Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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der französischen nachgebildet und straff zentralisiert. 
Das Land ist in 49 Provinzen eingeteilt, an deren 
Spitze für die gesamte innere und Steuerverwal- 
tung die Gouverneure stehen. Ihnen stehen als 
Organe der Selbstverwaltung für die besondern 
Interessen der Provinz die Provinzialdeputationen 
zur Seite, deren Mitglieder distriktsweise gewählt 
werden; wahlberechtigt sind alle Spanier, die lesen 
und schreiben können und im Wahldistrikt ihren 
Wohnsitz haben, sowie von den Analphabeten die- 
jenigen, die irgend eine Steuer bezahlen und min- 
destens ein Jahr Landwirtschaft oder zwei Jahre 
Industrie oder Handel treiben. Bei jeder Depu- 
tation gibt es eine ständige Kommission, die aus 
soviel Deputierten besteht, als die Provinz Di- 
strikte zählt und vom Gouverneur präsidiert wird; 
sie hat zahlreiche Befugnisse als Verwaltungs- 
körper, als vorgesetzte Behörde der Gemeinderäte, 
als beratende Körperschaft und als Gerichtshof in 
verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten. Jede Pro- 
vinz zerfällt für Wahl= und Gerichtszwecke in Di- 
strikte, deren Zahl nur durch Gesetz geändert 
werden kann, für Verwaltungszwecke in Gemeinden. 
Alle Gemeinden Spaniens (9266) werden gleich- 
mäßig verwaltet; an der Spitze des von den Ge- 
meindewählern gewählten Gemeinderats (consejo 
oder ayuntamiento) steht der Bürgermeister (al- 
calde), der in Madrid, den Provinzialhaupt- 
städten, den Hauptstädten der Gerichtsbezirke und 
jenen Gemeinden, die die gleiche oder größere Ein- 
wohnerzahl (stets aber mindestens 6000) in dem- 
selben Gerichtsbezirk haben, vom König aus den 
Gemeinderäten (in Madrid frei) ernannt, in den 
übrigen Gemeinden von den Gemeinderäten aus 
ihrer Mitte erwählt werden. Das Wahlrecht in 
den Gemeinden ist im allgemeinen an die gleichen 
Vorbedingungen wie das Wahlrecht zu den Cortes 
geknüpft; ebenso besteht derselbe Wahlmodus und 
die gleiche Wahlpflicht unter den gleichen Straf- 
bestimmungen, wie sie das Gesetz vom 8. Aug. 
1907 für die Corteswahlen vorschreibt (s. oben). 
Die Polizeiverwaltung üben in den Gemeinden 
die Alkalden, in den größeren Städten besondere 
Kommissare unter Aussicht der Gouverneure aus. 
— Durch die von Maura 1909 vorgelegte Re- 
sorm der Lokalverwaltung sollte die bisherige 
Zentralisation etwas gemildert und den Gemein- 
den oder zu bestimmten Zwecken gebildeten Ge- 
meindeverbänden (mancomunidades) eine größere 
Selbständigkeit in der Erledigung der fie im be- 
sondern angehenden Angelegenheiten, namentlich 
auf den Gebieten der Wohltätigkeit, des Armen- 
wesens, der öffentlichen Arbeiten und Schulen, ein- 
geräumt werden, die Reform kam jedoch nicht zur 
Annahme die gegenwärtige Regierung will eine 
Dezentralisation auf dem Verordnungsweg her- 
beiführen. 
Die Rechtspflege besorgt als niederste In- 
stanz in jeder Gemeinde ein Gemeinderichter (jue 
Spanien. 
  
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richter aufgestellten Liste ernannt wird; die Appel- 
lation von ihm geht an den Bezirksrichter (ue 
de partido; 500 im Land), der als Einzelrichter 
in Zivil-- und Strafsachen als Richter erster In- 
stanz urteilt. Ubergeordnet sind, für Zivil= und 
Strafsachen, die 15 Appellhöfe (audiencias ter- 
ritoriales) und der höchste Gerichtshof (tribunal 
supremo) in Madrid, der aus 3 Kammern be- 
steht und mit 1 Präsidenten, 3 Abteilungspräsi- 
denten und 22 Richtemn besetzt ist. Die Richter 
sind unabsetzbar und können nur in gesetzlich be- 
stimmten Fällen entlassen und suspendiert werden; 
tatsächlich aber sind die Richter in weitgehendem 
Maß von der Regierung abhängig. In Preß- 
prozessen entscheiden Schwurgerichte. Die Staats- 
anwaltschaft besteht aus einem Generalprokurator 
(liscal), dem ein Generaladvokat (teniente fiscal) 
beigegeben ist, einer Anzahl von Substituten (abo- 
gados fiscales) des Generalprokurators; bei 
jedem Gemeindegericht fungiert ein Munizipal- 
prokurator. 
IV. Armee. Nach dem Gesetz vom 11. Juli 
1885 und 4. Dez. 1901 besteht allgemeine Wehr- 
pflicht vom 21. Jahr ab, und zwar 3 Jahre im 
stehenden Heer, 3 Jahre in der ersten Reserve und 
6 Jahre in der zweilen Reserve. Stellvertretung 
unter Brüdern ist gesetzlich gestattet, der Loskauf 
für 1500 Pesetas wurde 8. Aug. 1909 durch 
Dekret aufgehoben. Eine neue Militärvorlage 
schlägt die Erhöhung der Dienstzeit auf 18 Jahre 
vor (3 aktiv, 5 in der 1., 6 in der 2. Reserve, 4 
in der Territorialarmee), doch sind zahlreiche 
Milderungen vorgesehen. Das jährliche Rekruten- 
kontingent sollte 80 000 (nach dem Etat des Kriegs- 
ministeriums für 1911 sogar 115700) Mann 
betragen; 1908 wurden von 58 000 ausgehobenen 
Wehrpflichtigen 44978 Mann ins Heer ein- 
gestellt. Das Heer des festländischen Spanien ist 
in 8 Regionen: Neukastilien (Sitz des General- 
kapitäns Madrid), Andalusien (Sevilla), Valencia 
(Valencia), Katalonien (Barcelona), Aragonien 
(Saragossa), 6. Region (Burgos), Altkastilien 
(Valladolid) und Galicien (Corußa) eingeteilt. 
Die Generalkapitanate der 1. bis 6. Region haben 
je 2 Infanteriedivisionen (zu je 2 Brigaden mit 
je 2 Regimentern), 2 Regimenter Kavallerie, 2 Re- 
gimenter Artillerie, das 7. Generalkapitanat hat 
1 Infanteriedivision, 1 Regiment Kavallerie, 1 Re- 
giment Gebirgsartillerie, das achte 1 Infanterie- 
division zu 3 Brigaden, 1 Regiment Kavallerie 
und 1 Regiment Gebirgsartillerie. Außerdem 
sind jedem Generalkapitanat bestimmte Truppen- 
gattungen zugeteilt. Vorhanden sind ferner die 
Generalkapitanate der Balearen, der Kanarischen 
Inseln und von Melilla sowie das Militär- 
gouvernement von Ceuta. Die Gesamtstärke be- 
trägt 72 Regimenter Infanterie (davon 6 in 
Afrika, je 4 auf den Balearen und Kanaren), 
26 Bataillone Jäger (3 in Afrika, 1 auf den 
municipal), der von dem Präsidenten des über= Balearen, 4 auf den Kanaren), 154 Eskadronen 
geordneten Appellhofs aus einer vom Bezirks= Kavallerie (6 in Afrika, je 2 auf den Balearen
	        
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