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Studium, durch Bestehen der ersten juristischen
Prüfung (Referendarexamen) und nach dreijäh-
riger Praxis (wovon ein Jahr Verwaltungs-
praxis sein kann) durch Ablegung einer zweiten,
vorzugsweise praktischen Prüfung (Assessorexamen).
Die Landesgesetzgebung kann höhere Anforde-
rungen stellen.
In der Mehrzahl der deutschen Staaten wird
das ganze Jahr Prüfung gehalten, in andern,
z. B. Bayern, Württemberg jährlich zweimal, in
Baden jährlich ein= bis zweimal, je nach Bedarf.
In Preußen wird bereits die erste juristische
Prüfung bei den Oberlandesgerichten (2 Prak-
tiker, 2 Professoren) abgelegt; dann folgt die Re-
ferendariatszeit, eine vierjährige Praxis, für die
Stationen (in welcher Eigenschaft, bei welchen
Behörden die Praxis zu leisten ist) eingeführt sind.
Die Entscheidung erfolgt bei Beginn des dritten
Jahres; die Gerichtsreferendare bleiben bei der
Justizpraxis, sie brauchen keinen Vorbereitungs-
dienst bei den Verwaltungsbehörden, die Verwal-
tungskandidaten jedoch werden nach dem zweiten
Gerichtsjahr Regierungsreferendare und haben
nun zweijährigen Vorbereitungsdienst bei den
Verwaltungsbehörden zu leisten. Nun folgt für
beide Gruppen die zweite, große Staatsprüfung,
für erstere vor der Justizprüfungskommission, für
letztere vor der ebenfalls für den ganzen Umfang
der Monarchie eingesetzten Prüfungskommission
für die höheren Verwaltungsbeamten. Wer sie
bestand, wird im ersten Fall Gerichts-, im zweiten
Regierungsassessor.
In Preußen ist die schriftliche Arbeit der
ersten juristischen Prüfung eine sog. Hausarbeit, zu
der jedoch auf Grund des Erlasses vom 30. März
1908 drei Klausurarbeiten hinzugetreten sind, in.
den süddeutschen Staaten müssen die Kandidaten
mehrere schriftliche Klausurarbeiten am Sitz der
Prüfungskommission liefern.
In Bayern müssen die Juristen drei Prü-
fungen machen, nämlich nach vier Studienseme-
stern ein sog. Zwischenexamen, dann nach Voll-
endung der Studienzeit die erste Staatsprüfung
und nach 31/jähriger praktischer Vorbereitung im
Verwaltungs= und Justizdienst eine zweite Staats-
prüfung, den sog. Staatskonkurs. Nach Bestehen
der ersten Staatsprüfung erhält der Kandidat den
Titel „Rechtspraktikant“, nach Bestehen der zweiten
den Titel „Geprüfter Rechtspraktikant".
In Württemberg schreibt sogar § 44 der
Verfassungsurkunde wörtlich vor, daß niemand ein
Staatsamt erhalten kann, „ohne zuvor gesetzmäßig
geprüft und für tüchtig erkannt zu sein“". In den
Departements der Justiz, des Innern und der
Finanzen, sowie im Eisenbahn-, Post= und Tele-
graphendienst und im Lehrfach wird zwischen
höheren und niederen Dienstprüfungen unter-
schieden; die ersteren befähigen zu allen Stellen
des Departements bzw. des betreffenden Fachs,
während die niederen nur für einen bestimmten
engeren Kreis von niederen Stellen qualifizieren.
Staatsprüfungen.
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Die höheren Prüfungen im Departement der
Justiz, des Innern und der Finanzen teilen sich
in die erste den drei Departements gemeinsame
C„erste höhere Justizdienstprüfung“) und die zweite
für jedes Departement besonders bestehende Prü-
fung („Staatsprüfung“). Zwischen beiden liegt die
Vorbereitungszeit, welche sich im Justizdepartement
nach Maßgabe des Reichsgerichtsverfassungsgesetzes
bestimmt. Voraussetzung: Reifezeugnis eines deut-
schen Gymnasiums oder Realgymnasiums. Real-
schulabiturienten müssen eine Ergänzungsprüfung
im Lateinischen machen, dann mindestens 83 ½jäh-
riges Studium der Rechtswissenschaft.
In Baden sind bezüglich der juristischen
Staatsprüfung in den letzten drei Jahren neue
Verordnungen ergangen (s. die landesherrl. Ver-
ordnung vom 15. Mai 1907, abgeändert durch
die Verordnung vom 14. Mai 1908 und 26. Aug.
1909). Darin wurde bestimmt: „Wer zu einem
Staatsdienst in der Justiz oder der innern Staats-
verwaltung, zu dessen Bekleidung rechtswissenschaft-
liche Bildung erforderlich ist, oder zur Rechts-
anwaltschaft gelangen will, muß: a) nach Er-
langung des Reifezeugnisses eines deutschen Gym-
nasiums, Realgymnasiums oder einer deutschen
Oberrealschule die Rechts- und Staatswissenschaft
auf einer Universität sieben Semester studiert haben,
wovon mindestens drei auf einer deutschen Uni-
versität; b) hierauf eine erste Prüfung bestehen;
P) nach Erstehung derselben der praktischen Vor-
bereitung zum öffentlichen Dienst in der Justiz
und der innern Staatsverwaltung 3 /. Jahre sich
widmen; d) eine zweite Prüfung machen. Die
Studierenden der Rechtswissenschaft haben weiter
in einem jeden der drei ersten Semester wenigstens
je eine mindestens vier Stunden in der Woche be-
tragende Vorlesung aus dem Lehrkreis der philo-
sophischen Fakultät zu hören. Die Abiturienten
der Oberrealschule haben ferner in den beiden
ersten Semestern an Fortbildungskursen in der
lateinischen Sprache zur sprachlichen Einführung
in die Quellen des römischen Rechts mit nachzu-
weisendem Erfolg teilzunehmen. — Die Prü-
fungen werden nach Bedarf ein= oder zweimal im
Jahr durch das Justizministerium unter Mitwir-
kung von Kommissären des Ministeriums des
Innern und der Finanzen in Karlsruhe vor-
genommen. Die Leistung des Vorbereitungs-
dienstes geschieht: 18 Monate bei Amtsgerichten
und Notariaten, 8 Monate Oberlandesgericht,
Landgericht oder Staatsamwaltschaft, 12 Monate
bei staatlichen Behörden der innern Verwaltung,
4 Monate bei einem Rechtsanwalt.
Die zweite Prüfung wird ebenfalls von einer
Kommission, welche das Justizministerium unter
Mitwirkung des Ministers des Innern ernennt,
jährlich ein= bis zweimal abgenommen. Die in
der Prüfung bestandenen Rechtspraktikanten werden
zu Gerichtsassessoren ernannt. Die in den höheren
staatlichen Verwaltungsdienst übernommenen
Assessoren erhalten den Titel Regierungsassessor.