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Kohlers Enzyklopädie der Rechtswissenschaft 1
1904); Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechts-
geschichte ((1907); Cathrein, Moralphilosophie II
1904); Stobbe, Die S. des Sachsenspiegels, in
der Zeitschrift für deutsches Recht XV (1854); Schrö-
der, Zum S.recht des Sachsenspiegels, in Zeitschrift
für Rechtsgeschichte VII (1867); v. Zallinger, Die
Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels (1887);
v. Below, Ministerialität, im Handwörterbuch der
Staatswissenschaften V (21901); Nitzsch, Mini-
sterialität u. Bürgertum im 11. u. 12. Jahrh.
(1859); Schütze, Die Entstehung des Rechtssatzes:
Stadtluft macht frei (1903); Heck, Die Biergelden
(1900); Foltz, Beiträge zur Geschichte des Patri-
ziats in den deutschen Städten (Marb. Diss. 1899).
— Siehe ferner die unter den Art. Adel, Bauern-
stand, Bürgerstand, Ebenbürtigkeit, Fürst, Hörig-
keit angeführte Literatur sowie die Handbücher des
Staatsrechts der deutschen Staaten.
Zu V: C. v. Overbergh, La classe sociale
(1905); G. Schmoller, Grundriß der allg. Volks-
wirtschaftslehre (21908); C. Bücher, Die Entstehung
der Volkswirtschaft (71910); W. Sombart, Die
deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrh. (21909);
ders., Sozialismus u. soziale Bewegung (751908);
G. Grupp, Kulturgeschichte der römischen Kaiserzeit
(2 Bde, 1903/04); Roscher, Politik (21893); G.
Traub, Ethik u. Kapitalismus (71909); H. Pesch,
Lehrbuch der Nationalökonomie II (1909); hier u.
bei Schmoller die weiiere Literatur.
II—IV E. Baumgartner; V Otto Schilling.)
Standesamt s. Personenstand.
Standesherren, deutsche. (Begriff,
Geschichte, staatsrechtliche Stellung derselben durch
die deutsche Bundesakte am 8. Juni 1815; Lan-
desrechtliche Reglung ihrer Rechtsverhältnisse; Ihre
heute noch bestehenden Privilegien.)
I. Begriff. Standesherrliche (mediatisierte)
Familien sind die ehemals reichsständischen und
landesherrlichen, „im Jahr 1806 und seitdem
mittelbar gewordenen“ (Bundesakte von 1815,
Art. 14), d. h. ihrer Landeshoheit beraubten fürst-
lichen und gräflichen Häuser. Entscheidendes Kri-
terium für die Zugehörigkeit zum hohen Adel war
bis 1806 Reichsunmittelbarkeit, Reichsstandschaft
und Landeshoheit. Der Territorialumfang der
Landeshoheit war gleichgültig und oft sehr gering.
II. Geschichte. Über die geschichtliche Entwick-
lung des hohen Adels s. d. Art. Adel Bd L, Sp. 80 ff.
Ebenbürtigkeit Bd 1, Sp. 1366 ff und Fürst usw.
Bd II, Sp. 365 ff. Seit dem Emporkommen der
Landeshoheit nahm der aus Fürsten und Grafen
bestehende hohe Adel an der Reichsstandschaft teil.
Im Jahr 1654 erzwang der hohe Adel die Er-
klärung, daß die Ausübung der Reichsstandschaft
an den Besitz einer Territorialherrschaft geknüpft
sein soll. So blieben die Verhältnisse, bis die
Napoleonische Gewaltpolitik das alte deutsche Reich
zertrümmerte. Nachdem nämlich durch den Lunsé-
viller Frieden (9. Febr. 1801) das ganze linke
Rheinufer an Frankreich abgetreten und den da-
durch benachteiligten Dynastien eine Entschädi-
gung auf dem rechten Rheinufer durch Mediati-
sierung geistlicher Territorien und mehrerer Reichs-
Standesamt — Standesherren, deutsche.
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städte in Aussicht gestellt war, erfolgte durch den
Reichsdeputationshauptschluß (27. April 1803)
die reichsgesetzliche Grundlage für die neue Terri-
torialgestaltung innerhalb des Reiches, welche so-
wohl dem Napoleonischen Rheinbund (12. Juli
1806) als der deutschen Bundesakte (8. Juni
1815) zugrunde lag. Die Rheinbundsakte gab
in ihren Art. 27 u. 28 die erste Reglung der
Rechtsverhältnisse der ihrer Souveränität be-
raubten ehemals reichsständischen Fürsten und
Grafen (72 an der Zahl). Der völkerrechtliche
Charakter der Bundesakte fand seinen Ausdruck
dadurch, daß ihre elf ersten Artikel zugleich einen
Teil der Wiener Kongreßakte (9. Juni 1815)
bildeten.
Durch Art. 14 der Bundesakte wurde den
mediatisierten Standesherren die Zugehörigkeit
zum hohen Adel und die Ebenbürtigkeit mit
den regierenden Häusern ausdrücklich gewähr-
leistet. Der hohe Adel besteht also seitdem aus
den regierenden und den mediatisierten standes-
herrlichen Häusern. Eine Erhebung in den hohen
Adel ist seit der Auflösung des Reichs (6. Aug.
1806) ausgeschlossen und ist auch nach dessen
Wiederherstellung (18. Jan. 1871) nicht möglich,
weil die alten Standeskollegien, deren Konsens
erforderlich wäre, bisher nicht wiederhergestellt
sind. Nur den Titel „Fürst“ oder „Graf“ (ohne
standesherrliche Rechte) kann seit 1806 jeder Lan-
desherr verleihen. Uber das Recht der Ebenbürtig-
keit vgl. d. Art. Bd I, Sp. 1373. Der Art. 14 der
Bundesakte setzt ferner fest, daß die Häupter der
mediatisierten Häuser die ersten Standesherren in
dem Staat, zu dem sie gehören, sind, und daß sie
und ihre Familie die privilegierteste Klasse in dem-
selben, insbesondere in Ansehung der Besteuerung
bilden, daß ihnen in Rücksicht ihrer Personen,
Familien und Besitzungen alle diejenigen Rechte
und Vorzüge zugesichert werden oder bleiben,
welche aus ihrem Eigentum und dessen ungestörtem
Genuß herrühren und nicht zu der Staatsgewalt
und den höheren Regierungsrechten gehören. Eine
Reihe von Privilegien sollten den standesherr-
lichen Familien und ihren Häuptern gewährt
werden, so Patrimonialjustiz und -polizei, der
Kirchen= und Schulpatronat, ferner ein privile-
gierter Gerichtsstand. Steuer= und Militärfreiheit,
Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet, Forl-
bestand des alten Familienrechts und die Befug-
nis, dasselbe durch autonomische Satzungen
weiterzubilden. Zur näheren Bestimmung und
Feststellung eines in allen deutschen Bundesstaaten
übereinstimmenden Rechtszustands der Mediati-
sierten sollte die bayrische Verordnung vom
19. März 1807 zugrunde gelegt werden. Dem-
gemäß sind seit 1815 in nahezu allen deutschen
Staaten, in welchen mediatisierte Standesherren
residieren, Gesetze, Verordnungen und Instruk-
tionen erlassen, welche deren staatsrechtliche Ver-
hältnisse ordnen (in Preußen Verordnung vom
21. Juni 1815 nebst Instruktion vom 30. Mai