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Staats hingeben zu können, sind die herrschenden
Stände loszulösen von den Sonderinteressen, welche
durch Familie und Eigenbesitz bedingt werden.
Für die herrschenden Stände hebt darum Plato
die Familie und das Privateigentum zugunsten
der Frauen- und Gütergemeinschaft auf. Aller-
dings ist diese Frauengemeinschaft eine staatlich
streng geregelte. Ebenso gibt die Gütergemein-
schaft nicht jedem ein Recht an jedem, sondern nur
an den allgemeinen öffentlichen Mahlzeiten und an
den sonstigen Staatslieferungen, deren Kosten der
dritte Stand zu tragen hat. Sie ist eine Gemein-
schaft nicht an den Produktions-, sondern an den
Konsummitteln. Daß Plato hinsichtlich der Frage
der Sklaverei und hinsichtlich des hellenischen
Nationalitätsdünkels den rechten Standpunkt so-
wenig zu finden wußte wie nach ihm Aristoteles,
sei hier nur kurz erwähnt.
Auch die bestehenden Staatsverfassungen werden
in der „Republik“ dargestellt und einer Kritik
unterzogen. Indem Plato dieselben logisch, nicht
historisch, aus dem besten Staat dadurch entstehen
läßt, daß das richtige Verhältnis in den charakte-
ristischen Eigentümlichkeiten der einzelnen Stände
gestört wird, gelangt er zu folgender Rangord-
nung: Idealstaat, Timokratie (Vorherrschaft der
kriegerischen Tüchtigkeit), Oligarchie (Vorherr-
schaft der Erwerbsinteressen), Demokratie (Auf-
hebung der Wertunterschiede), Tyrannis (Egois-
mus eines einzelnen). Bezeichnend ist es, daß
für die Begriffsbestimmung des Tyrannen das
ursprüngliche positiv-rechtliche Moment, der Er-
werb der Herrschaft auf nicht verfassungsgemäßem
Weg, nahezu völlig aufgegeben und dafür ein
ethischer Gesichtspunkt, die dem Gemeinwohl ent-
gegengesetzte selbstsüchtige Ausübung der Herr-
schaft, eingesetzt ist. Es ist das von der größten
Wichtigkeit für die Ausbildung des antiken Thran-
nenbegriffs (vgl. Zeller, Sitzungsber. d. Berliner
Mk. d. Wiss. 1887, 2, 1141 ff) und die Form, in
der derselbe vom Mittelalter übernommen wurde.
Der Zweck des Staatsmanns (Politikos))
ist, wie schon der Titel angibt, zunächst nicht eine
Untersuchung über den Staat, sondern eine Dar-
stellung des Begriffs der wahren Staatskunst, der
vernunftgemäßen Herrschaftsweise. So erklärt sich
der schon von Aristoteles angegriffene Satz, daß
zwischen einem großen Hauswesen und einem
kleinen Staat in Beziehung auf die Herrschaft
kein Unterschied zu machen sei (259 B). Die staat-
liche „Befehlskunst“ wird hier (mit Recht) den
Gewaltverhältnissen eingereiht, in unzutreffender
Weise aber zwischen ihr und den übrigen Gewalt-
verhältnissen nur ein quantitativer Unterschied
gemacht, die Eigenart ihres Objekts dagegen ver-
nachlässigt. — Wenn in der „Politeia“ der Ideal-
staat ein Staat der „Philosophen"“, d. h. der im
selbständigen Besitz des Wissens Befindlichen,
war, so führt der „Staatsmann“ diesen Gedanken
vermittels einer scharfen Unterscheidung zwischen
lebendigem, persönlichem Wissen und unperfön-
Plato.
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lichem Gesetz in eigentümlicher Weise näher durch.
Das Gesetz, für dessen Wesensbestimmung schrift-
liche Fixierung und Allgemeinheit hervorgehoben
werden, kann wegen seiner Unbiegsamkeit und All-
gemeinheit nicht die Besonderheit des einzelnen
Falls berücksichtigen. Dazu ist nur der wahre
Staatsmann (nohk####éc, auch Baclebc, 276 E)
fähig, der kraft seines Wissens ohne unveränder-
liche und darum schematische Gesetze das jedesmal
Beste festsetzt. Erst an zweiter Stelle steht die-
jenige Herrschaftsform, in welcher unverbrüchlich
festgehaltene Gesetze eine äußere Reglung herbei-
führen. Wo auch das Gesetz nicht herrscht, sondern
der Eigennutz, da tritt die Entartung ein.
Aus diesen ethischen Gesichtspunkten, verbunden
mit der herkömmlichen Dreiteilung der Verfassun-
gen nach der Zahl der Herrschaftsträger, entwirft
der „Politikos“ ein System der Staatsformen.
Die vollkommene Staatsverfassung ist diejenige,
in welcher ein im Besitz des Wissens befindlicher
Herrscher die Staatsverwaltung inne hat; alle
übrigen Staatsverfassungen sind nur Nachahmun-
gen dieser, und zwar glückliche, wenn die Herr-
schaft eine gesetzliche und friedliche, unglückliche,
wenn sie eine gesetzlose und gewaltsame ist. So
ergibt sich durch eine Kombination der ethischen
Dichotomie und der staatsrechtlichen Trichotomie
neben der Idealform des philosophischen Herr-
schers eine Sechszahl empirischer Staatsformen:
gesetzliche Monarchie, gesetzlose Tyrannis, Aristo-
kratie (gesetzliche Herrschaft mehrerer), Oligarchie
(gesetzlose Herrschaft mehrerer), gesetzliche und ge-
setzlose Demokratie. Die gesetzliche Monarchie ist
unter diesen Herrschaftsformen als getreueste Nach-
ahmung der vollkommenen Staatsverfassung die
höchststehende; und darum ist auch, nach dem
Grundsatz, daß die Entartung des Besten am
schlimmsten ist, die Tyrannis die schlechteste Herr-
schaftsorm; die Demokratie, welche die Herrschaft
durch die Verteilung auf viele in kleinste Stücke
zerlegt, ist unter den gesetzlichen Verfassungen die
schlechteste, unter den ungesetzlichen die beste; Ari-
stokratie und Oligarchie stehen in der Mitte.
Gegenüber dem gerade durch seinen schwung-
haften Idealismus so anziehenden Staatsentwurf
der „Politeia“ ist der Staat der „Gesetze'(Nomoi),
die durch Philipp von Opus nach Platos Tod
herausgegeben und durch eine „Epinomis“ fort-
gesetzt wurden, rein philosophisch von geringerem
Interesse. Der philosophisch-ethische Gesichtspunkt
tritt zurück; der Schwerpunkt liegt in Erörterungen
theoretisch-politischen Inhalts. Diese aber sind
für die Entwicklung der politischen Staatstheorie
und der Wirtschaftstheorie von nicht geringer
Bedeutung geworden. Aristoteles, der scharffinnige
Kritiker der Platonischen „Politeia“, fußt in vielen
Einzelheiten und in manchen Grundanschauungen
auf den „Nomoi“, ja einiges, wie die von Aristo-
teles und Polybius übernommene Forderung einer
gemäßigten (gemischten) Staatsverfassung, erstreckt
seinen Einfluß bis auf die Neuzeit.