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teils dem Doktorenstand angehörten und zum Teil
ebangelischer Konfession sein mußten. Geringere
Sachen erledigte der Reichshofrat selbst, in wich-
tigeren Angelegenheiten bildete er den Staatsrat
des Kaisers, bis der sog. „Geheime Rat“ an seiner
Stelle Regierungsbehörde bzw. Staatsrat wurde
(s. d. Art. Staatsrat).
Die österreichische Verwaltungsorganisation
fand im Laufe des 16. Jahrh. fast in allen deutschen
Territorien Nachahmung und hielt sich dort viel-
fach bis ins 18. Jahrh., ja bis zu Anfang des
19. Jahrh. So blieb in den österreichischen Ländern
der Hofrat die Zentralbehörde für Verwaltung und
Rechtspflege, während für die Finanzen und Recht-
sprechung in Finanzsachen die Hofkammer und für
das Kriegswesen der Hofkriegsrat eingesetzt wurde.
Die brandenburgisch-preußi-
sche Verwaltungsorganisation be-
ruhte bis 1806 auf den Einrichtungen Friedrich
Wilhelms I. Er errichtete drei Ministerien, deren
Geschäftsordnung streng kollegial war. Dem
Kabinettsministerium unterstanden die auswär-
tigen und Reichsangelegenheiten und Familien=
sachen des königlichen Hauses. An der Spitze dieses
Kabinettsministeriums standen drei Minister;
für das Innere und die Finanzen errichtete er das
aus fünf, später aus vier Ministern bestehende
Generaldirektorium. Es hatte kollegiale Ver-
fassung und zerfiel teils nach dem Lokal-teils nach
dem Realsystem in vier Departements, das Prä-
sidium des Ganzen behielt sich der König aus-
schließlich vor. Alle fünf waren Mitglieder des
Geheimen Rats (s. d. Art. Staatsrat). Dieses
Generaldirektorium wurde in Brandenburg-
Preußen tatsächlich die höchste Verwaltungsbe-
hörde, wodurch der Geheime Rat an Bedeutung
immer mehr verlor. Das dritte Ministerium in
dieser Organisation war das Justizdepartement
unter dem Großkanzler und mehreren Ministern.
Dahin gehörten auch die Kultussachen, das Ober-
konsistorium und das Oberschulkollegium. Friedrich
Wilhekm I. gab dem Geheimen Rat, der zuerst
1604 als Kollegium organisiert worden, den Titel
Geheimer Staatsrat oder Geheimes Staatsmini-
sterium. Er bestand aus sämtlichen Ministern,
hatte aber keinen bestimmten Geschäftskreis und
war ziemlich bedeutungslos. Unter Friedrich dem
Großen wurde die Einheitlichkeit der Staats-
verwaltungnoch mehr durchbrochen, indem Zentral-
und Provinzialsystem unvermittelt nebeneinander
standen und die Einheit der Verwaltung nur in
der Person des Monarchen verkörpert war, dessen
Kabinettsräte in fast allen Staatsangelegenheiten
die Entscheidung fällten, also tatsächlich über sämt-
lichen Ministern standen. Diese Verwaltungs-
organisation war in fast allen Staaten Europas
herrschend bis zur französischen Revolution. Von
ihr ging die Neugestaltung der Verwaltung in
ganz Europa aus.
In Frankreich begegnen wir ebenfalls seit
dem 14. Jahrh. einem conseil du roi, das 1585
Staatsministerium.
1514
durch königliches Reglement organisiert wurde.
Danach ernannte der König die Räte dieses conseil
und bestimmte auch dessen Geschäftsführung. Er
zerfällt in fünf Sektionen, deren erster die aus-
wärtigen Angelegenheiten zugewiesen waren; nur
die Mitglieder dieser Sektion führten den Titel
ministre d’'état. So blieben die Dinge im wesent-
lichen bis zur französischen Revolution. Durch
Dekret vom 27. April 1791 wurde dann ein aus
sechs Ressortministern bestehendes Ministerium
als höchste Verwaltungsinstanz eingesetzt. Die
Schreckensherrschaft hat sie zwar beseitigt, aber
schon die Direktorialverfassung stellte sie wieder
her und unterstellte alle Behörden den Ministern,
die alle gesetzwidrigen Verfügungen der Unter-
behörden annullieren konnten. In der Konsular-
verfassung waren die Ressortministerien die Organe
der Vollziehung, alle Behörden und Staatsanstal-
ten wurden irgend einem Ministerium unterstellt.
Die Ministerien waren streng nach dem Prinzip
der Arbeitsteilung gegliedert, sämtliche Ver-
waltungsbehörden sind prinzipiell bureau-
mäßig eingerichtet, d. h. nicht ein Kollegium,
sondern ein Individuum ist das Subjekt des
Amts. Alle Beamten sind nur Hilfsarbeiter ihrer
Minister, welche die einzigen Träger der voll-
ziehenden Gewalt sind, während beim Kollegial-
system der Behördenwille durch den Mehrheits-
willen der sämtlichen unter sich gleichberechtigten
Mitglieder der Behörde repräsentiert wird.
Diese Prinzipien gestalteten bald auch den ganzen
Amterorganismus der andern Staaten
um. Sohaben in Deutschland: Württemberg 1806,
Bayern 1808, Baden 1809 ihre Staatsverwal-
tungen nach französischem Vorbild organisiert. Auch
die übrigen europäischen Staaten haben im weiteren
Verlauf des 19. Jahrh. in ihren Staatsverwaltun-
gen durchweg das Ministerialsystem eingeführt.
Während in Frankreich die Grundzüge des
zentralistischen Verwaltungsapparats geschaffen
wurden, ist in England das Kabinett als
Bindeglied zwischen Krone und Parlament her-
vorgebracht worden. Bis zur ersten englischen
Revolution, wo der Stuart Karl I. Thron und
Leben verlor, ruhte dort die Regierung in den
Händen des Königs, dem das privy council
ähnlich dem französischen conseil du roi
als beratende Körperschaft zur Seite stand.
Dieses consilium bestand aus Großwürden-
trägern der Krone oder andern Vertrauens-
personen des Königs. Schon Jakob I. zog ein-
zelne dieser Räte zu besonders vertraulichen Be-
ratungen in einem Geheimkabinett bei, so daß
diese Räte den Namen das „Kabinett“ erhielten.
Unter Karl I. erlangte dieses „Kabinett" erhöhte
Bedeutung, gegen welches sich besonders die Er-
bitterung und der Widerstand des Parlaments
richtete, obwohl das „Kabinett“ de iure gar
nicht existierte; die Grenzen zwischen dem privy
council, also dem Staatsrat und dem Kabinett
waren unsicher und die Räte desselben waren un-