Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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Ministerien der Einzelstaaten, gilt aber für das 
ganze Reich. 
Bezüglich der Juristen, von denen übrigens 
unten noch besonders gehandelt werden muß, lassen 
sich in einzelnen Staaten (Osterreich, Italien, 
Süddeutschland) Fachprüfung und Dienst- 
prüfung unterscheiden. Erstere begleitet oder 
beendet das Fachstudium, letztere setzt erfolgreiche 
Ableistung des erforderlichen Vorbereitungs= und 
Probedienstes voraus. Die Fachprüfungen stellen 
die theoretische, die Dienstprüfungen die praktische 
Berufsfähigkeit fest. Die gesetzlichen Organe sind 
bei ersteren entweder die Lehrkörper der Fach- 
bildungsanstalten oder eigne staatliche Prüfungs- 
kommissionen, deren Mitglieder die Regierung 
bald in höherem bald in geringerem Maß jenen 
entnimmt. Für die Dienstprüfung bestehen die 
Organe nur aus staatlichen Prüfungskommissionen. 
In einigen Staaten, z. B. Preußen, ist bei der 
Hauptprüfung der Nachweis zugleich der theo- 
retischen wie der praktischen Befähigung zu er- 
bringen, dann vereinigt sie das Charakteristische 
der Fachprüfung und der Dienstprüfung. Für 
einige Arten Staatsbeamter gibt es besondere Prü- 
fungen, z. B. Diplomatenprüfungen, Konsulats- 
prüfungen, ferner Prüfungen für die Polizeiver- 
waltung, für das Patentamt. Prüfungen für die 
Angestellten der Reichsbank, für Feldmesser, für 
technische Amter bei den Bergbehörden, Forstwesen, 
in das Bauwesen einschlagende Prüfungen usw. 
Für Stellen im höheren Eisenbahndienst muß die 
wissenschaftliche Vorbildung durch Ablegung von 
Prüfungen erwiesen sein; teils sind dies dieselben 
Prüfungen, welche für andere staatliche Verwal- 
tungen oder allgemein für den Bereich der Staats- 
verwaltung eingerichtet sind, teils wird eine be- 
sondere Ausbildung für das Staatseisenbahnamt 
und die Ablegung besonderer für dieses eingerich- 
teter Prüfungen verlangt (Württemberg). Es 
gibt Schifferprüfungen für große und kleine Fahrt, 
Maschinistenprüfungen, Steuermannsprüfungen. 
Auch das Militärbildungswesen hat seine Prü- 
sungen, u. a. für die Intendantur, speziell die Ma- 
rineintendantur. Bezüglich der Ausbildung der 
Juristen einerseits für den Dienst der inneren 
Verwaltung, anderseits für die Justiz ergeben sich 
zwei Möglichkeiten, entweder für beide Zweige eine 
gemeinsame oder eine getrennte Ausbildung. Mit 
Recht hat man in Deutschland eine für beide Be- 
rufe im großen und ganzen gemeinsame Ausbildung 
(sog. Qualifikation zum Richteramt) vorgeschrieben, 
indem man von der richtigen Erwägung ausging, 
daß der Verwaltungsbeamte juristischer Bildung 
und Schulung nicht entbehren kann, wie umgekehrt 
für den Juristen im engeren Sinn theoretische und 
praktische Kenntnisse im Verwaltungsdienst wie 
auch Kenntnis der Volkswirtschaftslehre und der 
Finanzwissenschaften unerläßlich sind. 
Sehen wir von dem Fall der für die Erlangung 
akademischer Würden vorgeschriebenen Prüfungen 
ab, die durchweg vor den Fachlehrern abzulegen 
Staatsprüfungen. 
  
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sind, so herrscht über die Zusammensetzung der 
Prüfungskommissionen insofern Verschie- 
denheit, als bald Praktikern bald Fachlehrern 
bald einer Mischung der Vorzug gegeben wird. 
Je mehr es sich um die Univerfitätsstudien ab- 
schließende Prüfungen handelt, um so mehr ruht 
die Prüfung in den Händen der Theoretiker; je 
mehr der Einrichtung der Staatsprüfung eine 
Probezeit vorhergeht, um so mehr behaupten die 
Praktiker das Feld. In Bezug auf die Eignung, 
ein Gebiet zu beherrschen, ist der spstematisch ge- 
schulte Theoretiker dem Praktiker überlegen, da die 
unvermeidliche Einseitigkeit der Praxis die Fest- 
haltung des systematischen Wissens nicht wenig 
erschwert. Dem Fachlehrer ist das ganze Gebiet 
hinreichend bekannt, um nötigenfalls auf andere 
Materien als die zuerst begonnenen übergehen zu 
können. Es ist begreiflich, daß es den Universi= 
tätslehrern, die nur bei den sog. Praktika oder in 
den doch nur einer beschränkten Zahl von Zu- 
hörern zugänglichen Seminarübungen regelmäßig 
Gelegenheit zu Prüfungen finden, sehr erwünscht 
ist, sich gelegentlich zu orientieren, in welchem 
Maße der Vortrag von den Hörern verstanden 
wurde. Das Prüfungsrecht hebt die Bedeutung 
der Professoren. Anderseits räumt es der Schule 
eine bedeutende Herrschaft ein und wirkt einem 
Zutrieb ähnlich; es erschwert, die Verdienste und 
den wirklichen Beifall der verschiedenen Universi- 
tätslehrer kennen zu lernen. Daß bei Staaten mit 
einerseits Studien-, anderseits Dienstprüfungen 
für letztere nur Praktiker in Betracht kommen, 
liegt in der Natur der Sache. 
In Deutschland ist sowohl für die Gerichts- 
laufbahn als für die übrigen hohen Verwaltungs- 
ämter eine Berufsbildung regelmäßig durch zwei 
Prüfungen (eine Universitäts= und eine spätere 
Prüfung) nochzuweisen. Die Gleichartigkeit der 
Ausbildung geht in einzelnen Staaten oft so weit, 
daß auch die zweite Prüfung für beide Gruppen 
von Beamten (und die Rechtsanwälte)h dieselbe ist, 
so in Bayern, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen 
und den meisten Kleinstaaten. In den übrigen ist 
die Berufsbildung für „Übernahme höherer Ver- 
waltungsämter“ von der „Qualifikation für das 
höhere Richteramt“ nur zum Teil abweichend. 
Sie verlangen nämlich von den Verwaltungs- 
beamten dieselbe erste juristische Prüfung und nach 
Vollendung des Vorbereitungsdienstes das Be- 
stehen einer besondern Verwaltungsprüfung; so 
Preußen seit 1879, Sachsen-Coburg und Gotha 
seit 1860. Auch im Königreich Sachsen bestehen 
seit 1863 die erste juristische und zwei Verwal- 
tungsprüfungen. Verschiedene Prüfungssysteme 
für Richter (Anwälte) und Verwaltungsbeamte 
existieren in Württemberg und Sachsen-Meiningen. 
Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz § 2 haben 
alle Richter (mit Ausschluß der Handelsrichter, 
Schöffen und Geschworenen), alle Rechtsanwälte, 
Staatsanwälte, Notare die Fähigkeit zum Richter- 
amt nachzuweisen durch mindestens dreijähriges
	        
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