Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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hof im Fall der Feststellung der Schuld eine Folge 
überhaupt nicht ausgesprochen werden und würde 
deshalb der Schuldigspruch nur den eben bezeich- 
neten Effekt haben können. 
Es leuchtet ein, daß ein Ministerverantwort- 
lichkeitsgesetz ohne Bestimmung der besondern 
Folgen des Schuldigspruchs höchst unvollkommen 
und die Ministeranklage kein genügendes Mittel 
zur Verwirklichung der Ministerverantwortlichkeit 
ist. Nach den Gesetzen einzelner Staaten hat der 
Gerichtshof auf Grund des Schuldigbefunds le- 
diglich auf den Verlust des Ministeramts zu er- 
kennen, so in Bayern, Sachsen, Württemberg, 
Baden, Braunschweig, Sachsen-Coburg und Gotha 
(hier auch Verlust der Pension). Neben der Dienst- 
entlassung kann in einzelnen Staaten eine Ver- 
urteilung zu Kriminalstrafen eintreten; so in 
Sachsen-Weimar, Oldenburg, Waldeck, Reuß j.L. 
In England kann das Oberhaus auf jede Sirafe 
erkennen. In Frankreich und Belgien ist das 
Strafgesetzbuch maßgebend. In Schweden kann 
im Ministerprozeß der Gerichtshof auf Todes- 
strafe, Ehrverlust, Geldstrafen, Amtsentsetzung 
verbunden mit dauernder Unfähigkeit zum Staats- 
dienst erkennen; ähnlich in Norwegen. In Griechen- 
land sind für gewisse Fälle alle Freiheitsstrafen 
vorgesehen, in der nordamerikanischen Union nur 
die Amtsentsetzung. 
E. Die Begnadigung im Minister- 
prozeß. Zum Schluß ist noch zu fragen, ob das 
Staatsoberhaupt von seinem Begnadi- 
gungs= und Strafmilderungsrecht auch 
gegenüber einem im Ministerprozeß verurteilten 
Minister Gebrauch machen darf. In England ist 
das Begnadigungsrecht des Königs unbeschränkt, 
aber gegen den Willen des Unterhauses nie aus- 
geübt worden und kann auch faktisch nicht gegen 
denselben ausgeübt werden. Ebenso ist in Frank- 
reich und den Niederlanden das Staatsober- 
haupt berechtigt, auch Minister zu begnadigen, 
aber da in Frankreich bei Gnadenakten die Zu- 
stimmung des Ministeriums nötig ist, so ist schon 
dadurch ein Mißbrauch des Begnadigungsrechts 
so gut wie ausgeschlossen. In andern Staaten, 
wie Preußen, Baden, Oldenburg, Waldeck, Reuß 
j. L., Schaumburg-Lippe und Hamburg, ferner 
in Osterreich, Belgien, Luxemburg, Serbien, kann 
das Staatsoberhauptbegnadigen, wenndie Kammer 
einen dahingehenden Antrag stellt. In einzelnen 
Staaten ist sogar ein eignes Gesetz notwendig, um 
einen im Ministerprozeß verurteilten Minister be- 
gnadigen zu können. So in Bayern, Sachsen- 
Weimar, Sachsen--Coburg und Gotha, Griechen- 
land. Sachsen, Württemberg und Sachsen- 
Meiningen lassen eine Begnadigung nur zu wegen 
der von den ordentlichen Gerichten ausgesprochenen 
Strafen. 
Zweifellos ist das Begnadigungsrechtdes Staats- 
oberhaupts in Ministerprozessen ein so eigenartiges, 
daß es unbedingt an gewisse Schranken gebunden 
sein muß. Anderseits wäre es hart und verkehrt, 
Staatsministerium. 
  
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das Begnadigungsrecht ganz auszuschließen. Das 
Richtigste ist ein Begnadigungsrecht des Monarchen 
auf Antrag der Kammer. 
