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verweigerung nur so weit reichen kann, als das
Recht der Steuerbewilligung geht; würden alle
Einnahmen des Staats, auch die Steuern, gesetz-
lich feststehen, so wäre das Bewilligungsrecht der
Volksvertretung ebenso gegenstandslos wie das
etwaige Verweigerungsrecht; es muß also wenig-
stens eine von periodischer Bewilligung abhängige
Steuer vorhanden sein, deren Korrelat die beweg-
lichen Ausgaben sind. Die Matrikularbeiträge des
Deutschen Reichs sind solche bewegliche Steuern.
Verzögert sich die Vereinbarung des Budgets über
den Ablauf der Budgetperiode hinaus, so gilt,
falls nicht ein besonderes Gesetz erlassen wird, zu-
meist die Regierung als ermächtigt, zur Ermög-
lichung der Fortführung der Verwaltung die bis-
her bewilligten Steuern bzw. eine bestimmte Quote
derselben fortzuerheben, wobei auch eine zeitliche
Beschränkung dieses Provisoriums sich findet.
Literatur. Laband, Staatsrecht des Deut-
schen Reichs IV (“1901) 481 ff (mit reicher Li-
teraturangabe); Seydel, Bayrisches Staatsrecht
II2 (auch „über Budgetrecht", 1889); A. Wagner,
Finanzwissenschaft 11 (1890); Gaupp, Württem-
bergisches Staatsrecht, 2. Aufl., 80 ff, sowie die
Einzelstaatsrechte bei Marquardsen u. Seydel,
Handbuch des öffentl. Rechts der Gegenwart in
Monographien; v. Heckel, Das Budget (1898);
Calker, Das badische Budgetrecht (1901); Seidler, Fass
Budget u. Budgetrecht im Staatshaushalt der kon-
stitutionellen Monarchie mit besonderer Rücksicht-
nahme auf das österreich. u. deutsche Verfassungs-
recht (1885); Gneist, Gesetz u. Budget (1879); Dey-
beck, Zum modernen Staatshaushalt, bei Grünhut
XXIX u. XXX. [Menzinger, rev. Beusch.)
Steuern. IlI. Begriff der Steuer und Um-
grenzung der Aufgabe des Artikels. II. Einteilung
der Steuern. 1. Direkte und indirekte Steuern,
2. Personal= und Realsteuern, 3. Quotitäts= und
Repartitionssteuern, 4. Erwerbs., Besitz-, Verkehrs-
und Aufwandsteuern. III. Die einzelnen Sleuern
nach Gruppen systematisch geordnet. 1. Ertrags-
steuern, 2. Einkommensbesteuerung, 3. Ergänzungs-
steuern, 4. Verkehrssteuern, 5. Aufwandsteuern.
IV. Kurzgefaßte Steuerstatistik.)
I. Begriff der Steuern. Steuern sind Ab-
gaben, welche der Staat und die übrigen öffent-
lichen Körperschaften krast ihrer öffentlichen Au-
torität den Subjekten der Einzelwirtschaften in
einseitig bestimmter Weise und Höhe ohne Rück-
sicht auf spezielle Gegenleistungen auferlegen zum
Zweck der Befriedigung kollektiver Bedürfnisse des
in Frage stehenden Gemeinwesens.
In dieser Definition sind alle Hauptmerkmale
der Steuern enthalten. Die Steuern sind Ab-
gaben; das will besagen, daß nur Sachgüter
Steuern sein können (Geld oder Naturalien),
nicht aber Dienste. Diese Abgaben müssen, um
Steuern zu sein, erhoben werden von einer mit
Zwangsgewalt ausgestatteten Körperschaft. Die
Steuern werden weder kraft freien Vertrags noch
auch kraft freier Willensentschließung der Steuer-
zahler, sondern auf staatlichen Befehl erhoben.
Dabei bestimmt die öffentliche Körperschaft den
Steuern.
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Umfang und die Höhe der Steuer sowie die Art
und Weise ihrer Veranlagung und Erhebung in
einseitiger Weise. Allerdings kommt insofern
auch der Wille der Steuerzahler dabei zum Aus-
druck, als beim modernen Verfassungsstaat die
Volksvertretung bei der Steuerbewilligung und
der Steuergestaltung eine wesentliche Rolle spielt.
Das ändert aber nichts an der Tatsache der ein-
seitigen Festsetzung durch den Staat. Alsdann ist
zu beachten, daß die Steuern Abgaben sind, welche
von den Subjekten der Einzelwirtschaften, seien
dies nun physische oder juristische Personen, er-
hoben werden. Nur von den Einzelwirtschaften
können letzten Endes Steuern erhoben werden, da
sich das gesamte Wirtschaftsleben einer Nation
zusammensetzt aus werbenden Einzelwirtschaften.
In diesen letzteren sind die Quellen gegeben, aus
denen die Erneuerung und Mehrung des Ein-
kommens entquillt; ohne sie ist ein Einkommen
schlechterdings undenkbar. Darum erscheinen die
Einzelwirtschaften als Träger der Steuerlast.
Falsch wäre es aber, zu sagen, Steuern seien
Abgaben der staatszugehörigen Einzel-
wirtschaften. Das ist nicht richtig; die tatsächlich
in allen Staaten in gewissen Fällen geübte Be-
steuerung der Ausländer widerspricht einer solchen
assung.
Eine spezielle Gegenleistung des Staats
kommt bei der Steuer nicht in Frage. Nur von
einer generellen Entgeltlichkeit kann man
sprechen. Aber auch da nicht in der Weise, daß
man die Steuerpflicht darauf begründen könnte,
da ein solcher Versuch sofort wieder zu individuellen
Abwägungen von Pflicht und Leistung führen
würde, also zu jenen Fehlern, welche der ver-
alteten Aquivalenztheorie anhafteten. Zugleich
wird durch die Negierung einer speziellen Ent-
geltlichkeit die Grenze gezogen zwischen Steuer
und Gebühr. Wo das Prinzip der speziellen
Entgeltlichkeit anfängt, da hört der Steuercharakter
eines Beitrags auf und die Tatsache der Gebühr
ist gegeben.
Endlich gehört noch zum Wesen der Steuer,
daß sie zur Befriedigung von Gemein-
bedürfnissen dient. Es liegt im Wesen der
öffentlichen Körperschaften, besonders des Staats,
daß sie einer Reihe von Kollektivbedürfnissen ge-
recht werden müssen, deren Befriedigung durch den
Einzelmenschen überhaupt nicht oder doch nur in
sehr unvollkommener Weise möglich ist. Zur Er-
füllung solcher Aufgaben müssen Steuern erhoben
werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Steuer-
einnahmen die Hauptmasse der dem Staat zur
Verfügung stehenden Mittel bilden, oder ob sie in
ihrer Gesamtsumme hinter andern Einnahmen
(Uberschüsse von staatlichen Erwerbsanstalten usw.)
zurückstehen. In den modernen Großstaaten haben
aber die Steuereinnahmen im Nettoetat das wuch-
tende Ubergewicht.
Das die wesentlichen Eigentümlichkeiten der
Steuern. UÜber Steuerrecht und Steuerpflicht,