit anzurufen. Wählbar
zu Deputierten sind alle 25 Jahre alten männ-
lichen Spanier, die dem Laienstand angehören, im
vollen Genuß der bürgerlichen Ehrenrechte stehen
und das aktive Wahlrecht haben. Das Amt eines
Deputierten ist nach dem Inkompatibilitätsgesetz
von 1880 nicht vereinbar mit den meisten bürger-
lichen, militärischen und richterlichen Amtern;
ebenso sind nicht wählbar Personen, die für den
Staat, die Provinzen oder Gemeinden öffentliche
Arbeiten unternehmen oder ein Jahr vor der
Wahl im Wahlkreis ein bezahltes Amt bekleidet
oder eine bezahlte Kommission der Regierung er-
füllt oder eine richterliche oder fiskalische Stellung
bekleidet haben. Die Wählbarkeit erleidet auch in-
sofern eine Beschränkung, als jeder Kandidat, der
siten. Ferner sind wählbar Personen, die seit nicht selber Deputierter war oder ist, von zwei
2 Jahren eine jährliche Rente von 20.000 Pesetas aktiven oder gewesenen Deputierten oder Senatoren
haben oder 4000 Pesetas direkte Steuern be= des betreffenden Bezirks oder von drei Mitgliedern.