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der Name Staat Anwendung finden kann, und
etwas anderes, die Anforderungen festzusetzen,
welche man von dem jeweils eingenommenen und
durch mannigfache Erwägungen bestimmten Stand-
punkt aus an einen Staat stellen zu sollen glaubt.
Um beides reinlich auseinanderzuhalten, kann man
sagen, daß es sich dort um den Begriff, hier um
die Idee des Staats handle, dort also um die
Subsumierung des geschichtlich Gewordenen unter
einen das Gemeinsame und gleichmäßig Wieder-
kehrende, das Gattungsmäßige herausstellende
Abstraktion, hier um die Gewinnung eines Maß-
stabs, an welchem der Wert des Gewordenen be-
messen wird, oder auch von Zielpunkten, welchen
die absichtlich geleitete staatliche Entwicklung nach-
zustreben hat. Dabei kann sehr wohl die objektive
Würdigung des geschichtlich Gewordenen und tat-
sächlich Geschehenden eine Bestätigung abgeben für
das, was von andern Erwägungen her als das
Seinsollende erkannt wurde.
Unter den Gattungsmerkmalen des Staats tritt
als das stets und am meisten in die Augen Fal-
lende das heraus, daß in ihm eine Vielheit von
Menschen zur Einheit verbunden ist. Sogleich
aber fragt es sich dann, welcher Art diese Einheit
ist, und worauf sie beruht. Eine Anzahl von
Menschen, welche zu bestimmtem Zweck oder aus
besonderem Anlaß für längere oder kürzere Zeit in
Verbindung miteinander gebracht sind, ein Kriegs-
heer im Feld, die durch einen Eisenbahnbau zu-
sammengeführte Arbeiterschar, eine Reisegesellschaft
bilden noch keinen Staat. Staatliche Zusammen-
gehörigkeit ist eine dauernde, über das Leben der
einzelnen Mitglieder hinausgehende, und sie schließt
eine umfassende, durch dauerndes Zusammenleben
bedingte Interessengemeinschaft ein. Zusammen-
gehörigkeit des bewohnten Gebiets bildet hierzu
die in der Natur der Sache gründende Voraus-
setzung, aber bloßes Nebeneinanderwohnen auf
einem solchen, auch wenn seine Zusammengehörig-
keit eine geographische ist und natürliche Grenzen
dasselbe von andern bewohnten Gebieten trennen,
macht allein noch keinen Staat aus. Es ist denk-
bar, daß auf einem geographisch zusammengehö-
rigen Gebiet zerstreute Gruppen von Ansiedlern
wohnen, welche keine staatliche Gemeinschaft mit-
einander bilden. Auch gemeinsame Abstammung,
Blutsverwandtschaft ist nicht das, was die Staats-
einheit begründet; Staat und Volk fallen nicht
zusammen. Es kann eine Volksgemeinschaft, wie
die flawische, an verschiedene Staatsgebilde zerteilt
sein, es kann umgekehrt ein und derselbe Staat —
man denke nur an Osterreich-Ungarn — verschie-
dene nationale Bestandteile umfassen. Das Ent-
scheidende ist vielmehr dies, daß die vielen einer
Obrigkeit unterworfen sind, welche die Normen
ihres geordneten Zusammenlebens handhabt. Staat
ist hiernach seinem allgemeinsten Begriff nach die
dauernde und geordnete Verbindung einer Viel-
heit von Menschen unter einer gemeinsamen Ob-
rigkeit.
Staat.
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II. Arsprung des Staats. Durch das Vor-
hergehende ist die Frage nach dem Ursprung des
Staats unmittelbar nahegelegt. Dieselbe wird
heute nicht mehr mit dem leidenschaftlichen Partei-
eifer behandelt, mit welchem insbesondere die Hal-
lersche Schule die Lehre Rousseaus von dem Ur-
sprung des Staats aus Vertrag bekämpfte. Immer-
hin bildet diese letztere auch jetzt noch einen be-
quemen Ausgangspunkt der Erörterung. Dabei
ist aber vor allem eine Verständigung über den
Sinn der Fragestellung erforderlich. Die Frage
nach dem Ursprung des Staats kann die Mei-
nung einschließen, daß alle Staaten im Grunde
auf dieselbe Weise entstehen müßten, so daß von
dieser Weise des Entstehens der staatliche Charakter
abhängig wäre. Alsdann handelt es sich nicht
sowohl um den tatsächlichen Hergang bei der Be-
gründung eines bestimmten oder der uns bekannten
Staaten als vielmehr um den Rechtsgrund des
Staats überhaupt. Gesucht wird nicht so sehr ein
historisches Faktum als vielmehr die philosophische
Rechtfertigung der Existenz des Staats und der
Grund der verpflichtenden Kraft staatlicher Nor-
men. Nur in diesem Sinn wollte Rousseau selbst
seine Lehre verstanden wissen, wenn er erklärt:
Je cherche le droit et la raison et ne dis-
pute pas des faits. Diese Seite der Frage er-
fordert eine besondere Untersuchung, welche später
angestellt werden soll. Hat man dagegen den wirk-
lichen Hergang im Sinn, durch welchen die Staaten
zustande gekommen sind, und erblickt denselben aus-
schließlich in dem Eingehen eines Vertrags, so
muß man notwendig einen dem Abschluß dieses
Vertrags vorausgehenden staatlosen Zustand an-
nehmen, und dies ist in der Tat die in der Staats-
philosophie des 17. und 18. Jahrh. mehrfach ver-
tretene Auffassung. Um dem staatlosen Zustand
zu entgehen, schließen nach derselben die bis dahin
isoliert gebliebenen Menschheitsatome einen Ver-
trag oder auch eine Reihe von Verträgen ab,
welche das ältere Naturrecht als pactum unionis,
Pactum societatis, pactum ordinationis sive
lex fundamentalis und pactum subiectionis
unterschied. Sie treten zu einem Verband zu-
sammen, unterwerfen sich einer Obrigkeit, geben
sich eine monarchische oder republikanische Ver-
fassung, alles auf Grund gegenseitiger Überein-
kunft; der Staat wird somit zu einer Erfindung
des Menschen, einem Produkt seiner Willkür.
Gegen die so verstandene Lehre ist nun aber vor
allem einzuwenden, daß sie von der Geschichte keine
Bestätigung erhält. Der Ursprung der meisten
Staaten ist uns unbekannt; er geht in das Dunkel
prähistorischer Zeiten zurück. Aber nicht nur das.
Was wir aus der Geschichte der Staaten und der
Menschheit wissen, spricht gegen die Lehre. Auch
durch die oft angeführte Begründung der Kolonie
New Plymouth wird sie nur scheinbar bestätigt.
Denn wenn auch die 41 „Pilgrimsväter“ an Bord
des Schiffs „Mayflower“ sich am 12. Nov. 1620
durch einen Vertrag zu einem bürgerlichen Ge-