Full text: Staatslexikon. Vierter Band: Patentrecht bis Staatsprüfungen. (4)

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men müssen, dem Beschluß der Kommission auch 
im 8 13b zuzustimmen, der Not gehorchend, viel- 
leicht nicht dem eignen Trieb! (Stenograph. Be- 
richte des Herrenhauses, 9. Sitzung, S. 161.) 
Sehr lebhaft wurde sowohl in der Kommission 
wie im Plenum des Herrenhauses und des Ab- 
geordnetenhauses über das Verhältnis des § 13b 
zur preußischen Verfassung gestritten: das Ergeb- 
nis war dasselbe wie bei den andern Polengesetzen: 
„Der Not gehorchend“ stimmte die Mehrheit für 
Gesetzesbestimmungen, deren überaus große Be- 
denklichkeit niemand, auch nicht der Staats- 
regierung zweifelhaft war. — Aus der Fülle der 
bemerkenswerten Ausführungen sei hier nur eine 
Stelle hervorgehoben, weil sie ein helles Schlag- 
licht wirft auf die Bedeutung des die Polengesetz- 
gebung einstweilen abschließenden Enteignungs- 
gesetzes vom 20. März 1908 (Gesetzsamml. S. 29). 
Im Kommissionsbericht des Abgeordnetenhauses 
(Drucksachen Nr 424 von 1904) heißt es auf 
S. 4: „Die Justizverwaltung stehe aus dem Stand- 
punkt, daß die Vorlage sich hinsichtlich ihrer recht- 
lichen Zulässigkeit nicht von dem bisherigen An- 
siedlungsgesetz unterscheide. Nur dürften die Gründe 
der Versagung (der Genehmigung) nicht auf 
die Person zugeschnitten, müßten vielmehr 
sachlicher Art sein. Verfassungswidrig 
würde es nur sein, wenn der Erwerb 
von Grundeigentum den Polen als 
solchen beschränkt würde; das Gesetz 
treffe aber ebensogut Deutsche. .“ 
Damit vergleiche man die Bestimmungen des 
dem Gesetz vom 10. Aug. 1904 bald folgenden 
Gesetzes vom 20. März 1908, dessen Bedeutung 
oben in dem Art. Enteignung (Bd II, Sp. 25) 
näher gewürdigt ist. Der Ansiedlungsfonds wurde 
durch dieses Gesetz um weitere 200 Mill. M, also 
auf 550 Mill. erhöht. 
Die Anwendung des Gesetzes vom 10. Aug. 
1904, dessen hier vornehmlich interessierender 
§ 13b in namentlicher Abstimmung mit 207 
gegen 105 Stimmen des Zentrums, der Polen 
und der Freisinnigen angenommen wurde, führte 
zu dem bekannten Fall des Polen Drzymala, der 
mit seiner Familie einen auf seinem Grundstück 
aufgestellten Wagen als Wohnstätte bezog, weil 
er die zur Errichtung eines Wohnhauses nötige 
Ansiedlungsgenehmigung nicht erhielt. Zuletzt 
wurde ihm seitens der Polizeibehörde auch der 
Aufenthalt in dem Wagen unmöglich gemacht, weil 
er in demselben keine Feuerstelle unterhalten durfte. 
Bis zum Ende des Jahrs 1909 ist noch kein 
Fall der Anwendung des Enteignungsgesetzes für 
polnischen Grundbesitz vorgekommen. Doch ruft 
man bereits von seiten der Freunde der Antipolen- 
politik nach dem Erlaß neuer Gesetze, namentlich 
eines solchen mit dem Verbot der Parzellierung 
von Grundstücken, ohne die Absicht Gebäude auf 
den Trennstücken zu errichten, da alle bisherigen 
Maßnahmen nicht ausreichten und erfolglos ge- 
blieben seien. 
Polenfrage. 
  
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Die Folgen der verfehlten Polenpolitik der 
preußischen Regierung stellen in der Tat das ver- 
nichtendste Urteil dar, das über diese Politik 
gefällt werden kann: Infolge des Aufwands der 
riesigen für die Ansiedlungszwecke zur Verfügung 
stehenden Summen, welche hauptsächlich von den 
westlichen Provinzen des preußischen Staats auf- 
gebracht werden müssen, ist ja unzweifelhaft die 
allgemeine kulturelle Lage der für die Polenpolitik 
in Frage kommenden Landesteile gehoben worden. 
Die eigentlichen Zwecke des Unternehmens sind 
aber bei weitem nicht erreicht. Am 22. Febr. 
1886 konnte der preußische Landwirtschaftsminister 
bei der Vorlage des ersten Ansiedlungsgesetzes 
ausführen: „In den letzten 25 Jahren sind (in 
der Provinz Posen) aus polnischem Besitz in den 
deutschen übergegangen 225 922 ha, aus dem deut- 
schen Besitz in den polnischen nur 30 358 ha, so daß 
sich in den letzten 25 Jahren der polnische Besitz 
um 195 537 ha vermindert hat.“ (Stenograph. 
Berichte II 688.) — Am 26. Nov. 1907 mußte 
Fürst Bülow als Ergebnis der 20 Jahre preußi- 
scher Ansiedlungspolitik feststellen: „Die Besitz- 
wechselstatistik ergibt, daß von 1896 bis einschließ- 
lich 1906, also in elf Jahren, in Westpreußen und 
Posen 75 437 ha mehr aus deutscher Hand in 
die polnische übergegangen sind als umgekehrt, 
und wenn man dazu noch die polnischen Ankäufe 
in Ostpreußen, Pommern und Schlesien nimmt, 
so stellt sich der Gesamtverlust auf annähernd 
100 000 hal“ (Stenograph. Berichte des preuß. 
Abgeordnetenhauses S. 13.) — Die Erwerbung 
polnischer Grundstücke seitens der Ansiedlungs- 
kommission betrug in den letzten Jahren vor 1907 
nur noch 7 bis 10 % des Gesamtankaufs! — Der 
deutsche Großgrundbesitz in der Provinz Posen 
überwog den polnischen im Jahr 1886 um rund 
70 000 ha; im Mai 1906 betrug das Über- 
gewicht noch rund 19 000 ha; bis Ende 1907 
war es nach den eignen Worten des Fürsten 
Bülow wahrscheinlich ganz verschwunden. — Die 
Konkurrenz der Ansiedlungskommission mit den 
auf polnischer Seite zum Schutz des poldischen 
Grundbesitzes eingerichteten Landbanken bewirkte 
eine ganz enorme, ungesunde Steigerung der 
Bodenpreise nicht nur in Posen und Westpreußen, 
sondern auch in den anstoßenden Landesteilen: 
Noch im Jahr 1886 bezahlte die Ansiedlungs- 
kommission im jährlichen Durchschnitt für den 
Hektar 568 M, im Jahr 1895 571 M, 1900 
809 M. 1906 1383 M, also eine Preissteigerung 
seit 1895 um 142% 1 Unter diesen Umständen 
erschien es erklärlich, wenn regierungsfreundliche 
Blätter den Entschluß der preußischen Regierung, 
die Enteignung polnischen Grundbesitzes zu er- 
möglichen, begrüßten „als die Rettung unserer 
Polenpolitik vor einem schmählichen Zusammen- 
bruch, als die Rettung der preußischen Bureau- 
kratie vor einer moralischen Niederlage, wie sie 
schimpflicher und vernichtender nicht hätte gedacht 
werden können!“ — Daß auch der Verzweiflungs- 
 
	        
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