1409
zwei Jahre Argentinien, Brasilien; drei Jahre
Frankreich, Griechenland, Schweden; fünf Jahre
Belgien, Großbritannien, Rußland, Vereinigte
Staaten von Amerika. Deutschland, Osterreich,
Italien, Schweiz verlangen nicht einen längeren
Aufenthalt. Manche Staaten lassen Dispensatio-
nen von den Aufenthaltsfristen zu und manche
gewähren bei der Aufnahme zunächst nur die sog.
allgemeinen bürgerlichen Rechte und geben die sog.
politischen Vollbürgerrechte erst nach Ablauf eines
weiteren Zeitraums. In Staaten mit starker Ein-
wanderung haben sich verschiedentlich schon in den
Kreisen der Eingebornen zur Verteidigung ihrer
Rechte Bewegungen gebildet, welche eine möglichst
lange Hinausschiebung (auf 20 und mehr Jahre)
der Verleihung der vollen staatsbürgerlichen Rechte
erstreben (Nativismus), so namentlich in der ameri-
kanischen Union um die Mitte des 19. Jahrh.
(die politischen Parteien der Natives und der
Knownothings). Auch in den weiteren Voraus-
setzungen für die Verleihung — z. B. Unbescholten-
heit, Fähigkeit des Aufzunehmenden, sich und seine
Angehörigen zu ernähren — finden sich mannig-
fache Unterschiede. In der Regel erstreckt sich die
Verleihung der Staatsangehörigkeit, insofern da-
bei nicht eine Ausnahme gemacht wird, zugleich
auf die Ehefrau und die noch unter väterlicher
(elterlicher) Gewalt stehenden minderjährigen Kin-
der. — Endlich erwerben infolge von Gebietsab-
tretungen die Bewohner des abgetretenen Gebiets
die Staatsangehörigkeit des erwerbenden Staats.
In solchen Fällen wird aber meistens den Betrof-
fenen das Recht eingeräumt, für ihre bisherige
Staatsangehörigkeit zu optieren. Auch abgesehen
von solchen Fällen kann durch völkerrechtlichen
Vertrag wechselseitig den Staatsangehörigen ein
Optionsrecht eingeräumt oder vereinbart werden,
daß mit dem Erwerb der Staatsangehörigkeit des
einen der Verlust der Staatsangehörigkeit des
andern vertragschließenden Staats verbunden sei.
Für den Wiedererwerb der einmal verlorenen
Staatsangehörigkeit gilt im allgemeinen nichts
Besonderes. Nur für den Wiedererwerb der durch
bloßen Aufenthalt im Ausland verlorenen Staats-
angehörigkeit gelten in der Regel Erleichterungen.
Das gleiche ist, wie bereits angedeutet, für Witwen
der Fall. Für Frauen, deren Ehe geschieden oder
für nichtig erklärt ist, ist meistens nichts vorgesehen.
Nach allgemeiner Annahme ist jener Umstand ohne
Einfluß, dieser dagegen hat zur Folge, daß die
durch die nichtige Ehe erworbene Staatsangehörig-
keit mit der Nichtigkeitserklärung der Ehe wieder
verloren geht.
Für Deutschland ist das Reichsgesetz über
die Erwerbung und den Verlust der Reichs= und
Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 (R.G.Bl.
355), das in einigen das Familienrecht betreffen-
den Punkten durch Art. 21 des Einf.Ges. zum
B. G.B. abgeändert ist, maßgebend. Danach er-
wirbt jemand die Staatsangehörigkeit in einem
Bundesstaat des Deutschen Reichs durch Abstam-
Staatslexikon. IV. 3. u. 4. Aufl.
Staatsangehörigkeit ufw.
1410
mung, durch Legitimation, durch Verheiratung
und durch Verleihung. — Die ehelichen Kinder
eines Deutschen erwerben durch die Geburt, auch
wenn diese im Ausland erfolgt, die Staatsange-
hörigkeit des Vaters, die unehelichen Kinder einer
Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter. —
Ist der Vater eines unehelichen Kindes ein Deut-
scher und besitzt die Mutter nicht die Staatsange-
hörigkeit des Vaters, so erwirbt das Kind durch
eine den gesetzlichen Bestimmungen gemäß erfolgte
Legitimation die Staatsangehörigkeit des Vaters.
Die Adoption oder bloße Anerkennung der Vater-
schaft hat für sich allein diese Wirkung nicht. Die
Legitimation erfolgt durch nachfolgende Ehe oder
durch Ehelichkeitserklärung mittels Verfügung der
Staatsgewalt. Nicht zu der ersteren, wohl aber
zu der letzteren Art der Legitimation ist die Ein-
willigung des Kindes und unter Umständen auch
noch anderer Personen erforderlich. — Für eine
Frau wird durch Verheiratung mit einem Deut-
schen die Staatsangehörigkeit des Mannes be-
gründet. — Bei der Verleihung der Staatsange-
hörigkeit, die stets durch eine Urkunde der oberen
Verwaltungsbehörde erfolgt, ist zu unterscheiden,
ob der Aufzunehmende bereits Deutscher ist, d. h.
die Staatsangehörigkeit in einem andern Bundes-
staat besitzt, oder ob er Ausländer ist. Im ersteren
Fall führt die Verleihung die Bezeichnung „Auf-
nahme“ und kann nur versagt werden, wenn ein
Grund vorliegt, welcher nach den §§ 2/5 des Ge-
setzes über die Freizügigkeit (vgl. unten II, 2) die
Abweisung eines Neuanziehenden oder die Ver-
sagung der Fortsetzung des Aufenthalts rechtfertigt.
Der Aufzunehmende muß allerdings nachweisen,
daß er in dem Bundesstaat, in welchem er die
Aufnahme nachsucht, sich niedergelassen habe. Im
zweiten Fall heißt die Verleihung „Naturali-
sation". Sie darf nur erfolgen, wenn Dispositions-
sähigkeit, Unbescholtenheit und der Nachweis eines
gesicherten Nahrungsstands des Aufzunehmen-
den vorliegt. Der Nachweis eines bestimmten
Minimalvermögens ist allerdings nicht erforder-
lich. Die Dispositionsfähigkeit ist nach den Ge-
setzen des bisherigen Heimatsstaats zu beurteilen;
mangels derselben genügt die Zustimmung des ge-
setzlichen Vertreters. Der Naturalisation steht
gleich die Anstellung im unmittelbaren oder mittel-
baren Staatsdienst, im Kirchen-, Schul= oder
Kommunaldienst, sofern nicht ein entgegengesetzter
Vorbehalt in der Bestallung ausgedrückt ist. —
Der Wohnsitz innerhalb eines Bundesstaats be-
gründet für sich allein die Staatsangehörigkeit
nicht. — Das Gesagte gilt auch für Elsaß-
Lothringen; nur spricht man hier nicht von Staats-
angehörigkeit, sondern von Landesangehörigkeit,
da Elsaß-Lothringen nicht als (Bundes-)Staat
gilt, sondern Reichsland ist. Dagegen gilt es nicht
für die Schutzgebiete. Für den Erwerb der An-
gehörigkeit zu einem Schutzgebiet bestehen über-
haupt keine gesetzlichen Bestimmungen. Eine solche
Zugehörigkeit ist auch nicht gleichbedeutend mit der
45