Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1479 Staatshaushalt. 1480 
den kann. Das gilt z. B. auf dem Gebiet der mung zu allen Gesetzen sowie zur Feststellung des 
Staatsorganisation. Haben sich Regierung und Staatshaushaltsetats und zu Steuerbewilligungen 
Landtag über die Notwendigkeit der Ausgaben zustehen sollte. Im vereinigten Landtag wurde 
verständigt, so muß die Kammer für Deckung diese Bestimmung zwar angenommen, aber schon 
sorgen; sie kann aber hinsichtlich der Art der dann darauf hingewiesen, daß dies zu der der Volks- 
erforderlichen Steuer wählen. Fügt die Kammer vertretung zustehenden Beaufsichtigung der Kon- 
einer Bewilligung Bedingungen bei, so gelten diese 
als nicht vorhanden. Das Budget bindet die 
Staatsregierung nur deshalb, weil es auf Grund 
der Vereinbarung mit den Kammern die Grund- 
lage der Steuerbewilligung geworden ist, nicht 
aber wie ein Gesetz, weil es eben ein solches nicht 
ist. Die Staatsregierung kann alles ausgeben, 
was ihr bewilligt ist; sie ist aber zu der Ausgabe 
nicht verpflichtet. In welche Einzelheiten hinein 
die Regierung hinsichtlich der Ausgaben nach 
Zweck und Höhe gebunden ist, hängt von der Art 
der Einrichtung des Budgets ab; die Bindung 
bezieht sich nicht auf alle einzelnen, lediglich zur 
Erläuterung mitgeteilten Spezialetats und kann 
nach der entgegengesetzten Richtung hin durch Ge- 
währung von Pauschalsummen wesentlich ver- 
ringert werden. Wird nun aber eine Vereinbarung 
nicht erreicht, so finden außerordentliche Ausgaben, 
welche zurzeit der Bewilligung nicht bestimmt vor- 
herzusehen waren, also im Budget nicht Aufnahme 
gefunden haben, ihre Deckung aus dem Reserve- 
fonds bzw. aus Überschüssen. Die in das Budget 
eingestellten Ausgaben aber können nur insofern 
realisiert werden, als sie die Natur eines zurzeit 
der Willigung bestimmt „vorherzusehenden Staats- 
bedürfnisses“ tragen, und sollten die Deckungs- 
mittel nicht zureichend sein, so befriedigt die Re- 
gierung zunächst jene unter diesen Staatsbedürf- 
nissen, welche auf gesetzlichen und rechtlichen Ver- 
pflichtungen beruhen, dann jene, „welche ihr ge- 
  
mäß ihres regiminalen Ermessens als die drin- 
gendsten erscheinen“ (Verfassungsverständnis § 4). 
n 
trolle der gesamten Staatsverwaltung nicht hin- 
reiche. In der Verfassungsurkunde bringen die in 
dem vorhergehenden Abschnitt mitgeteilten Para- 
graphen das Recht der Regierung und der Kam- 
mern hinsichtlich der „Finanzen“ zum Ausdruck. 
In Preußen wird demgemäß alljährlich ein „Ge- 
setz betreffend die Feststellung des Staatshaus- 
haltsetats für das Jahr .. ..“ erlassen, welchem 
als Anlage der Etat in seinen einzelnen Kapiteln 
mit den diesen entsprechenden Einnahme= und 
Ausgabesummen beigefügt ist; sowohl das „Ge- 
setz“ als diese Anlage werden durch den König 
vollzogen und durch das Staatsministerium gegen- 
gezeichnet. Welche Bedeutung durch den Charakter 
eines Gesetzes der Etat erhält, welche Folgen dar- 
aus für die Rechte der Volksvertretung und der 
Krone erwachsen, ist Gegenstand des Streits in 
der staatsrechtlichen und politischen Literatur und 
vor allem auch von Auseinandersetzungen zwischen 
den Parteien in den Kammern und zwischen der 
Mojorität der letzteren und der Staatsregierung 
geworden, welche sich bis zum jahrelang dauernden 
Konflikt verwickelten. 
Aus der Mitte der Volksvertretung heraus war 
in den Motiven ausgesprochen, „die alljährliche 
öffentliche Feststellung des Budgets durch ein Ge- 
setz als einzige Richtschnur der Finanzverwaltung 
sei durch diese Artikel sichergestellt“. Bei den Ver- 
handlungen der Zweiten Kammer war man von 
seiten der Linken bedenklich wegen der Bestimmung 
über die Forterhebung der Steuern (Art. 109), 
  
da man doch diese nicht als fortbestehend erachten 
Preußen war durch Verordnung vom 
könne, wenn die entsprechenden Einnahmen im 
17. Jan. 1820 festgesetzt, daß zur Aufnahme eines Budget nicht bewilligt seien; die Rechte bestand 
neuen Darlehens nur mit Zuziehung und unter bei dem Wortlaut des Artikels und bei der Be- 
Garantie der künftigen Reichsstände geschritten rechtigung zur Forterhebung trotz Streichung im 
werden dürfe. Gleichzeitig wurde bestimmt, daß Staatshaushaltsetat. Gegenüber dem Anspruch 
der Hauptfinanzetat von drei zu drei Jahren ver= auf den erforderlichen Einfluß der Kammern 
öffentlicht werden solle. Am 5. Juni 1823 wurde wurde darauf hingewiesen, daß dieser durch die 
unter Vorbehalt für eine allgemeine ständische unbestrittene Berechtigung der Kammern zur Fest- 
Versammlung in dem Gesetz über die Provinzial= stellung der aus Staatsmitteln zu bestreitenden 
stände die beratende Mitwirkung der letzteren bei Ausgaben hinreichend, auch mit dem Ziel eines 
Veränderungen in den Steuern, soweit diese die Ministerwechsels geltend gemacht werden könne, 
entsprechende Provinz angehen, vorläufig ein= und daß es dazu des höchst bedenklichen Rechts der 
geführt. Im Patent betreffend die ständischen Steuerverweigerung nicht bedürse. Die Pflicht 
Einrichtungen bzw. in der Verordnung über Bil= der Untertanen (darauf bezieht sich Art. 108) zur 
dung des vereinigten Landtags, war die Zustim- Zahlung der Steuern dürfe nicht geändert werden, 
mung des letzteren zu Anleihen und zur Erhöhung wohl aber werde das Recht des Ministeriums ein- 
oder Neueinführung von Steuern vorgeschrieben, geschränkt, über die eingegangenen Mittel zu ver- 
während die Feststellung des Hauptfinanzetats ein sügen, was im Art. 99 zum Ausdruck gebracht sei. 
ausschließendes Recht der Krone verbleiben sollte. Während das Abgeordnetenhaus jene Bestim- 
Das Sturmjahr 1848 führte dazu. daß diese als mung des § 108 durch wiederholte Majoritäts- 
sich widersprechend erklärten Vorschriften von der beschlüsse gestrichen hatte, wurde dieselbe vom 
Regierung in einem Gesetzentwurf dahin erweitert Herrenhaus wiederhergestellt. Uber die Vorschläge 
wurde, daß den Vertretern des Volks die Zustim= einer provisorischen Kreditgewährung für den Fall, 
  
 
	        
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