Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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In der Nordamerikanischen Union soll 
nach der Verfassung „die Exekutivgewalt von einem 
Präsidenten der Vereinigten Staaten ausgeübt 
werden“. Ein „Kabinett“ oder Ministerium kennt 
die Verfassung nicht, tatsächlich hat sich aber doch 
das Wort „Kabinett“ im Sprachgebrauch fest ein- 
gebürgert; die Verfassung kennt nur „Exekutiv- 
departements“, nämlich das „des Staats“ (Aus- 
wärtiges), des Schatzamts (Finanzen), des Kriegs, 
der Justiz, der Post, der Flotte und das des 
Innern, deren Vorstände den Titel „Sekretär"“ 
führen. Als Kollegium existieren sie für die Verfas- 
sung gar nicht, vielmehr liegt die Entscheidung ver- 
fassungsrechtlich allein beim Präsidenten auch über 
die Fragen, die er mit den Sekretären in einem 
„Kabinettsrat“ besprochen und beraten hat. Die 
Pflichten und Rechte der einzelnen „Sekretäre“ 
sind durch besondere Gesetze genau fixiert; die 
Sekretäre sind Ressortminister. So ist also nach 
der amerikanischen Verfassung ein parlamentarisches 
Regime ausgeschlossen; Träger der Exekutiv- 
gewalt ist allein der Präsident; der Senat hat nur 
das Recht, die vom Präsidenten ernannten „Sekre- 
täre“ zu bestätigen. Verantwortlich dem Kongreß 
gegenüber ist nur der Präsident, der hinsichtlich 
der Entlassung der „Sekretäre“ freie Hand hat. 
III. Stellung und Bedeutung der Minister 
in Monarchien und Republiken. Nicht nur die 
Verfassungen der konstitutionellen Monarchien, 
sondern auch die einiger Republiken bestimmen, 
daß das Staatsoberhaupt unverantwortlich ist 
und alle Regierungsakte des Staatsoberhaupts 
durch die Minister gegenzuzeichnen sind, wodurch 
diese die Verantwortlichkeit übernehmen. Dieser 
Grundsatz ist für Monarchien selbstverständlich, 
da ja der Monarch die höchste Gewalt im Staat 
innehat und somit keine andere Gewalt im Staat 
ihn zur Rechenschaft ziehen kann. Alle Ver- 
fassungen der monarchischen Staaten enthalten die 
Bestimmung, „daß der Herrscher unverantwortlich 
ist". So die Preußische Verf.-Urk. Art. 43: 
„Die Person des Königs ist unverletzlich“, ähnlich 
die Verfassungen der deutschen Mittel= und Klein- 
staaten: „Der König (Großherzog, Herzog, Fürst) 
vereinigt in sich alle Rechte der Staatsgewalt und 
übt sie unter den in dieser Verfassungsurkunde fest- 
gesetzten Bestimmungen aus“, und weiterhin „seine 
Person ist heilig und unverletzlich". — Dieselbe 
Bestimmung enthält das österreichische Staats- 
grundgesetz, die italienische Verfassung, die bel- 
gische usw. Das englische Recht besagt mit seinem 
Satze „Der König ist unverletzlich“ und „Der König 
kann nicht Unrecht tun“ dasselbe. Selbst die Ver- 
fassung der französischen Republik von 1875 hat 
das Staatsoberhaupt für beschränkt verantwort- 
lich erklärt, wiewohl doch das Prinzip der Volks- 
souveränität eigentlich volle Verantwortlichkeit 
aller Träger der öffentlichen Gewalt verlangt. Die 
Verfassung stipuliert nur im Fall des Hochverrats 
die Verantwortlichkeit des Präsidenten der Republik. 
Unter „Hochverrat“ wird verstanden, daß der 
Staatsministerium. 
  
1524 
Präsident die Gesetze oder die Verfassung verletzt 
oder Frankreich zugunsten eines fremden Landes 
verraten hat. Eventuelle Verstöße des Präsidenten 
gegen das gewöhnliche Recht sind strafbar, können 
aber nur vom Senat in seiner Eigenschaft als 
oberster Gerichtshof auf Antrag der Deputierten- 
kammer gerichtet werden. — Anders liegen die 
Verhältnisse in den Vereinigten Staaten 
von Amerika, deren Präsident die voll- 
ziehende Gewalt in seiner Hand vereinigt, der auch 
das alleinige Recht der Entscheidung hat und so- 
mit dem Kongreß auch politisch verantwortlich ist. 
Deshalb ist der Präsident in der Wahl seiner 
Minister (Sekretäre) frei, wenn auch der Senat 
das Bestätigungsrecht besitzt. 
IV. Ernennung und Entlassung der Mi- 
nister. In den meisten konstitutionellen Mon- 
archien, so in den deutschen, ist der Monarch frei 
in der Wahl seiner Minister. Nur in den parla- 
mentarisch regierten Ländern muß er seine Mi- 
nister aus den Reihen der Mehrheitsparteien wäh- 
len (so in England, Belgien, Osterreich, Ungarn, 
Italien, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Grie- 
chenland, Spanien, Dänemark, Schweden, Nor- 
wegen). In der Regel enthält der Erlaß, durch 
den ein Minister ernannt oder entlassen wird, die 
ministerielle Gegenzeichnung. Die Frage nun, ob 
diese Gegenzeichnung erforderlich ist oder nicht, ist 
viel umstritten. Do, wo eine Verfassung dies aus- 
drücklich ausspricht, ist die Frage natürlich ohne 
weiteres zu bejahen. Anders dagegen da, wo keine 
verfassungsrechtlichen Bestimmungen existieren. 
Von einigen Theoretikern wird die Frage der Not- 
wendigkeit der Gegenzeichnung verneint, von 
andern bejaht. Allgemein anerkannt wird, daß 
die Ministerernennung ein Regierungsakt sei, der 
als solcher der Gegenzeichnung bedarf; die Gegen- 
zeichnung hat eine doppelte Wirkung, einmal soll 
sie dem Akt des Staatsoberhaupts die Rechtskraft 
und Vollziehbarkeit verleihen, sodann soll sie die 
Verantwortlichkeit begründen, denn zweifellos 
können bei der Wahl von Ministern Lebensinter- 
essen des Staats berührt und gefährdet werden; 
so könnte ja z. B. das Staatsoberhaupt unter Ver- 
letzung des Gesetzes bzw. der Verfassung einen von 
dem Staatsgerichtshof verurteilten Minister (vgl. 
unten Abschnitt IX) wiederum zum Minister er- 
nennen. Füreinesolche Gesetzwidrigkeit muß zweifel- 
los jemand der Volksvertretung gegenüber verant- 
wortlich sein. Die Verfassungen einiger Staaten 
haben dem Recht der Monarchen bezüglich der 
Ministerernennung vielfach gewisse Schranken ge- 
setzt. So darf in Bayern „die Führung eines 
Ministeriums nur einem Staatsrat übertragen“ 
werden. In andern Ländern, wie z. B. in Bel- 
gien, Griechenland, Serbien, sind vom Amt eines 
Ministers auch die Mitglieder des regierenden 
Haufes verfassungsgemäß ausgeschlossen. Gegen 
das Erfordernis der ministeriellen Gegenzeichnung 
bei Ministerernennungen wird nun nicht ohne jede 
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