Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Ablauf dieser Fristeinen anderweiten Landtag einzu- 
berufen hat. Die Bewilligung wird übrigens nur 
dann als abgelehnt betrachtet, wenn in einer der 
beiden Kammern mindestens zwei Dritteile der 
Anwesenden für die Ablehnung gestimmt haben. 
Ein hierzu durch Gesetz vom 5. Mai 1851 ge- 
machter Zusatz erhielt durch Gesetz vom 27. Nov. 
1860 folgende Fassung: 8 1. Geht die Bewilli- 
gungsfrist vor erfolgter neuer Bewilligung zu 
Ende, ohne daß einer der im § 5 des Gesetzes vom 
5. Mai 1851 vorgesehenen Fälle eingetreten und 
ohne daß von der Staatsregierung die Vorlage 
des Budgets gegen die Bestimmung des § 3 vom 
5. Mai 1851 verzögert worden ist, so werden die 
bestehenden Steuern und Abgaben, insofern sie 
nicht ausdrücklich nur für einen vorübergehenden, 
bereits erreichten Zweck bestimmt sind, noch auf 
ein Jahr, vorbehaltlich der Bewilligung des Aus- 
gabebudgets, in der bisherigen Weise forterhoben. 
Der § 2 fügt dann noch als weitere Voraus- 
setzungen bei, daß der Landtag mindestens sieben 
Wochen vor Ablauf der Bewilligungsfrist einbe- 
rufen gewesen und ein provisorisches Gesetz wegen 
Forterhebung bis 14 Tage vor Ablauf der Be- 
willigungsfrist nicht erfolgt ist oder aber die später 
vor den Kammern zu rechtfertigende Unmöglich- 
keit rechtzeitiger Einberufung vorliegt. 8 104. Mit 
Ausnahme der in den §§ 89, 96, 103 und 105 
erwähnten Fälle soll in den Anschreiben, welche 
Landesabgaben betreffen, die Bewilligung der 
Kammern besonders erwähnt werden, ohne welche 
weder die Einnehmer zur Einforderung berechtigt 
noch die Untertanen zur Entrichtung verbunden 
sind. § 105 behandelt das Erfordernis der stän- 
dischen Zustimmung zu Staatsanleihen. 8 106 
handelt von der Bewilligung des in das Budget 
aufzunehmenden Reservefonds für unvorhergesehene 
Ereignisse. 
e) Württemberg (Verfassungsurkunde vom 
25. September 1819). § 109. Soweit der Er- 
trag des Kammerguts nicht zureicht, wird der 
Staatsbedarf durch Steuern bestritten. Ohne 
Verwilligung der Stände kann weder in Kriegs- 
noch in Friedenszeiten eine direkte oder indirekte 
Steuer ausgeschrieben und erhoben werden. 
§ 110. Dem Ansinnen einer Steuerverwilligung 
muß jedesmal eine genaue Nachweisung über die 
Notwendigkeit oder Nützlichkeit der zu machenden 
Ausgaben, über die Verwendung der früheren 
Staatseinnahmen und über die Unzulänglichkeit 
der Kammereinkünfte vorangehen. § 111. Zu 
dem Ende hat der Finanzminister den Hauptietat 
den Ständen zur Prüfung vorzulegen. Die ein- 
zelnen Minister haben die Ausgaben für ihre 
Ministerien zu erläutern. 8§ 112. Der von den 
Ständen anerkannte und angenommene Haupt- 
etat ist in der Regel auf drei Jahre gültig. § 113. 
Die Verwilligung der Steuern darf nicht an Be- 
dingungen geknüpft werden, welche die Verwen- 
dung dieser Steuern nicht unmittelbar betreffen. 
8 114. Die auf einen gewissen Zeitraum ver- 
Staatshaushalt. 
  
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willigten Jahressteuern werden nach Ablauf dieses 
Zeitraums in gleichem Maß auch im ersten Drittel 
des folgenden Jahrs auf Rechnung der neuen 
Verwilligung eingezogen. § 178 bringt die Be- 
stimmung, nach welcher Gesetze, die Abgaben be- 
treffen, immer zuerst an die Zweite Kammer ge- 
langen. Der § 181 enthält folgende Bestimmung 
für Abgabenverwilligungen: 1. Eine Abgabenver- 
willigung wird in der Zweiten Kammer nach der 
von ihr in Gemäßheit des § 110 vorgenommenen 
Untersuchung in Beratung gezogen und nach vor- 
gängiger vertraulicher Besprechung mit der Ersten 
Kammer (§177) Beschluß darüber in der Zweiten 
gefaßt. 2. Dieser Beschluß wird sodann der Ersten 
Kammer mitgeteilt, welche denselben nur im ganzen 
ohne Anderung annehmen oder verwerfen kann. 
3. Erfolgt das letztere, so werden die bejahenden 
und die verneinenden Stimmen beider Kammern 
zusammengezählt, und nach der Mehrheit sämt- 
licher Stimmen wird alsdann der Ständebeschluß 
abgefaßt. Würde in diesem Fall Stimmengleich- 
heit eintreten, so hat der Präsident der Zweiten 
Kammer die Entscheidung. Über die Gewähr- 
leistung der Staatsschuld durch die Stände han- 
delt § 119. 
k)Baden. Die Verfassungsurkunde vom 
22. August 1818 sagt in § 53: Ohne Zustim- 
mung der Stände kann keine Auflage ausgeschrieben 
und erhoben werden. § 54. Das Auflagengesetz 
wird in der Regel auf zwei Jahre gegeben (aus- 
genommen Auflagen, die auf Verträgen von 
längerer Dauer beruhen). § 55. Mit dem Ent- 
wurf des Auflagengesetzes wird das Staatsbud- 
get .. Übergeben (zugleich detaillierte Übersicht 
über die früheren Etatsjahre). § 56. Die Stände 
können die Bewilligung der Steuern nicht an Be- 
dingungen knüpfen. § 57. Ohne Zustimmung 
der Stände kann kein Anlehen gültig gemacht 
werden usw. 8 60. Jeder die Finanzen betreffende 
Gesetzentwurf geht zuerst an die Zweite Kammer 
und kann nur dann, wenn er von dieser ange- 
nommen worden, vor die Erste Kammer zur Ab- 
stimmung über Annahme oder Nichtannahme im 
ganzen ohne alle Abänderung gebracht werden. 
§ 61. Tritt die Mehrheit der Ersten Kammer dem 
Beschluß der Zweiten nicht bei, so werden die be- 
jahenden und die verneinenden Stimmen beider 
Kammern zusammengezählt und nach der ab- 
soluten Mehrheit sämtlicher Stimmen der Stände- 
beschluß gezogen. § 62 bestimmt, daß die alten 
Abgaben noch sechs Monate forterhoben werden, 
wenn kein Budget rechtzeitig zu stande kommt. 
Baden hat seit 20. Febr. 1868 in der Verfassung 
die Paragraphen über Ministerverantwortlichkeit, 
über die Bildung des dabei zuständigen Staats- 
gerichtshofs und seit 11. Dez. 1869 ein Gesetz, 
das Verfahren bei Ministeranklagen betreffend. 
Ein besonderes Gesetz vom 22. Mai 1882 handelt 
in 34 Artikeln von dem Voranschlag und der 
Verwaltung der Staatseinnahmen und -ausgaben 
(in Kraft getreten am 1. Jan. 1884); das Gesetz,
	        
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