Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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lottres oder òs scienoes, und dieser Grad wird 
von den Universitaͤten auf Grund einer Prüfung 
verliehen. Es folgen nun dreijährige Studien zu 
Paris oder an einer der sieben facultés de droit 
(die Hörer der sog. freien Rechtsfakultäten müssen 
nach dem Gesetz von 1880 die Prüfungen vor den 
Staatsanstalten machen). Die juristischen Vor- 
lesungen sind vorgeschrieben; die Rechtshörer, die 
durchschnittlich jünger als ihre deutschen Kollegen 
sind, haben sich einer Schlußprüfung zu unter- 
ziehen unter der Aufsicht eines Rechtsschulen-In- 
spektors. Nach dem zweiten Jahr werden sie 
bachelier en droit, nach dem dritten licencié 
en droit (unsern Referendaren vergleichbar). Für 
das certifscat de capacité, welches Voraus- 
setzung zum avoué und zur Notariatskarriere ist, 
sind vier Inskriptionen genügend. Der licencié 
macht eine zweijährige Ausbildung beim - vous 
durch, dann eine Advokaturprüfung, worauf der 
eventuelle Ubertritt in Justiz oder Verwaltung er- 
folgt. Das Lizentiat ist notwendig für den Rich- 
ter (mit Ausnahme des Friedens-, Gewerbe= und 
Handelsrichters), für den Staatsanwalt, Advokat, 
substitut du procureur, die Mitglieder der Cour 
d’appel, Cour de cassation. Für Verwaltungs- 
stellen ist das Erfordernis der Vorbildung, wie 
oben erwähnt, weniger streng, indessen ist auch hier 
das Lizentiat oder ein staatsrechtliches oder staats- 
wissenschaftliches Examen erforderlich für den 
Präfekturrat, für den rédacteur (so heißen die 
Anfangsstellen) im Justizministerium, für den 
auditeur der Oberrechnungskammer, für gewisse 
Stellen im Staatsrat. Es ist nämlich für ein- 
zelne Behörden bestimmt, wie viele Mitglieder vom 
Ministerium auf Grund bestimmten Bildungs- 
gangs und wie viele frei zu besetzen sind. 
In Belgien fordert der Staat akademische 
Grade für den Eintritt in eine öffentliche Tätig- 
keit. Es gibt ein Kandidaten= und ein Lizentiaten- 
examen. Die Richter und Staatsanwälte werden 
aus den Advokaten genommen. Beachtenswert 
war das Unterrichtsgesetz von 1849. Die von der 
Regierung ernannten Prüfungsjuries sollen aus 
einer gleichen Zahl von Staatsprofessoren und 
Lehrern der Privatinstitute nebst einem aus dem 
Unterrichtskörper gewählten Vorstand bestehen. 
Ein Seitenstück zur deutschen und österreichischen 
Maturitätsprüfung ist in Jtalien die licenza 
liceale. Die Juristen brauchen ein vierjähriges 
Studium mit jährlich so vielen Fakultätsprüfungen 
(4/6), als Fächer vorgeschrieben sind. Diese be- 
sondern Prüfungen über alle gehörten Fächer, 
die im Juli und ergänzend im November statt- 
finden, heißen esami speciali. Am Schluß des 
Studiums steht die lauren, das Doktorexamen, 
das jedoch weit leichter ist als die deutsche Pro- 
motion. Ein zusammenfassendes Staatsexamen 
fehlt. Auf die Studienzeit folgt dermalen bei 
juristischen Kandidaten der sog. Konkurs für das 
gerichtliche Auditoriat (der uditore entspricht etwa 
dem deutschen Rechtspraktikanten), sodann eine 
Staatsprüfungen. 
  
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mindestens 18monatige, meist zweizährige Ubungs- 
zeit bei Advokaten, bei der Prätur oder bei einem 
Bezirksgericht, dann eine mündlich-schriftliche prak- 
tische Fähigkeitsprüfung zur Auslbung gericht- 
licher Funktionen vor einer aus Oberrichtern und 
Advokaten gemischten Zentralkommission. Notare 
und Prokuratoren (avouc) haben weniger Klassen 
und Prüfungen durchzumachen. Für die besser 
besoldeten Verwaltungsstellen gibt es verschiedene 
Konkurse vor speziellen Kommissionen. Solche 
Konkurse gibt es nicht nur für die erste Zulassung 
zum Staatsdienst, sondern auch bei Beförde- 
rungen (auch bei Lehrkanzelbesetzungen), dagegen 
ist bei den höheren Stufen unmittelbare Er- 
nennung allerdings üblicher. Oft konkurriert mit 
der Prüfung die freie Auswahl aus den schon 
amtierenden Personen, jedoch nicht ohne eine ge- 
wisse Berücksichtigung der Anciennität und ander- 
seits des Prüfungsausfalls. Dann ist bestimmt, 
wie viele der freien Stellen auf die eine, wie viele 
auf die andere Art zu besetzen sind. 
In der regierenden Klasse Englands fehlt 
die Kaste, das berufsmäßig studierte Beamtentum 
des Kontinents, das studierte Verwaltungs- 
beamtentum als eigner Berufsstand. Die Stel- 
lung der regierenden Klasse ist innig verwachsen 
mit dem englischen Leben. Vom Prüfungswesen 
unberührt bleiben alle unmittelbar von der Krone 
verliehenen, insbesondere die sog. politischen Amter. 
Die Aristokratie bildet eine Klasse, deren Ver- 
wendung notwendig ist; sie hat Reichtum, Muße, 
Ehrgeiz; wenn sie nicht in der Regierung ver- 
wendet würde, würde sie überhaupt nicht verwen- 
det. Die regierende Klasse sucht gewohnheits- 
mäßige Vorbildung auf gelehrten Schulen, Uni- 
versitäten, bei Advokaten-Innungen, praktische 
Ausbildung für den höheren Dienst in der Graf- 
schaftsverwaltung (Friedensrichter) und im Par- 
lament; sie macht die Schule des öffentlichen 
Lebens durch, und der Reichtum begünstigt die 
Aneignung von Kenntnissen durch Privatlehrer, 
Selbststudium und Reisen. In England gibt es 
wenige aus Staatsmitteln unterhaltene gelehrte 
Schulen. Die großen berühmten Mittelschulen 
Eton, Harrow, Rugbyusw. find Monopolbildungs- 
stätten des als leitende Gesellschaftsklasse so mäch-- 
tigen Hochadels, der Gentry und der vermögenden 
oberen Schichten des Bürgerstands. Diese Stände 
wahren die Erziehungsmittel mit Argusaugen, da 
sie durch ihre Verstaatlichung eine Schwächung der 
eignen Stellung im Staat und in der Kirche 
befürchten. Den regelmäßigen Zugang zur Uni- 
versität bilden diese alten public schools und da- 
neben Privatanstalten, alles Internate mit großen 
Anforderungen an Lebenshaltung und Aufwand. 
Die Universitäten sind eine Fortsetzung des Gym- 
nasiums; sie befriedigen das Bedürfnis von 
Leuten, die nach allgemeiner Bildung streben. 
Das Studium soll mehr der allgemeinen geistigen 
und politischen Erziehung des Gentlemans dienen. 
Die Fachbildung beginnt außerhalb der Hoch-
	        
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