Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

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litäten gestaffelte Besteuerung einzuführen, so 
wächst damit die Brauchbarkeit dieser Steuern. 
Vom sozialen Standpunkt aus sind sehr steuer- 
fähig die Luxusgegenstände. Allerdings kann diese 
tatsächliche Tragfähigkeit vielfach mit Rücksicht auf 
die Konsumbeschränkung, mit Rücksicht auf die 
Volkswirtschaft nicht voll ausgenutzt werden. Auch 
wendet man gegen die Luxusbesteuerung ein, sie 
bringe nur wenig und verursache relativ hohe Er- 
hebungskosten. Diese Einwände verlieren aber an 
Beweiskraft, je weiter die Wohlstandsentwicklung 
und die Steuertechnik fortschreitet. Gerade die 
jüngste Zeit hat gezeigt, daß der Luxusaufwand 
durch Steuern sich nicht so leicht hemmen läßt, 
wie beispielsweise der Aufwand für entbehrliche 
Genußgüter des Massenkonsums. Nur istes schwer, 
wegen der Vielgestaltigkeit und Variabilität des 
Luxusaufwands dem Prinzip der Gleichmäßigkeit 
gerecht zu werden. 
Für die Aufwandsteuern lassen sich im ein- 
zelnen folgende Punkte geltend machen. a) Die 
Verbrauchssteuern gestatten eine Zerlegung der 
Jahresleistung in eine Menge so kleiner Teil- 
beträge, daß dieselben im Einzelfall gar nicht be- 
wußt empfunden werden. b) Ein Eindringen in 
persönliche Verhältnisse ist nicht nötig. c) Bei 
den meisten Aufwandsteuern besteht die Möglich- 
keit der Selbstbesteuerung; der Sparsame wird 
weniger getroffen wie der Verschwender usw. 
d) Es lassen sich manchmal volkswirtschaftliche, 
moralische und sozialhygienische Nebenwirkungen 
erzielen. s) Die Verbrauchssteuern bringen mei- 
stens gute Erträge. f) Die Erträge steigen nor- 
malerweise mit wachsender Volkszahl und zu- 
nehmendem Wohlstand. g) Auch die Ausländer 
werden erfaßt. h) Hin und wieder werden die 
Aufwandsteuern Veranlassung zu wirtschaftstechni- 
schen Betriebsfortschritten, indem statt der Über- 
wälzung die Abwälzung eintritt. 
An Mängeln, welche der Aufwandbesteuerung 
anhaften, sind besonders zu bemerken: a) Die in- 
dividuelle Leistungsfähigkeit wird nicht direkt er- 
mittelt. b) Bei Belastung von notwendigen 
Lebensmitteln sind die unteren Volksschichten re- 
lativ viel zu stark belastet. c) So angenehm 
einerseits die Möglichkeit der Selbstbesteuerung 
durch Konsumbeschränkung und Konsumausdeh- 
nung ist, so kann sie der Staatskasse Enttäuschun- 
gen bringen. d) Hohe Steuersätze mit folgendem 
starken Konsumrückgang können volkswirtschaftlich 
schädlich wirken. e) Steuerbelastungskämpfe 
können die Folge sein, besonders dann, wenn die 
jeweils in Frage kommende Industrie erhebliche 
UÜberbelastungen versucht. f) In einzelnen Fällen 
kann es vorkommen, daß die Erhebungskosten re- 
lativ zu hoch sind. 8) Vielfach sind die Schwierig- 
keiten, Defraudationen zu verhüten, sehr groß. 
h) Die Erträge hängen wesentlich von der Kon- 
junktur ab und können darum nicht mit Sicher- 
heit veranschlagt werden; sie sind schwankend und 
erschweren darum die Etataufstellung. Gewiß eine 
Steuern. 
  
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erhebliche Summe von Bedenken. Doch können 
sie zum guten Teil durch eine entsprechende Ge- 
staltung der Steuerpraxis abgeschwächt oder di- 
rekt beseitigt werden. 
Im einzelnen sind folgende Aufwandsteuern zu 
erwähnen. 
a) Verbrauchssteuern auf notwendige Le- 
bensmittel (Mahlsteuer, Schlachtsteuer, Salz- 
steuer). Die Besteuerung des Mehls bzw. des 
Brots und des Fleisches ist sozial bedenklich, 
weil es sich um notwendige Lebensmittel handelt, 
die zudem in erheblichem Maß konsumiert werden. 
Dadurch wird die Belastung viel stärker empfun- 
den wie etwa bei der Salzsteuer. Die Besteuerung 
von Mehl und Fleisch war früher sehr verbreitet. 
In Preußen war die Mahl= und Schlachtsteuer 
von 1820 bis 1873 (bzw. 1875) Staatssteuer; 
bis in die jüngste Zeit spielten diese Steuern als 
Kommunalabgaben noch eine wichtige Rolle. Vom- 
1. April 1910 ab sind sie auch als Kommunal= 
steuern in Deutschland abgeschafft. In Frankreich 
dagegen spielen die Oktrois auch gegenwärtig noch 
eine sehr wichtige Rolle. 
Die Salzsteuer wird gleichfalls vom sozial- 
ethischen Gesichtspunkt aus stark angegriffen, weil 
sie ein unentbehrliches Genußmittel trifft und die 
unvermögenderen Klassen mehr wie die vermögen- 
den belastet. In den Haushalten der wohlhaben- 
deren Klassen wird zwar durchschnittlich mehr Salz 
verbraucht wie in denen der unbemittelten Stände 
(Dienstboten, Art der Zubereitung der Speisen); 
aber während in einem wohlhabenden Haushalt 
der Anteil an der Salzsteuer gegenüber dem Ge- 
samtkonsum und auch anderseits gegenüber dem 
Einkommen einen relativ sehr unbedeutenden Be- 
trag darstellt, fällt die Steuer bei den Haushalten 
der Unbemittelten verhältnismäßig viel mehr ins 
Gewicht. Die Erhebung der Salzsteuer, sei es 
auf dem Weg des Monopols, sei es auf dem der 
Konsumsteuer, ist wegen der wenigen Stellen, an 
welchen es gewonnen wird, einfach und billig. 
Preußen hatte früher ein Salzmonopol. 
1867 wurde eine einheitliche Fabrikatsteuer 
eingeführt, welche dann auch vom neuen Deutschen 
Reich übernommen wurde. Sie ist bis heute gleich 
geblieben und beträgt 12 M für 1 Doppelzentner; 
der Zoll beträgt 80 Pf., so daß das Auslandssalz 
mit 80 Pf. mehr belastet ist. Auf den Kopf der 
Bevölkerung treffen rund 90 Pf. Salzsteuer pro 
Jahr. 
b) Getränkesteuern. Die Branntweinsteuer. 
Die Berechtigung der Branntweinsteuer wird nicht 
nur aus finanziellen, sondern noch mehr aus so- 
zialhygienischen Gründen anerkannt. Gerade der 
Branntwein ist sehr gesundsheitsschädlich einmal 
wegen des hohen Alkoholgehalts, sodann wegen 
des darin enthaltenen Fuselöls, das auch durch 
Raffination nicht völlig ausgeschieden werden 
kann. Besonders durch den Schnapsgenuß wird 
die Gesundheit angegriffen, die Nachkommen- 
schaft degeneriert körperlich und geistig; ganz ab-
	        
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