Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Po), so bleibt ihm doch sein bisheriger inter- 
nationaler Charakter (Caratheodory, Das Strom- 
gebietsrecht und die internationale Flußschiffahrt, 
in Holtzendorffs Handbuch II 347 ffj. 
Zu dem Staatsgebiet gehört mit Rücksicht auf 
mannigfache Sicherheits-, Polizei-, Handels= und 
finanzielle Interessen der Uferstaaten auch das 
sog. Küstengewässer, d. i. das längs der 
Küste gelegene Meer, soweit es von der Küste aus 
zu beherrschen ist, soweit also zur Zeit der Flut 
am Ufer aufgestellte Geschütze schießen können. 
Mit Rücksicht aber auf die durch technische Fort- 
schritte bedingte Veränderlichkeit dieser Entfernung 
wird in neueren Verträgen die Entfernung von 
drei Seemeilen, von der äußersten Ebbelinie an 
gerechnet, als Grenze des Küstengewässers fest- 
gesetzt. Uber dieses Gewässer steht dem Uferstaat 
die ausschließliche Herrschaft zu, jedoch mit der 
Beschränkung, daß er die friedliche Durchfahrt 
durch dieses Gewässer auch fremden Schiffen nicht 
verwehren darf. Was vom Küstengewässer, gilt 
auch von Meerbusen (Golfen, Buchten, Reeden, 
Häfen), deren Einfahrt so enge ist (nicht über zehn 
Seemeilen), daß sie von der Küste aus gesperrt 
werden kann (Territorialmeere, z. B. Zuidersee 
holländisch, die Haffe deutsch). Sind der Küsten- 
staaten mehrere, so gehört ihnen der Meerbusen 
nach reellen Teilen. 
Auch die Meerenge gehört dem Staat, dessen 
Geschütze sie von beiden Ufern aus sperren können. 
Ist dies von seiten zweier Staaten der Fall, so 
gehört sie beiden zu reellen Teilen. Die Meerengen, 
welche zwei offene internationale Meere miteinander 
verbinden, stehen der Schiffahrt aller Staaten 
offen, wenn nicht vertragsmäßig eine Beschränkung 
besteht, wie z. B. zugunsten der Türkei, welche 
berechtigt ist, den Bosporus und die Dardanellen 
in Friedenszeiten für die Durchfahrt von Kriegs- 
schiffen zu sperren. Eine eigentümliche Stellung 
nimmt die einzige künstliche Meerenge, der Sues- 
kanal, ein, dessen beide Ufer zwar unter türkischer 
Hoheit stehen, welcher aber vermöge des Vertrags 
vom 29. Okt. 1888 in Kriegs= wie in Friedens- 
zeiten Handels= und Kriegsschiffen ohne Unterschied 
der Flagge frei und offen steht. Daß zum Staats- 
gebiet auch Binnenmeere, welche vom Land so um- 
schlossen sind, daß die Zufahrt vom offenen Meer 
nicht möglich ist, und Binnenseen (mit süßem 
Wasser) gehören, ist selbstverständlich. Ist das 
Binnenmeer oder der Binnensee von mehreren 
Staaten umschlossen, so gehören sie, abgesehen von 
vertragsmäßigen Bestimmungen, wie sie z. B. rück- 
sichtlich des Kaspischen Meers bestehen, diesen 
Staaten nach reellen Teilen, so z. B. der Boden- 
see. Doch wird hierbei auch ungeteiltes Hoheits- 
recht der Uferstaaten angenommen. 
Die Herrschaft des Staats über sein Gebiet 
ist zunächst durch die völkerrechtlichen Pflichten 
beschränkt, die aus dem Selbsterhaltungsrecht der 
Nachbarstaaten entspringen (sog. natürliche Dienst- 
barkeiten), z. B. durch die Pflicht, den Wasserlauf 
Staatsgebiet. 
  
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nicht zum Nachteil der unteren Staaten zu ändern. 
Der Staat kann sich aber auch durch Vertrag 
einem andern Staat gegenüber verpflichten, etwas 
dauernd zu unterlassen, was er vermöge seiner 
Hoheit tun dürfte, z. B. eine Festung auf seinem 
ebiet zu errichten, oder etwas auf seinem Gebiet 
dauernd zu dulden, was er kraft seiner Hoheit 
nicht dulden müßte, z. B. den Durchmarsch frem- 
der Truppen durch sein Gebiet. Derartige ver- 
tragsmäßige Beschränkungen find die Staats- 
dienstbarkeiten. Sie entstehen durch Vertrag 
und enden durch Vertrag, Verzichtleistung, Kon- 
fusion und infolge der Gründe, die einen Staats- 
vertrag außer Kraft setzen. 
Der Staat kann auch neues Staatsgebiet er- 
werben, und zwar, abgesehen von der Erobe- 
rung, durch einen ohne Friedensvertrag beendigten 
Krieg, auf ursprüngliche Weise durch Zuwachs 
(Anschwemmung oder Anspülung an das Ufer) 
und durch Besitzergreifung. Nach europäisch-ameri- 
kanischem Völkerrecht sind die Länder unzivilisierter 
Völker als selbständige Staatswesen nicht aner- 
kannt, so daß demjenigen die Staatshoheit zu- 
erkannt wird, der sie zuerst in Besitznimmt. In 
dieser Weise hat das Deutsche Reich das Kaiser- 
Wilhelmsland 1884 durch Flaggenhissung er- 
worben. So bezeichnet die zur Erwerbung des 
Gebiets notwendige Besitzergreifung der Art. 35 
der Generalakte der Berliner Kongokonferenz vom 
26. Febr. 1885 und fügt noch sachgemäß bei, daß 
diejenigen Staaten, welche in Zukunft an der 
Küste von Afrika Gebiet in Besitz nehmen, dies 
den übrigen Staaten, welche den Berliner Vertrag 
geschlossen haben, anzuzeigen verpflichtet sind. Die 
Ersitzung als ursprüngliche Erwerbsart kennt das 
Völkerrecht nicht; ihre Stelle vertritt der unvor- 
denkliche Besitzstand. In abgeleiteter Weise wird 
neues Staatsgebiet erworben durch Abtretung von 
seiten eines andern Staats. Derselben kann ein 
Friedensvertrag oder ein anderes entgeltliches oder 
unentgeltliches Rechtsgeschäft, z. B. Tausch (z. B. 
von Helgoland), namentlich bei Grenzregulierungen, 
Kauf (z. B. von Russisch-Amerika durch die Ver- 
einigten Staaten von Amerika, der Karolinen 
durch das Deutsche Reich), Pacht (z. B. von 
Kiautschoun), Teilung (z. B. der Samoainseln) 
usw., zugrunde liegen. Die Zustimmung der auf 
dem abgetretenen Gebiet seßhaften Bevölkerung 
durch Veranstaltung einer allgemeinen Abstimmung 
(Plebiszit) ist, wenn sie nicht vertragsmäßig fest- 
gesetzt wurde, zur Rechtsgültigkeit der auf ver- 
fassungsmäßigem Weg zustande gekommenen Ab- 
tretung nicht erforderlich, wohl aber wird in 
neueren Verträgen den Bewohnern des abgetre- 
tenen Gebiets das Optionsrecht, d. h. das Recht, 
binnen einer Frist zu erklären, ob sie ihre bisherige 
Staatsangehörigkeit behalten wollen, oder das 
Auswanderungsrecht binnen einer bestimmten Frist 
eingeräumt, z. B. im Frankfurter Frieden vom 
12. Mai 1871, Art. 2 (Störk, Option und 
Plebiszit bei Eroberungen und Gebietszessionen
	        
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