Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1311 
treffen. Demnach müßten an 34 400 Schulen 
vorhanden sein, während es in Wirklichkeit 1908 
nur 24 860 gab und nur 4 Provinzen eine über 
das gesetzliche Minimum hinausgehende Anzahl 
besaßen. Diese Lücke wird durch die freien Schulen 
nicht ausgefüllt; von diesen waren 5014 katho- 
lisch (meist von Ordensleuten geleitet), 91 prote- 
stantisch und 107 konfessionslos oder ausgesprochen 
atheistisch. Die Leitung und Unterhaltung der 
öffentlichen Volksschulen obliegt den Gemeinden 
unter Aufsicht des Staats, der einen geringen 
Beitrag leistet; doch sind die den Gemeinden dafür 
zur Verfügung stehenden Mittel sehr knapp und 
die Gehälter der Lehrer, die zudem vielfach nur 
unregelmäßig oder auch gar nicht bezahlt werden, 
bei der ständigen Ebbe in den kommunalen und 
staatlichen Kassen so gering, daß die Lehrer davon 
kaum leben können und sich nach einem Neben- 
erwerb umsehen müssen, dem dann ein Teil der 
eigentlich dem Unterricht gebührenden Zeit ge- 
widmet ist. Die freien Schulen müssen von der 
Regierung ermächtigt sein, unterstehen der In- 
spektion des Staats, der auch für die Anstellung 
der Lehrkräfte bestimmte Bedingungen aufgestellt 
hat. — Der Mittelschulunterricht wird teils in 
staatlichen (58) Instituten („Sekundärschulen") 
gegeben, die der Verwaltung der Provinzialdepu- 
tationen unterstehen und einen fünf= bis sechsjäh- 
rigen Kursus haben, teils in Colegios (an 320), 
Privatschulen, von denen etwa der vierte Teil 
unter geistlicher Leitung steht. In Madrid besteht 
seit 1896 eine deutsche Schule mit dem Lehrplan 
einer Realschule und einem besondern Kursus im 
im Lateinischen, ferner eine Schule der deutschen 
protestantischen Gemeinde. Außer diesen Sekun- 
  
darschulen und Colegios sind gewerbliche, tech- 
nische, kaufmännische, kunstgewerbliche u. a. Fach- 
schulen entstanden (an 46 Lehrer-, 40 Lehre- 
rinnenseminare), in industriellen Gebieten auch 
Fortbildungsschulen. Das Mädchenschulwesen liegt 
sast ganz in den Händen der weiblichen religiösen 
Orden und Kongregationen. 
Für die Hochschulbildung bestehen 10 Universi- 
täten (Madrid, Salamanca, Valladolid, Sara- 
gossa, Barcelona, Valencia, Sevilla, Granada, 
Oviedo und Santiago) mit rund 520 Professoren 
und 20 000 Studenten; Oviedo hat nur 1 Fa- 
kultät, Valladolid 2, die andern 3—5. In Ma- 
drid existiert neben der staatlichen Universität eine 
freie Hochschule mit liberalem und republikanischem 
Charakter. Das Studium der Theologie ist von 
den Untversitäten ausgeschlossen und den Diözesan- 
seminarien und den Seminarien und Schulen der 
Orden vorbehalten, die der unmittelbaren Leitung 
der Kirche unterstehen. — Von den übrigen höhe- 
ren Schulen und Instituten sind noch zu nennen 
die Diplomatenschule in Madrid, die Sonder- 
institute für medizinische Studien (Cädiz) und für 
die Tierarzneikunde (5), 2 technische Hochschulen, 
die höhere Ingenieurschule, das Konservatorium 
für Musik, verschiedene Kunstschulen, das päd- 
Spanien. 
  
1312 
agogische Museum, die Hochschulen für militärische 
Zwecke (die Akademie für die Artillerie in Sego- 
via, die für das Ingenieurkorps in Guadalajara, 
für Infanterie in Toledo, für Kavallerie in Valla- 
dolid, für den Generalstab in Madrid, für Mi- 
litärverwaltung in Avila, für die Marine in 
Ferrol), die Nationalbibliotheken in Madrid, 
Escorial usw., die Archive (Simancas usw.), die 
gelehrten Gesellschaften (Königliche Akademie, Aka- 
demie der Sprache, die der Geschichte, der schönen 
Künste, der Rechtswissenschaften usw.), die Museen 
und Sammlungen (namentlich in Madrid) usw. 
Die oberste Leitung des gesamten Unterrichts- 
wesens steht dem Ministerium für öffentlichen 
Unterricht und schöne Künste zu, dem der Rat 
des öffentlichen Unterrichts und verschiedene Di- 
rektionen unterstehen. Für die Zwecke des Unter- 
richts ist Spanien in 10 Distrikte eingeteilt, die 
den 10 Universitäten entsprechen; in einem jeden 
ist ein Rektor als unmittelbarer Vorstand der be- 
treffenden Universität und als Oberbehörde für 
alle in ihm bestehenden öffentlichen Unterrichts- 
anstalten vorhanden, dem ein Universitätsrat zur 
Seite steht. Ferner gibt es provinziale und örtliche 
Unterrichtsausschüsse als beratende Körperschaften 
für die lokale Verwaltung hinsichtlich der betref- 
fenden Provinzial-- und Gemeindeanstalten; in 
den Provinzialausschüssen ist die Kirche durch einen 
vom Bischof delegierten Geistlichen, in den ört- 
lichen Volksschulausschüssen durch den Ortspfarrer 
vertreten. Ein Gesetzentwurf, der die „neutrale"“ 
Schule (die Schule „ohne Dogma“) an Stelle 
der konfessionellen einführen will und den Einfluß 
der Kirche auf die Schule zu vermindern bezweckt, 
liegt Febr. 1911 dem Senat vor. 
Von den rund 1350 Zeitungen und Zeit- 
schriften ist die älteste Tageszeitung die amtliche 
Gaceta de Madrid (seit 1661); die verbreitetsten 
sind El Imparcial, Heraldo und El Liberal (li= 
berale Richtung), La Epoca, El Mundo, ABC 
(konservativ), EI Correo espanol und El Correo 
catalan (karlistisch), EI Siglo kuturo (Organ 
der katholischen Integristen), E. Universo (Or- 
gan der unabhängigen Katholifen), El Pais und 
El Globo (republikanisch). Von den Zeitschriften 
werden Razön y Fé und das Wochenblatt Lec- 
tura Dominical von den Jesuiten herausgegeben. 
VII. Wirtschaftliche Berhältnisse. Trotz der 
großen natürlichen Hilfsquellen des Landes, das 
unter den Römern eine der ergiebigsten Kornkam- 
mern des Reichs war und unter der arabischen 
Herrschaft einen außerordentlich reichen Ertrag an 
Erzeugnissen aller Art lieferte, ist die heutige Volks- 
wirtschaft, besonders die Landwirtschaft, 
Spaniens unbefriedigend. Die Fruchtbarkeit des 
Bodens hat unter dem Niedergang der Bevölke- 
rungsziffer und der sich daraus ergebenden ge- 
ringeren Bearbeitung gelitten, die Abholzung der 
Wälder hat die Bewässerungsverhältnisse ver- 
schlechtert; dies und die übermäßige Belastung des 
Bodens durch Steuern (besonders Grundsteuer)
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.