F. Wiederanstellung eines verur- 
teilten Ministers. Verschieden von der Frage 
des Begnadigungsrechts im allgemeinen ist die 
Frage, ob ein verurteilter Minister wieder zum 
Minister ernannt werden kann, wenn die Ver- 
fassung oder das Ministerverantwortlichkeitsgesetz 
hierüber keine besondere Bestimmung enthält. Ist 
die Folge der Verurteilung die Unfähigkeit zur 
Bekleidung öffentlicher Amter, so würde der ge- 
wesene Minister gesetzlich aus der Reihe derjenigen 
Personen ausscheiden, welche überhaupt zu Mi- 
nistern ernannt werden können. Wenn dagegen nur 
auf Verlust des Ministeramts erkannt ist, so würde 
der Wiederernennung des gewesenen Ministers ein 
rechtlicher Grund nicht entgegenstehen; ebenso 
wenn der Monarch, ohne daß ein dahin gehendes 
Urteil vorliegt, den Minister aus eigner Ent- 
schließung entlassen hat. Eines näheren Eingehens 
auf diese Fragen bedarf es aber nicht, da ein weiser 
Monarch zur Wiederernennung nicht schreiten und 
nicht dazu beitragen wird, daß neue, die Macht 
und das Ansehen des Staats beeinträchtigende, die 
gesunde Entwicklung des ganzen Staatslebens auf 
das tiefste schädigende Konflikte zwischen Staats- 
regierung und Volksvertretung eintreten und sich 
fortspinnen. 
Literatur. Siehe die Literaturangaben bei den 
Art. Garantie, staatsrechtl. (Bd lI, Sp. 402 f), Not- 
recht (Bd III, Sp. 1389 f) u. Regentschaft (Bd IV, 
Sp. 471 f). Ferner: Buddeus, Die Ministerverant- 
wortlichkeit in konstitutionellen Monarchien (1833); 
v. Mohl, Die Verantwortlichkeit der Minister in 
Einherrschaften mit Volksvertretung (1837); Bi- 
schof, Ministerverantwortlichkeit u. Staatsgerichts- 
höfe in Deutschland (1859); Oswald de Kerchove 
de Denterghem, De la responsabilité des mini- 
stres dans le droit public Belge (Par. 1867); 
Samuely, Das Prinzip der Ministerverantwort- 
lichkeit in der konstitutionellen Monarchie (1869); 
Beschorner, Die Ministerverantwortlichkeit u. der 
Staatsgerichtshof im Königreich Sachsen (1877); 
Hauke, Die Lehre von der Ministerverantwortlich- 
keit (1880); Jellinek, Die Entwicklung des Mini- 
steriums in der konstitutionellen Monarchie, in 
Grünhuts Zeitschrift für Privat= u. öffentl. Recht 
X (1883); Gneist, Das englische Verwaltungsrecht 
der Gegenwart (II 31884); Clos, De la respon- 
sabilité des ministres (Par. 1886); Rosenberg, 
Diestaatsrechtl. Stellung des Reichskanzlers (1889); 
E. Maurer, Die Ministerverantwortlichkeit in kon- 
stitutionellen Monarchien (1899); Pistorius, Die 
Staatsgerichtshöfe u. die Ministerverantwortlich- 
keit nach heutigem deutschem Staatsrecht (1891); 
Schwarz, Montesquien u. die Verantwortlichkeit 
der Räte des Königs in England, Aragonien, 
Ungarn, Siebenbürgen u. Schweden 1139/1748 
(1892); Dupriez, Les Ministres dans les prin- 
cipaux pays de I’Europe et d'Amérique (2 Bde, 
Par. 1892/93); Lucz, Ministerverantwortlichkeit 
u. Staatsgerichtshöfe (1893); Hervien, Les mini- 
stres, leur röle et leurs attributions dans les 
différents Etats organisés (Par. 1893); Krieghoff, 
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