Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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deres Gesetz die Einrichtung und die Befugnisse 
der Oberrechnungskammer geregelt werden sollten. 
Dieses Gesetz ist nach wiederholten vergeblichen Ver- 
suchen, eine Einigung zwischen Staatsregierung 
und Kammern zustande zu bringen, endlich im 
Jahr 1872 vereinbart worden. Die Oberrech- 
nungskammer ist eine dem König unmittelbar 
untergeordnete, den Ministern gegenüber selbstän- 
dige Behörde, welche die Kontrolle des gesamten 
Staatshaushalts zu führen hat. Die Mitglieder 
sollen die Unabhängigkeit der Richter besitzen; alle 
wesentlichen Beschlüsse der Oberrechnungskammer 
werden nach kollegialer Beratung mit Stimmen- 
mehrheit gefaßt. Diese Behörde hat die Befugnis, 
mit Ausnahme der Rechnungen über die im Etat 
für das Bureau des Staatsministeriums zu all- 
gemeinen politischen Zwecken und im Etat des 
Ministeriums des Innern zu geheimen Ausgaben 
im Interesse der Polizei ausgesetzten Fonds, alle 
Rechnungen der Staatsbehörden, der Staatsinsti- 
tute usw. zu prüfen, insbesondere auch alle die- 
jenigen Rechnungen, durch welche die Ausführung 
des festgestellten Staatshaushaltsetats (Art. 99 
der Verfassungsurkunde) und der sämtlichen Etats, 
auf welchen derselbe beruht, dargetan wird. Rech- 
nungen untergeordneter Bedeutung kann die Ober- 
rechnungskammer von ihrer regelmäßigen Revision 
ausschließen und nur einer zeitweisen Revision 
unterziehen. Über diese Rechnungen besteht ein 
besonderes Verzeichnis, dessen Abänderung zur 
Kenntnis des Landtags gebracht werden muß. 
Das Gesetz enthält weiter die nötigen Bestim- 
mungen über den fortwährenden Zusammenhang 
zwischen der Oberrechnungskammer und den übrigen 
Staatsbehörden, damit erstere in Kenntnis 
aller auf das Rechnungswesen Einfluß übenden 
Bestimmungen erhalten wird. Die Provinzialbe- 
hörden sind der Oberrechnungskammer in allen 
Angelegenheiten des Ressorts derselben untergeord- 
net dieselbe ist befugt, durch Strafbefehle ihren Ver- 
fügungen die Folgeleistung zu sichern. Die Ober- 
rechnungskammer hat einerseits dem König Be- 
richt zu erstatten, anderseits hat dieselbe den Häusern 
des Landtags die geprüften allgemeinen Rechnungen 
über den jährlichen Staatshaushalt mit Bemer- 
kungen vorzulegen, welche sie unter selbständiger 
unbedingter Verantwortlichkeit aufzustellen ver- 
pflichtet ist. Dieselben müssen ergeben: 1) ob die 
in der Rechnung aufgeführten Beträge in Ein- 
nahme und Ausgabe mit denjenigen überein- 
stimmen, welche in den von der Oberrechnungs-= 
kammer revidierten Kassenrechnungen in 
Einnahme oder Ausgabe nachgewiesen sind; 2) ob 
und inwieweit bei der Vereinnahmung und Er- 
hebung, bei der Verausgabung oder Verwendung 
von Staatsgeldern oder bei der Erwerbung, Be- 
nutzung oder Veräußerung von Staatseigentum 
Abweichungen von den Bestimmungen des 
gesetzlich festgestellten Staatshaushaltsetats oder 
der vor der Landesvertretung genehmigten Titel 
der Spezialetats oder von den mit einzelnen Po- 
Staatshaushalt. 
  
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sitionen des Etats verbundenen Bemerkungen oder 
von den Bestimmungen der auf die Staatsein- 
nahmen und Staatsausgaben oder auf die Er- 
werbung, Benutzung oder Veräußerung von 
Staatseigentum bezüglichen Gesetze stattgefunden 
haben, insbesondere 3) zu welchen Etatsüber- 
chreitungen im Sinn des Art. 4 der Verfas- 
sungsurkunde sowie zu welchen außerordent- 
lichen Ausgaben die Genehmigung des Land- 
tags noch nicht beigebracht ist. 
Aus den Bestimmungen zu 2 und 3ist zugleich 
ersichtlich, auf welche Fragen sich die Kontrolle der 
allgemeinen Rechnungen von seiten des Landtags 
zu erstrecken hat. Vor dieser abschließenden Rech- 
nungskontrolle, aber ohne ihr vorzugreifen, wird 
dem Landtag alljährlich eine Nachweisung der 
Etatsüberschreitungen, d. h. solcher Aus- 
gaben, welche an und für sich in den Titeln des 
Etats vorgesehen waren, deren Höhe aber über- 
schritten werden mußte, und ferner der außer- 
etatsmäßigen Ausgaben, d. h. solcher, für 
welche im Etat überhaupt kein Titel eingestellt 
war, vorgelegt, und zwar jedesmal im nächsten 
Jahr, nachdem diese Ausgaben entstanden sind. 
Analog ist das Verhältnis bei dem Reich. Wieder- 
holte Versuche, durch ein besonderes Gesetz Be- 
stimmungen für den Rechnungshof des Reichs zu 
treffen, haben nicht zum Ziel geführt, indem eine 
Verständigung zwischen Reichstag und Bundesrat 
nicht erreicht wurde, weil ersterer einzelne Forde- 
rungen stellte, z. B. direkten Verkehr des Reichs- 
tags mit dem Rechnungshof, welche die Regie- 
rungen nicht glaubten zugestehen zu können. 
Es wurde die provisorische Anlehnung an die 
preußische Oberrechnungskammer immer wieder 
auf weitere Perioden verlängert. 
In der Handhabung der Kontrolle durch die 
gesetzgebenden Körperschaften suchte man zu einer 
festen Praxis zu gelangen, was nicht immer ohne 
Reibungen abging. 
Auch in den andern deutschen Bundesstaaten 
bestehen Kontrolleinrichtungen, welche noch nicht 
in gleich selbständiger Weise geregelt, sondern mehr 
oder minder den Verwaltungen unterstellt sind. 
In Österreich beruht der jetzige Zustand des 
Kontrollwesens auf der Verordnung vom 21.Nov. 
1866. Der unabhängig gestellte oberste Rech- 
nungshof hat die Prüfung hinsichtlich des ge- 
samten Staatshaushalts, und zwar auch aus- 
gedehnt auf die Frage der Sparsamkeit und 
Zweckmäßigkeit, ein entschiedener Vorzug 
vor dem Kontrollsystem Preußens und des Deut- 
schen Reichs. Die Resultate der Prüfung legt der 
Rechnungshof der Legislative vor. Die Über- 
wachung der eigentlichen Verwaltung ist durch die 
Selbständigkeit der einzelnen Länder erschwert, 
sodaß die Kontrolle immer mehr zu einer reinen 
Finanzkontrolle wird. 
Frankreich hat nach der neuesten Darstellung 
der Verhältnisse (durch Leroy-Beaulieu) eine drei- 
fache Finanzkontrolle: le controle I6gislatif, 
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