Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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Veranlagung auch für eine größere Zeitstrecke, die 
sich so weit ausdehnen kann, daß die veranlagten 
Sätze noch bestehen zu einer Zeit, wo die Ertrags- 
verhältnisse eine fundamentale Umgestaltung er- 
fahren haben. So kommt es vor, daß die Grund- 
steuer noch jahrzehntelang zu den alten Sätzen 
erhoben wird, nachdem die alten Betriebssysteme 
verlassen und ganz neue zur Durchführung gelangt 
sind. Eine große Stetigkeit der Steuer- 
füße gehört ebenfalls zu den Merkzeichen der 
Ertragsbesteuerung. 
Schließlich noch eine Eigentümlichkeit dieser 
Steuergattung: sie gestattet eine Rücksichtnahme 
auf die individuellen Verhältnisse des Steuer- 
zahlers nur in sehr beschränktem Maß. 
Die Vorteile und Nachteile der Ertragsbesteue- 
rung lassen sich aus diesen Tatsachen ziemlich leicht 
erkennen. 
Vorteile. a) Die Anknüpfung an das Objekt 
läßt eine von Sachverständigen nicht allzuschwer 
auszuführende Schätzung des Ertrags zu. Man 
ist dabei nicht abhängig von Steuererklärungen, 
bei welchen nur zu leicht Hinterziehungen unter- 
laufen. Wieviel ein Acker von bestimmter Größe, 
Lage und Güte an Ertrag liefert, läßt sich ohne 
allzu große Schwierigkeiten durch Schätzung an- 
nähernd ermitteln. Eine Defraudation der Steuer 
ist dann nicht möglich b) Die Erträge sind 
gleichmäßig, keinen größeren Schwankungen 
ausgesetzt, weil die Veranlagung für längere Zeit- 
abschnitte geschieht. Der Staat kann mit großer 
Sicherheit auf die Erträge rechnen. c) Einmal 
veranlagt, verursacht die Verwaltung und Er- 
hebung dieser Steuer keine großen Kosten. d) Die 
Eintreibung dieser Steuer macht keine besondern 
Schwierigkeiten, weil das Ertragsobjekt als Pfand 
dienen kann. e) Ein lästiges Eindringen in die 
privaten Verhältnisse ist meist nicht nötig. f) Durch 
Verteilung der von einem Subjekt zu zahlenden 
Steuern auf verschiedene Objekte (Grund und 
Boden, Gewerbebetrieb, Kapitalrenten usw.) wird 
die Steuer weniger schwer empfunden als eine 
Einkommensteuer, besonders dann, wenn das fun- 
dierte Einkommen entsprechend seiner Leistungs- 
fähigkeit schärfer herangezogen wird wie das un- 
sundierte. 
Nachteile. a) Die individuelle Leistungsfähig- 
keit wird nicht berücksichtigt. Es werden nicht die 
wirklich erzielten Erträge, sondern Durchschnitts- 
erträge zur Steuer herangezogen; wer den Durch- 
schnitt nicht erreicht, wird zu schwer, wer ihn 
überschreitet, zu leicht belastet. b) Schuldenzinsen 
dürfen meist nicht abgezogen werden, was gegen 
das Prinzip der Gerechtigkeit verstößt, c) Wenn 
auch die Stabilität der Erträge vom Standpunkt 
der sichern Budgetgestaltung einen Vorteil be- 
deutet, so liegt umgekehrt in der schweren Be- 
weglichkeit der Ertragssteuern ein großer Mangel; 
die Erträge wachsen nicht entsprechend der zu- 
nehmenden Steuerkraft. So bleiben die Steuersätze 
bei der Grundsteuer oft jahrzehntelang dieselben, 
Steuern. 
  
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obwohl die wirtschaftlichen Erträge bedeutend ge- 
wachsen sind. d) Es ist sehr schwer, das Ertrags- 
steuersystem vollständ ig zu gestalten, das ganze 
Einkommen durch die verschiedenen Steuern zu 
treffen. Sollen die Ertragssteuern dem Prinzip 
der Vollständigkeit gerecht werden, so ist not- 
wendig, in das Ertragssteuersystem Steuerarten 
einzugliedern, welche dem Ertragssteuerprinzip 
eigentlich fremd sind, z. B. die spezielle Ein- 
kommensteuer und (bis zu einem gewissen Sinn) 
die Kapitalrentensteuern. Auch mit andern Ele- 
menten, die speziell der Einkommensbesteuerung 
eignen, wird das Ertragssteuersystem durchsetzt, 
damit der Widerspruch mit den Grundsätzen der 
modernen Besteuerung nicht zu schroff zutage tritt. 
Als Ertragssteuern sind zu nennen: a) die 
Grundsteuer, b) die Haus= oder Gebäudesteuer, 
J) die Gewerbesteuer, d) die Kapitalrentensteuer, 
e) die Arbeitsertragssteuer. Dazu treten dann noch 
verschiedene Sondergewerbesteuern. 
a) Die Grundsteuer (s. Bd II, Sp. 958 ff). 
b) Die Haus- oder Gebäudesteuer (s. Bd II, 
Sp. 963 Fö. 
Jc) Die Gewerbesteuer (s. Bd II, Sp. 727 ffji. 
d) Die Kapitalrentensteuer. Zweck: Besteue- 
rung des Leihkapitals resp. der daraus fließen- 
den Erträge (Zinsen, Renten); das in Boden, 
äusern, Gewerbebetrieben festgelegte Kapital 
unterliegt nicht der Kapitalrentensteuer. Darin 
ist der Hauptunterschied zwischen Kapitalrenten- 
und Vermögenssteuer zu sehen. Die Kapitalrenten- 
steuer ist eine der jüngsten Ertragssteuern, da sie 
erst Eingang finden kann, wenn die Kapitalleihe 
einen großen Umfang angenommen hat, also bei 
stark entwickelter Kreditwirtschaft. Die Erfassung 
der steuerpflichtigen Kapitalien kann auf direktem 
und indirektem Weg erfolgen. Im letzteren Fall 
wäre die Steuer zu erheben beim Schuldner, der 
dann ermächtigt würde, die ausgelegte Steuer- 
summe von dem Zins zurückzuhalten. In allge- 
mein umfassender Weise praktisch nicht möglich. 
Dagegen ist die indirekte Kapitalrentensteuer in 
beschränkter Weise möglich als Couponsteuer. 
Do aber die Gefahr der Kapitalabwanderung und 
Kreditverteuerung damit verbunden ist, so ist dieser 
Steuermodus unratsam. Bei der direkten Form 
der Kapitalrentensteuer wird das Leihkapital resp. 
die daraus fließende Rente entweder durch Steuer- 
kommissionen geschätzt oder es wird Dekla- 
ration verlangt. Im letzteren Fall müssen auf 
Hinterziehungen Strafen gesetzt werden. Die De- 
klaration ist aber schon ein Fremdelement in der 
Ertragsbesteuerung. 
Gesetzgebung. Preußen hat nie eine Kapital- 
rentensteuer gehabt. In Bayern bildete die Kapital- 
rentensteuer bis zur Steuerreform von 1910 ein 
wichtiges Glied im Ertragssteuersystem. Nach 
Einführung der Einkommensteuer in Bayern kommt 
der Kapitalrentensteuer mehr die Rolle einer Er- 
gänzungssteuer zu. Steuersätze: die Steuer be- 
trägt bei Renten von 70—100 M 1% , von
	        
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