Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Die Organisation der in den Bundesstaaten 
tätigen Staatsanwaltschaften ist in dem Gerichts- 
verfassungsgesetz nur fragmentarisch geregelt und 
im wesentlichen dem Landesrecht überlassen. Bei 
jedem Gericht soll eine Staatsanwaltschaft bestehen. 
Sie ist den ordentlichen Gerichten angegliedert. 
Die Bestimmung des Amtstitels ist den Bundes- 
staaten überlassen. In den meisten führen die 
ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den 
Oberlandesgerichten den Titel „Oberstaatsanwalt“, 
bei den Landgerichten „Erster Staatsanwalt“. 
Die örtliche Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft 
richtet sich nach der der Gerichte, denen sie zuge- 
teilt sind. In Eilfällen muß jedoch auch ein an 
sich unzuständiger Staatsanwalt die in seinem 
Bezirk notwendig werdenden Amtshandlungen 
vornehmen. Die Aussicht und Leitung der bundes- 
staatlichen Staatsanwaltschaft obliegt der Landes- 
justizverwaltung und den vorgesetzten staatsanwalt- 
schaftlichen Behörden ob. Die Staatsanwalischaft 
hat sich deren Anweisungen zu fügen. Besteht eine 
Staatsanwaltschaft aus mehreren Beamten, so ist 
sie nicht etwa als kollegiale Behörde wie z. B. das 
Landgericht aufzufassen, sondern der erste Beamte 
ist Träger des Amts. Dem französischen Recht ent- 
sprechend gilt die Staatsanwaltschaft eines Ober- 
landesgerichts- oder Landgerichtsbezirks als ein- 
heitlich und unteilbar. Deshalb kann jeder Staats- 
anwalt eines Bezirks die Verrichtungen seines Amts 
bei jedem Gericht des Bezirks ausüben (sog. Devo- 
lutions= und Substitutionsrecht). Bei den Amts- 
und Schöffengerichten verrichten die Amtsanwälte 
die staatsanwaltschaftlichen Funktionen. 
Die Staatsanwaltschaft ist von den Gerichten 
unabhängig. Sie darf keine richterlichen Geschäfte 
verrichten und keine Dienstaufsicht über die Richter 
ausüben. Die Beamten des Sicherheitspolizeidien- 
stes sind Hilfsorgane der Staatsanwaltschaft und 
haben den dienstlichen Anordnungen ihres direkt 
vorgesetzten Staatsanwalts Folge zu leisten. Das 
Reich hat aber den Landesgesetzen überlassen, die 
betreffenden Kategorien der Beamten zu bezeichnen. 
Die nicht einheitliche Organisation ist als ent- 
schiedener Nachteil aufzufassen, und es wird eine 
der Aufgaben der Zukunft sein, hierin eine all- 
mähliche Anderung anzustreben. Das wichtigste 
Gebiet staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit ist die 
Strafverfolgung. Und es ist Sache der Organi- 
sation, hier eine größere Straffheit durch Er- 
weiterung staatsanwaltschaftlicher Befugnisse und 
Herbeiführung der Unabhängigkeit von der Po- 
lizeibehörde zu ermöglichen. Um eine erfolgreiche 
und energische Verfolgung durchführen zu können, 
ist das persönliche Eingreifen des Staatsanwalts 
unbedingt nötig. Er muß rasch am Tatort sein, 
die notwendigen Anordnungen selbst treffen und 
die Vernehmungen machen können, er muß schnell 
und entschlossen sein. Nimmt er die Verfolgung 
von vornherein in die Hand, so wird sein perfön- 
liches Interesse am Fall gesteigert. Sind ihm die 
Hilfsorgane, die Kriminalpolizei und Gendarmerie 
Staatsanwaltschaft. 
  
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direkt unterstellt, so gewinnt die Verfolgung an 
Schnelligkeit und Intensität. Und das ist bei den 
mit den heutigen Verkehrsverhältnissen zusammen- 
hängenden günstigen Fluchtmöglichkeiten von 
außerordentlicher Wichtigkeit. Vorbildlich hierin 
ist die Organisation der badischen Staatsanwalt- 
schaft. Sie ist am Sitz des Landgerichts konzen- 
triert. Dem Staatsanwalt sind ein oder mehrere 
Amtsanwälte, welche die Befähigung zum Richter- 
amt erlangt haben, als Gehilfen beigeordnet. In 
den größeren Städten steht die Kriminalpolizei, 
in den kleineren die Gendarmerie in ihrer dienst- 
lichen Tätigkeit unmittelbar unter dem Ersten 
Staatsanwalt. Sie ist auch im selben Dienstge- 
bäude untergebracht, so daß sie jederzeit zur Ver- 
fügung steht. Die Amtsanwälte (Assessoren) sind 
3bis 5 Jahre als selbständige Gehilfen der Staats- 
anwaltschaft angegliedert. Sie erhalten unter Lei- 
tung und Aussicht der Staatsanwälte eine gute 
Schulung. Sie sind nicht nur in amtsanwalt- 
schaftlichen Sachen tätig, sondern bearbeiten für 
die ihnen unmittelbar vorgesetzten Staatsanwälte 
größere Straffälle. Ein öfterer Wechsel zwischen 
richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit 
ermöglicht eine gründliche Beherrschung des Straf- 
und Zivilrechts. — In Bayern wurde 1910 eine 
neue, den modernen Verhältnissen und Anschau- 
ungen mehr angepaßte Dienstvorschrift für die 
Staatsanwaltschaft (vom 29. Okt. 1910) erlassen. 
Zum Tätigkeitskreis der Staatsanwaltschaft 
gehören folgende Funktionen: 
In der Strafrechtspflege ist die Staats- 
anwaltschaft eine den Gerichten gleichgestellte Be- 
hörde, deren Mitwirkung in allen Abschnitten des 
Verfahrens unerläßlich ist. Ihr liegt ob die Er- 
mittlung von Straftaten teils selbständig unter 
Benutzung ihrer polizeilichen Hilfsbeamten, teils 
unter Mitwirkung des Richters bei solchen Akten, 
wo es sich um Verhaftung, Haussuchung u. dgl. 
handelt; das Recht, Voruntersuchungen bei dem 
zuständigen Gericht zu beantragen und darin jeder- 
zeit einzugreifen; das Recht, die Anklage zu er- 
heben und in der Hauptverhandlung zu vertreten; 
die Ergreifung von Rechtsmitteln; die Strafvoll- 
streckung. 
Nach der deutschen Strafprozeßordnung hat die 
Staatsanwaltschaft ebenso wie in Frankreich das 
Anklagemonopol und übt dasselbe als Verwal- 
tungsbehörde nach freiem Ermessen. Nur in wenigen 
Fällen kann auch von anderer Seite eine Anklage 
erhoben werden, nämlich a) von der Steuerbehörde, 
wenn die Staatsanwaltschaft die Anklage ablehnt 
(6464 der St. P.O.); b) wegen Beleidigung und 
Körperverletzung von dem Privatkläger (§ 414). 
Im übrigen hat derjenige, welcher die Erhebung 
der öffentlichen Anklage beantragt, gegen den ab- 
lehnenden Bescheid der Staatsanwaltschaft nur 
das Recht der Beschwerde und äußerstenfalls das 
Recht, eine gerichtliche Entscheidung darüber her- 
beizuführen, ob die Staatsanwaltschaft die An- 
klage zu erheben hat (8 170). In manchen Fällen
	        
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