Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

1518 
teils dem Doktorenstand angehörten und zum Teil 
ebangelischer Konfession sein mußten. Geringere 
Sachen erledigte der Reichshofrat selbst, in wich- 
tigeren Angelegenheiten bildete er den Staatsrat 
des Kaisers, bis der sog. „Geheime Rat“ an seiner 
Stelle Regierungsbehörde bzw. Staatsrat wurde 
(s. d. Art. Staatsrat). 
Die österreichische Verwaltungsorganisation 
fand im Laufe des 16. Jahrh. fast in allen deutschen 
Territorien Nachahmung und hielt sich dort viel- 
fach bis ins 18. Jahrh., ja bis zu Anfang des 
19. Jahrh. So blieb in den österreichischen Ländern 
der Hofrat die Zentralbehörde für Verwaltung und 
Rechtspflege, während für die Finanzen und Recht- 
sprechung in Finanzsachen die Hofkammer und für 
das Kriegswesen der Hofkriegsrat eingesetzt wurde. 
Die brandenburgisch-preußi- 
sche Verwaltungsorganisation be- 
ruhte bis 1806 auf den Einrichtungen Friedrich 
Wilhelms I. Er errichtete drei Ministerien, deren 
Geschäftsordnung streng kollegial war. Dem 
Kabinettsministerium unterstanden die auswär- 
tigen und Reichsangelegenheiten und Familien= 
sachen des königlichen Hauses. An der Spitze dieses 
Kabinettsministeriums standen drei Minister; 
für das Innere und die Finanzen errichtete er das 
aus fünf, später aus vier Ministern bestehende 
Generaldirektorium. Es hatte kollegiale Ver- 
fassung und zerfiel teils nach dem Lokal-teils nach 
dem Realsystem in vier Departements, das Prä- 
sidium des Ganzen behielt sich der König aus- 
schließlich vor. Alle fünf waren Mitglieder des 
Geheimen Rats (s. d. Art. Staatsrat). Dieses 
Generaldirektorium wurde in Brandenburg- 
Preußen tatsächlich die höchste Verwaltungsbe- 
hörde, wodurch der Geheime Rat an Bedeutung 
immer mehr verlor. Das dritte Ministerium in 
dieser Organisation war das Justizdepartement 
unter dem Großkanzler und mehreren Ministern. 
Dahin gehörten auch die Kultussachen, das Ober- 
konsistorium und das Oberschulkollegium. Friedrich 
Wilhekm I. gab dem Geheimen Rat, der zuerst 
1604 als Kollegium organisiert worden, den Titel 
Geheimer Staatsrat oder Geheimes Staatsmini- 
sterium. Er bestand aus sämtlichen Ministern, 
hatte aber keinen bestimmten Geschäftskreis und 
war ziemlich bedeutungslos. Unter Friedrich dem 
Großen wurde die Einheitlichkeit der Staats- 
verwaltungnoch mehr durchbrochen, indem Zentral- 
und Provinzialsystem unvermittelt nebeneinander 
standen und die Einheit der Verwaltung nur in 
der Person des Monarchen verkörpert war, dessen 
Kabinettsräte in fast allen Staatsangelegenheiten 
die Entscheidung fällten, also tatsächlich über sämt- 
lichen Ministern standen. Diese Verwaltungs- 
organisation war in fast allen Staaten Europas 
herrschend bis zur französischen Revolution. Von 
ihr ging die Neugestaltung der Verwaltung in 
ganz Europa aus. 
In Frankreich begegnen wir ebenfalls seit 
dem 14. Jahrh. einem conseil du roi, das 1585 
Staatsministerium. 
  
1514 
durch königliches Reglement organisiert wurde. 
Danach ernannte der König die Räte dieses conseil 
und bestimmte auch dessen Geschäftsführung. Er 
zerfällt in fünf Sektionen, deren erster die aus- 
wärtigen Angelegenheiten zugewiesen waren; nur 
die Mitglieder dieser Sektion führten den Titel 
ministre d’'état. So blieben die Dinge im wesent- 
lichen bis zur französischen Revolution. Durch 
Dekret vom 27. April 1791 wurde dann ein aus 
sechs Ressortministern bestehendes Ministerium 
als höchste Verwaltungsinstanz eingesetzt. Die 
Schreckensherrschaft hat sie zwar beseitigt, aber 
schon die Direktorialverfassung stellte sie wieder 
her und unterstellte alle Behörden den Ministern, 
die alle gesetzwidrigen Verfügungen der Unter- 
behörden annullieren konnten. In der Konsular- 
verfassung waren die Ressortministerien die Organe 
der Vollziehung, alle Behörden und Staatsanstal- 
ten wurden irgend einem Ministerium unterstellt. 
Die Ministerien waren streng nach dem Prinzip 
der Arbeitsteilung gegliedert, sämtliche Ver- 
waltungsbehörden sind prinzipiell bureau- 
mäßig eingerichtet, d. h. nicht ein Kollegium, 
sondern ein Individuum ist das Subjekt des 
Amts. Alle Beamten sind nur Hilfsarbeiter ihrer 
Minister, welche die einzigen Träger der voll- 
ziehenden Gewalt sind, während beim Kollegial- 
system der Behördenwille durch den Mehrheits- 
willen der sämtlichen unter sich gleichberechtigten 
Mitglieder der Behörde repräsentiert wird. 
Diese Prinzipien gestalteten bald auch den ganzen 
Amterorganismus der andern Staaten 
um. Sohaben in Deutschland: Württemberg 1806, 
Bayern 1808, Baden 1809 ihre Staatsverwal- 
tungen nach französischem Vorbild organisiert. Auch 
die übrigen europäischen Staaten haben im weiteren 
Verlauf des 19. Jahrh. in ihren Staatsverwaltun- 
gen durchweg das Ministerialsystem eingeführt. 
Während in Frankreich die Grundzüge des 
zentralistischen Verwaltungsapparats geschaffen 
wurden, ist in England das Kabinett als 
Bindeglied zwischen Krone und Parlament her- 
vorgebracht worden. Bis zur ersten englischen 
Revolution, wo der Stuart Karl I. Thron und 
Leben verlor, ruhte dort die Regierung in den 
Händen des Königs, dem das privy council 
ähnlich dem französischen conseil du roi 
als beratende Körperschaft zur Seite stand. 
Dieses consilium bestand aus Großwürden- 
trägern der Krone oder andern Vertrauens- 
personen des Königs. Schon Jakob I. zog ein- 
zelne dieser Räte zu besonders vertraulichen Be- 
ratungen in einem Geheimkabinett bei, so daß 
diese Räte den Namen das „Kabinett“ erhielten. 
Unter Karl I. erlangte dieses „Kabinett" erhöhte 
Bedeutung, gegen welches sich besonders die Er- 
bitterung und der Widerstand des Parlaments 
richtete, obwohl das „Kabinett“ de iure gar 
nicht existierte; die Grenzen zwischen dem privy 
council, also dem Staatsrat und dem Kabinett 
waren unsicher und die Räte desselben waren un-
	        
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