1521
„vom Tod des Königs ab bis zur Eidesleistung
des Thronfolgers oder des Regenten die verfas-
sungsmäßigen Gewalten des Königs von den im
Rat vereinigten Ministern und unter ihrer Ver-
antwortung ausgeübt“. — In Belgien kann der
Titel „Staatsminister“ auch an Persönlichkeiten,
z. B. hervorragende Politiker, verliehen werden,
ohne daß diese dadurch Mitglieder des Minister-
rats werden. Vielmehr gilt dieser Titel meist nur
als Ehrentitel.
Die Zentralverwaltung des Königreichs Ita-
lien ist zurzeit auf elf Ministerien verteilt, die
in ihrer Gesamtheit den Ministerrat bilden. Neben
den Vorständen der Ministerien kann es auch Mi-
nister ohne Portefeuille geben.
Das Königreich Griechenland ist ebenfalls
vom Parlamentarismus beherrscht. Das Mini-
sterium repräsentiert dort formell den König, es
ist aber gewissermaßen ein Komitee, das von der
Kammer gewählt, formell zwar vom König er-
nannt ist. Tatsächlich ist nun das Ministerium
mehr der Führer des Parlaments als ein Komitee,
das von der Kammer geleitet wäre. Die Gesamt-
heit der Minister bildet den vom Präsidenten des
Ministerrats, dem Premierminister, präsidierten
Ministerrat, der jeweils vom Premier berufen und
geleitet wird. Der Ministerrat beratet und ent-
scheidet mit Stimmenmehrheit, für diese Entschei-
dungen besteht Kollektivverantwortlichkeit. Zurzeit
hat Griechenland sieben Ministerien mit ebensoviel
Ministern (Außeres, Justiz. Inneres, Kultus und
Unterricht, Finanzen, Krieg, Marine). Das In-
stitut der „Minister ohne Portefeuille“ kennt die
Verfassung nicht. Indes verlangt ein Ende 1910
vorgelegter Entwurf zur Revision der Verfassung,
daß der Ministerpräsident künftig ohne Porte-
feuille sein soll.
Natürlich beherrscht das parlamentarische Re-
gierungssystem auch die französische Staats-
verwaltung der dritten Republik. Ein Mißtrauens-
votum des Parlaments nötigt das Ministerium,
seinen Abschied zu nehmen, wie ja auch die Mi-
nister aus der Mehrheitspartei des Parlaments
genommen werden. Während nun aber in Eng-
land die Größe und Geschlossenheit und geringe
Zahl der Parteien die normale Funktionierung
des parlamentarischen Regimes ermöglichen, sind
in Frankreich die Schwierigkeiten größer und zei-
tigen verschiedene Mißstände, so sind öfters die Mi-
nister genötigt, den Mehrheitsparteien allerhand
Konzessionen zu machen und Kompromisse zu
schließen, vor allem aber muß die größere Zahl
der Parteien und die Unsicherheit der Mehrheits-
parteien einen Mangel an Stabilität der Mini-
sterien und damit der Staatsverwaltung überhaupt
nach sich ziehen.
Gegenwärtig bestehen in Frankreich zwölf Mi-
nisterien, nämlich 1. das Ministerium des Innern
(gewöhnlich auch die Präsidentschaft im Minister-
rat umfassend), 2. des Kriegs, 3. der Marine,
4. der Justiz und des Kultus, 5. des Volksunter-
Staatsministerium.
1522
richts, 6. der Finanzen, 7 der öffentlichen Ar-
beiten, 8. des Handels, 9. der Landwirtschaft,
10. der Arbeit und der Hygiene, 11. der Ko-
lonien, 12. des Außern. Herrschende Gewohn-
heit ist es, daß der Präsident der Republik sich
damit begnügt, den Präsidenten des Ministerrats
zu bestimmen und ihn mit der Bildung des Ka-
binetts zu beauftragen. Die formelle Ernennung
geschieht dann durch den Präsidenten der Republik.
Die Ernennung eines Ministers durch den Prä-
sidenten der Republik bedarf der Gegenzeichnung
eines andern verantwortlichen Ministers. Wenn
das gesamte Ministerium zurücktritt, so unterzeich-
net der demissionierende Ministerpräsident oder der
Justizminister die Ernennung des neuen Minister-
präsidenten, welcher dann die Ernennung seiner
Mitarbeiter unterzeichnet. Nach § 3 des Verf.=
Ges. vom 25. Febr. 1875 besitzt der Präsident
der Republik auch das formelle Recht, die Minister
zu entlassen. Tatsächlich aber kann er die Minister
ihres Amtes nicht entheben, solange die Mehrheit
des Parlaments auf ihrer Seite steht. Wohl herrscht
der Brauch, daf bei der Neuwahl eines Präsidenten
der Republik die amtierenden Minister dem neuen
Präsidenten ihre Demission anbieten, damit er frei
in der Auswahl seiner Minister sei. Der Minister-
rat, conseil des ministres, ist die Beratung der
Minister unter Vorsitz des Präsidenten der Repu-
blik, dessen Meinung jedoch für die Minister nicht
bindend ist. Führt dagegen im Ministerrat der
Ministerpräsident den Vorsitz, so heißt er conseil
de Cabinet, bessen Beratungen nicht beschließen-
den Charakter haben. Wenn die Minister zugleich
Parlamentsmitglieder sind, so dürfen sie auch an
den Kammerabstimmungen teilnehmen. Der § 6
des Verf.-Ges. vom 25. Febr. 1875 erklärt die Mi-
nister den Kammern gegenüber für verantwortlich,
„und zwar müssen sie sich in Sachen der all-
gemeinen Politik der Regierung solidarisch und
für ihre selbständigen Handlungen individuell ver-
antworten“. Gewöhnlich setzt der Ministerpräsi-
dent in kritischen Fällen die Verantwortlichkeit des
gesamten Ministeriums aufs Spiel und deckt auch
diejenige des betreffenden Ressortministers, indem
er die Vertrauensfrage stellt. Auch ein Mißtrauens-
votum des Senats bringt gewöhnlich ein Mini-
sterium zum Sturz.
Die Schweiz hat keine Minister. Die oberste
vollziehende Gewalt des Bundes hat der aus sieben
Mitgliedern bestehende Bundesrat, der von der
Bundesversammlung auf die Dauer von drei Jah-
ren gewählt wird. Die einzelnen Mitglieder stehen
je einem Verwaltungsdepartement vor, nämlich:
1. dem Departement des politischen Gebiets, das
vom jeweiligen Bundespräsidenten verwaltet wird,
2. dem des Innern, 3. der Justiz und Polizei,
4. für Militär, 5. der Finanzen und Zölle, 6. des
Handels und der Landwirtschaft, 7. des Post-,
Telegraphen- und Eisenbahnwesens. Die Ent-
scheidung geht aber immer vom Bundesrat als
Behörde aus.