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keit aufzubauen. Im allgemeinen ist der Schluß
vollkommen berechtigt, daß derjenige, welcher be-
stimmte Verkehrsalte bewirkt, z. B. Wertpapiere,
Grundstücke kauft, ganze Eisenbahnwagen- und
Schiffsladungen voll Güter verfrachtet usw., nicht
unvermögend ist und daß er aus den genannten
Akten einen Gewinn zieht. Im Normalfall ist
der Verkehr von Gütern und Werten gewinn-
bringend. Ist das der Fall, so wirken die Ver-
kehrssteuern wie spezielle Erwerbssteuern. Be-
zwecken aber die Verkehrsvorgänge nicht die Er-
zielung eines Gewinns, sondern die Erfüllung
eines Genußbedürfnisses, so wirken die entsprechen-
den Steuern wie Aufwandsteuern (z. B. die Fahr-
kartensteuer für Vergnügungsreisende). Auch im
letzteren Fall ist eine entsprechende Leistungsfähig-
keit gegeben; die Tatsache des Aufwands gestattet
logischerweise diesen Rückschluß. Geht schon dar-
aus die Zulässigkeit von Verkehrssteuern hervor,
so wird die Rechtfertigung dieser Steuergruppe
noch verstärkt dadurch, daß eine Reihe von Ver-
kehrsvorgängen vielfach umfangreiche Gewinne
abwirft, die jedoch nicht durch andere Steuern
erfaßt werden können. Daher zählen z. B. die
Börsengewinne. Theoretisch wären dieselben zwar
durch die Einkommensteuer zu erfassen. In der
Praxis aber hängt die Möglichkeit einer solchen
Erfassung von der Steuermoral bes einzelnen ab;
eine Kontrolle bezüglich der Richtigkeit der Steuer-
erklärung kann hier nicht durchgeführt werden.
Und selbst wenn diese Gewinne als Einkommen
besteuert würden, wäre die Belastung im Ver-
hältnis zur Tragfähigkeit dieses Einkommens zu
gering. Aus diesen und ähnlichen Gründen,
welche besonders Max v. Heckel in seinem Lehr-
buch der Finanzwissenschaft systematisch heraus-
gearbeitet hat, ergibt sich die grundsätzliche Be-
rechtigung der Verkehrssteuern.
Freilich ist ihre Einführung und Ausgestaltung
mit besonderer Vorsicht durchzuführen. Sowohl
die Gegenstände der Besteuerung als auch der
Umfang und die jeweilige Erhebungstechnik er-
fordern eine stete, weitgehende Berücksichtigung
des volkswirtschaftlichen Getriebes, damit die
Steuern nicht verkehrshemmend wirken und so
nachteilig das ganze Wirtschaftsleben beeinflussen.
Man kann die Verkehrssteuern einteilen in
a) Besitzwechselsteuern beim Verkehr mit Immo-
bilien, b) Börsensteuern, c) Schriftsteuern (Wechsel.,
Scheck= und Quittungsstempel), d) Transport-
steuern. Die Art der Erhebung ist zu mannig-
faltig, als daß hier die Einzelheiten derselben
Erwähnung finden könnten. Es sei nur auf die
zwei wichtigsten Erhebungsmöglichkeiten hin-
gewiesen: die Stempelerhebung und die Register-
abgabe (Enregistrement). Im ersteren Fall wird
entweder direkt auf die Urkunden ein Stempel
Steuern.
aufgeprägt oder es werden Stempelmarken und
Stempelpapiere benützt. Die Registerabgabe da-
gegen wird erhoben bei der Beurkundung von
Verkehrsakten in öffentlichen Registern. .
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Die Steuer vom Immobilienverkehr (Be-
sitzueränderungsabgabe, Liegenschaftssteuer, Grund-
stückumsatzstempel usw.) wird erhoben beim Besitz-
wechsel von unbeweglichem Vermögen und solchen
Rechten, die den Immobilien gleichgerechnet wer-
den (z. B. Grundgefälle). Die Steuersätze werden
in Prozenten der Kaussumme oder (beim Fehlen
einer solchen) vom gemeinen Wert erhoben. Die
Sätze sind von Land zu Land, von Einzelstaat zu
Einzelstaat sehr verschieden. Bald ist die Steuer
selbständig geregelt, bald ist sie nur ein Bestand-
teil eines allgemeinen Stempelsteuergesetzes. Dazu
kommen zuweilen auch noch kommunale Umsatz-
steuern. Seit der Reichsfinanzreform von 1909
besteht auch von Reichs wegen eine Besteuerung
des Immobiliarverkehrs. Diese Reichssteuer be-
trägt ½ % des Kaufpreises resp. des Werts.
Bis zur Einführung einer Wertzuwachssteuer wird
der doppelte Satz erhoben. Der gebundene Besitz
wird alle 30 Jahre dieser Steuer unterworfen.
Bei unbebauten Grundstücken bis 5000 M. bei
bebauten bis 20 000 M Wert tritt Steuerbefreiung
ein, sobald das Einkommen des Pflichtigen nicht
mehr als 2000 beträgt und derselbe den Güter-
handel nicht gewerbsmäßig betreibt. Besonders
hoch sind diese Abgaben in Frankreich, wo sie
unter Zurechnung anderer, beim Grundstückverkauf
zu zahlender Stempelabgaben auf 10—12 % des
Kaufpreises steigen.
Die Börsensteuer bezweckt die Besteuerung der
an der Börse geschlossenen Geschäfte. Ihre grund-
sätzliche Berechtigung wird von der Theorie heute
im allgemeinen anerkannt. Nur bezüglich der
Art ihrer Einrichtung und der Höhe der Sätze
bestehen vielfach große Meinungsverschiedenheiten,
was um so leichter zu begreifen ist, als es sich
hier um eine Steuer handelt, die sehr leicht volks-
wirtschaftlich schädliche Folgen haben kann. Denn
die Börse ist der feinst organisierte und darum
auch sensibelste Marktorganismus, den es gibt.
Darum sind bei der Einführung solcher Steuern
besonders die wirtschaftlichen Folgen zu berück-
sichtigen. Freilich kann diese Rücksicht auch über-
trieben und unter dem Schutz von Schlagwörtern
eine ungefährliche und gerechte Besteuerung un-
möglich gemacht werden.
Was die praktische Gestaltung anlangt, so
unterscheidet man in Börsenumsatzsteuer (Schluß-
notensteuer) und Emissionssteuer. Die Schluß-
notensteuer betrifft Kauf= und Anschaffungs-
geschäfte von Wertpapieren und börsenmäßig
gehandelten Waren; durch den Emissionsstempel
werden Aktien-, Renten= und Schuldverschrei-
bungen bei Gelegenheit der Emission getroffen.
Bezüglich der deutschen Börsensteuer ist kurz
folgendes zu bemerken: Schon im Norddeutschen
Bund hatte man versucht, eine Börsensteuer ein-
zuführen; ohne Erfolg. Nachdem auch im neuen
Deutschen Reich ein paar Versuche (1875 u. 1878)
gescheitert waren, gelang es endlich im Jahr 1881
eine ziemlich einfache Börsensteuer durchzuführen,
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