Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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d###ne leben, ist ebensowenig wie in der „Poli- 
teia“" im Sinn einer rechtlichen Staatspersönlich- 
keit, sondern im ethischen Sinn gemeint. Einige 
Ansätze zu staatsrechtlicher Betrachtung zeigen da- 
gegen der Gesetzesbegriff und der Verfassungsplan. 
Die Idee eines von äußerlicher, schematischer 
Regulierung freien, auf philosophischer Durchbil- 
dung beruhenden persönlichen Regiments, wie 
„Politeia“ und „Politikos“ sie vertraten, ist mit 
andern Utopien in den „Nomoi“ stillschweigend 
beiseite gesetzt. Das Gesetz, und zwar das schrift- 
lich niedergelegte und erzwingbare Gesetz, erscheint 
als Grundlage der Staatsordnung. Der Staat 
der „Gesetze“ ist darum im Unterschied von dem 
der „Politeia“ staatsrechtlich ein Rechtsstaat, natür- 
lich ein „Rechtsstaat“ im Sinn des durch das 
Gesetz geregelten Staats, nicht in dem einer Be- 
schränkung der Staatsaufgabe auf den Rechts- 
schutz. Auch die Regierenden stehen unter dem 
Gesetz — das bei Plato nicht, wie wohl behauptet 
wurde, als bloße Dienstvorschrift erscheint — als 
dessen Diener (715 CD). Von den Göttern be- 
schützt, soll das Gesetz das Leben des Bürgers bis 
ins einzelnste regeln. 
Die Verfassung ist gedacht als eine Vereinigung 
von Monarchie und Demokratie (756 E), also 
als „gemischte Verfassung“. Beides soll übrigens 
weniger den Gegensatz in der Zahl der Herrscher 
als das Regierungsprinzip betonen. Die Mon- 
archie bedeutet für Plato nicht ausschließlich die 
Einherrschaft, sondern die Herrschaft der berufs- 
mäßig Gebildeten überhaupt, während die Demo- 
kratie das Prinzip der Freiheit repräsentiert. So 
läuft denn die Verfassung tatsächlich auf eine olig- 
archische Herrschaft mit starker Berücksichtigung 
auch der Vermögensbedingungen hinaus. Die 
demokratische Gleichmacherei verwirft Plato; die 
wahre Gleichheit bestehe darin, daß Ungleichen 
Ungleiches zuteil werde. Die „Gesetzeswächter“ und 
ein aus den verschiedenen Vermögensklassen ge- 
wählter Rat stehen an der Spitze. Die priester- 
lichen, Verwaltungs= und Gerichtsbehörden, die 
Vorsteher des Erziehungs= und Unterrichtswesens 
stellen ein fein gegliedertes Amtersystem dar. Auch 
das Gerichtsverfahren ist genau geregelt. Ein aus 
früheren und gegenwärtigen Oberbeamten bestehen- 
der Verein von Weisen, der sich nächtlich ver- 
sammelt, wacht als oberster Staatsrat über die K 
Ordnung im Staat. 
Die Einführung des Gesebesstaats soll nicht 
mehr, wie in der „Politeia“, auf dem Weg ge- 
waltsamer Umwälzung erfolgen, sondern — ein 
seitdem oft wiederholter Gedanke — durch Grün- 
dung einer Kolonie, für die eine wüste Gegend 
im Innern Kretas als geeignet in Aussicht ge- 
nommen wird. Die Besprechung der Ortswahl 
gibt Gelegenheit zu einer im Geist des Hippo- 
krates gehaltenen Erörterung des Einflusses, den 
Klima und die sonstigen physischen Bedingungen 
des Landes auf die Volksart und die Gestaltung 
der politischen Verhältnisse haben (747.D fh, ein 
Plato. 
  
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seitdem von Aristoteles, Bodin, Montesquien, 
Karl Ritter u. a. oft behandeltes Thema. Bei der 
Auswahl der für die Gründung geeigneten Kolo- 
nisten läßt sich die Vorliebe Platos für die Dorer 
und dorisches Wesen nicht verkennen. 
