Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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den kleinen Händler begünstigen, die Weiterent- 
faltung des Warenhauses aber erschweren will. 
Eine derartige Begründung wird von einzelnen 
Finanztheoretikern schroff abgelehnt. Die Steuer 
braucht aber gar nicht in dieser Weise begründet 
zu werden. Es läßt sich vielmehr eine Warenhaus- 
steuer sehr wohl rechtfertigen mit dem Prinzip der 
Leistungsfähigkeit. Weil beim Warenhaus eine 
ganz besondere Leistungsfähigkeit zutage tritt, ist 
auch rein finanzpolitisch ein besonderer Zugriff 
möglich. 
Die Besteuerungsform ist sehr verschieden: 
a) Die Branchensteuer. Von einem gewissen Be- 
triebsumfang ab müssen die Warenhäuser eine 
Sonderabgabe entrichten und dürfen dann eine 
bestimmte Anzahl von Warengattungen führen. 
Bei Hinzufügung einer neuen Branche müssen Zu- 
schläge gezahlt werden. b) Filialsteuer, wenn das 
großkapitalistische Unternehmen durch Filialen be- 
trieben wird. c) Besteuerung nach der Zahl des 
Hilfspersonals. d) Umsatzsteuer. Der Brutto- 
umsatz wird ermittelt und danach die Steuer er- 
hoben. 
Gesetzgebung. Preußen: Die Warenhaus- 
steuer beginnt bei einem Jahresumsatz von 
400 000 M. Hier beträgt der Steuersatz 1%; 
dann steigt derselbe in Staffeln und erreicht bei 
über 1000000 MHM Umsatz die Höhe von 2%. 
Der Staat veranlagt die Steuer; der Ertrag fließt 
den Kommunen zu. Weit höher ist die Waren- 
haussteuer in Bayern, wo sie zwischen 1% und 
7% des Umsatzes sich bewegt. Die Warenhäuser 
sind außerdem besondern Steuern unterworfen in 
Sachsen, Württemberg, Baden, Anhalt und 
Braunschweig. Im letztgenannten Staat ist die 
Steuer eine reine Zwecksteuer; die Erträge müssen 
zur Förderung des Mittelstands verwendet werden. 
Die Bergwerksabgabe. Sie erklärt sich 
mehr historisch aus dem staatlichen Bergregal. 
Bei Verleihung des Betriebsrechts verlangte der 
Staat Abgaben, die sich zum Teil erhalten haben. 
So haben Bayern und Sachsen Grubenfeld- 
abgaben, Braunschweig hat eine Steuer nach dem 
Rohertrag: 1½ %. In andern Staaten findet 
sich eine Kombination von Grubenfeldabgabe und 
Ertragssteuer. Im allgemeinen ist die Bergwerks- 
steuer heute nicht mehr bedeutend. 
Eine Eisenbahnabgabe haben Preußen 
(1907 Ertrag 0,4 Mill.), Sachsen-Weimar und 
einige andere Kleinstaaten. Sie hat finanziell 
nicht viel Bedeutung und kommt bloß da in Be- 
tracht, wo ein Teil des Eisenbahnnetzes sich im 
Privatbesitz befindet. 
Bremen hat eine Firmensteuer, die Kauf- 
leute und genossenschaftliche Unternehmungen trifft. 
Sie ist Repartitionssteuer und beträgt 600 000 M. 
Wie diese kurzgefaßten Darlegungen zeigen, 
haben die Ertragssteuern oder, wie sie zuweilen 
auch genannt werden, die Realsteuern auch heute 
noch eine ziemlich große Bedeutung. Die domi- 
nierende Stellung im Steuerwesen aber haben sie 
Steuern. 
  
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verloren. Nur in Elsaß-Lothringen und Mecklen- 
burg besteht noch ein reines Ertragssteuersystem, 
nachdem Bayern durch seine neue Finanzreform 
gleichfalls zur Einkommensteuer übergegangen ist. 
Die Personalsteuern, vor allem die Ein- 
kommensteuer, nehmen gegenwärtig die erste Stelle 
ein. Die Ertragssteuern kommen daneben als 
wichtige Ergänzungssteuern in Betracht, die teils 
als staatliche Steuern in veränderter Form weiter 
bestehen, teils den Kommunen überlassen sind 
(Preußen!!). Als Kommunalsteuer eignen sich die 
Ertragssteuern besser. Infolge des engen Er- 
streckungskreises können sie von der Kommune 
öfter neu veranlagt werden. Die Leistungsfähig- 
keit des Steuerpflichtigen kann besser gewürdigt 
und dementsprechend können die Ertragssteuern 
mehr im Sinn einer Personalbesteuerung fort- 
gebildet werden. 
2. Die Personalsteuern (Einkommen= und 
Vermögenssteuer) sind in ihre heutige überragende 
Stellung innerhalb des Steuersystems eingerückt 
worden infolge ihrer Vorzüge. Sie gestatten theo- 
retisch am besten die Besteuerung nach der Leistungs- 
fähigkeit. Indem alle Teile des Einkommens 
als Ganzes der Besteuerung unterworfen wird, 
werden (theoretisch) alle Erträgnisse erfaßt, was 
beim Ertragssteuersystem schwer durchführbar ist. 
Das Prinzip der Progression (resp. Degression) 
kann in umfassender Weise angewendet werden. 
Die Freilassung niederer Einkommen ist leicht 
durchführbar. Auch können die sonstigen Ver- 
hältnisse der steuerpflichtigen Persönlichkeit berück- 
sichtigt werden (Kinderzahl, Krankheit, Unglücks- 
fälle usw.). Die Anpassung der Steuer an die 
persönlichen Verhältnisse des Steuerzahlers wird 
dadurch besonders erleichtert, daß sich die Personal- 
steuern eben an das Steuersubjekt wenden, nicht 
wie die Realsteuern an das Steuerobjekt. Dazu 
kommt, daß diese modernen Personalsteuern leicht 
beweglich sind. Die Steuersätze können im 
Bedarfsfall ohne besondere Schwierigkeiten erhöht 
werden. Die Erhöhung bringt keine Ungerechtig- 
keiten mit sich, da die Steuer allgemein ist 
und durch Progression die nötige Rücksichtnahme 
auf die wirtschaftlich Schwächeren gewahrt bleibt. 
In Kriegsfällen können diese Steuern, besonders 
eine gut veranlagte Vermögenssteuer, wichtige 
Dienste tun, da lediglich eine vorübergehende Er- 
höhung der Sätze notwendig ist, um rasch ent- 
sprechende Einnahmen zu erzielen. Schließlich 
werden solche Steuern mit fortschreitendem Wohl- 
stand von selbst entsprechend höhere Erträge ab- 
werfen, ohne daß eine Emporsetzung der Sätze 
notwendig wird. 
Gegenüber diesen Vorteilen werden als Nach- 
teil angeführt: das notwendige Eindringen in die 
Privatverhältnisse der Steuerzahler, die Möglich- 
keit der Uberspannung der Steuer infolge ihrer 
leichten Dehnbarkeit und die Defraudationsgefahr. 
Der erste Einwand verliert an Erheblichkeit mit 
dem Fortschreiten der kulturellen, geistigen und
	        
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