Literatur. Kritische Gesamtausgabe von J. Bur- 
net (1899/1906), erklärende Textausgabe von Stall- 
baum (21833 ff), „Staat" von Jowett u. Campbell 
(1894), Adam (1902), „Staatsmann" von Camp- 
bell (1867), Kommentar zu den „Gesetzen“ von 
Ritter (1896). Übersetzungen von Schleiermacher 
(zuerst 1804/28), H. Müller (1850/66, mit Ein- 
leitungen von Steinhart), Jowett (2 1892, engl.), 
„Staat" von A. Horneffer (1908). Inhaltsangaben: 
C. Ritter, P.s Dialoge 1: die Schriften des späteren 
Alters (1901, darin „Politikos"); II: die Schriften 
des reiferen Mannesalters. 1. Der „Staat" (1909); 
ders., P.3 „Gesetze“. Darstellung des Inhalts (1896). 
E. Zeller, Die Philosophie der Griechen II, 1 
((/1889); Fr. Überwegs Grundriß der Geschichte 
der Philosophie des Altertums, bearbeitet von A. 
Praechter (101909); Th. Gomperz, Griech. Denker 
II (1902); H. v. Arnim, Die europ. Philosophie 
des Altertums, in Die Kultur der Gegenwart, hrsg. 
von P. Hinneberg 1, 5 (1909) 148/166; E. Meyer, 
Gesch. des Altertums V (1902) 349 ff, 502 ff; K. 
Hildenbrand, Gesch. u. System d. Rechts= u. Staats- 
philosophie I (1860) 98/222; P. Janet, Histoire 
de la science politique dans ses rapports avec 
la morale 1 (/1887) 96/164; L. Gumplowicz, Ge- 
chichte der Staatstheorien (1895) 32/38; O. Gierke, 
Das deutsche Genossenschaftsrecht III: Die Staats- 
u. Korporationslehre des Altertums u. des Mittel- 
alters u. ihre Aufnahme in Deutschland (1881); 
R. Pöhlmann, Geschichte des antiken Kommunis- 
mus u. Sozialismus 1 (1893) 269/581; H. Rehm, 
Geschichte der Staatswissenschaft (1896, mit einer 
eingehenden Analyse der staatsrechtlichen Ansätze 
bei P.) 30/5. 
Fr. Susemihl, Die genetische Entwicklung der 
Platonischen Philosophie (1855/60); G. Grote, 
P. and the other Companions of Socrates (1865); 
H. v. Stein, Sieben Bücher zur Geschichte des Pla- 
tonismus (1862/75); A. E. Chaignet, La vie et 
les écrits de P. (1871); A. Fouillee, La philo- 
sophie de P. (21888/89); Ch. Huit, La vie et 
Teeuvre de P. (1893); W. Pater, P. and Plato- 
nism (1893) 214/243; W. Lutoslawfki, The 
Origin and Growth of P.'s Logic (21905); 
W. Windelband, P. (“1905); H. Räder, P.3 
philosophische Entwicklung (1905); Cl. Piat, P. 
(1906) 291 ff. — C. Nohle, Die Staatslehre P.3 
in ihrer histor. Entwicklung (1880). — Einzelnes: 
uF. Hermann, Die histor. Elemente des Platon. 
Staatsideals, in Ges. Abhandl. (1849) 132/159; 
E. Zeller, Der Platon. Staat in seiner Bedeutung 
für die Folgezeit (1859), in Vorträge u. Abhandl. 
geschichtl. Inhalts 1 (1865) 62/81; F. Dümmler, 
Prolegomena zu P.3 „Staat" u. der Platon. u. Ari- 
stotel. Staatslehre (1891); ders., Zur Komposition 
des Platonischen Staats (1895); derf., Der Plato- 
nische Staat (1896), alles in F. Dümmler, Kleine 
Schriften 1 (1901) 150 ff, 229 ff, 319 ff; G. Dietzel, 
Beiträge zur Geschichte des Sozialismus und Kom- 
munismus II: Die Ekklesiazusen des Aristophanes 
u. die Platonische „Politeia“, in Zeitschrift für Lit. 
u. Gesch, der Staatswissensch. I (1893) 373/400. 
LCl. Baeumker.) 
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