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rungen an die Gesetzgebung nicht vollständig ge-
recht werden. Auch nach einer andern Seite ist die
Objektivität der Minister anfechtbar. Weil sie der
Volksvertretung gegenüber die Verantwortlichkeit
für die Regierungsakte tragen, kann es vorkommen,
daß das Bewußtsein dieser Verantwortlichkeit je
nach der Art ihrer Auffassung die Minister be-
fangen macht. Der von ihnen zu erteilende Rat
kann daher leicht seinen letzten Grund in solcher
Befangenheit haben.
Nun ist auch der Fall oft gegeben, daß ein
Ministerium in wichtigen Fragen mit der Kam-
mermehrheit in Konflikt gerät. In diesem Fall
wird in den vom monarchischen Prinzip beherrsch-
ten Staaten vom Monarchen ernstlich zu prüfen
sein, ob er die Kammern auflösen, wozu ihm wohl
das Ministerium raten wird, oder aber ob er nicht
besser das Ministerium entlassen soll. In solchen
Fällen kann wohl ein Rat dem Monarchen nur
von solchen erteilt werden, die am Streit selbst
unbeteiligt sind. Hier wird wohl eine gewisse
Garantie für die Objektivität und für die Kon-
tinuität des die Staatsverwaltung beherrschenden
einheitlichen Geistes eher gegeben sein, wenn der
Monarch in solchen Fällen sich Rat holt bei einer
ständigen Körperschaft, welche in den Personen
nur allmählich wechselt.
Einen weiteren nicht zu unterschätzenden Vor-
teil bietet ein Staatsrat in Bezug auf die Ge-
setzgebung. UÜber die Frage, ob in irgend
einem Zweig des Staatslebens eine Anderung
der bestehenden Gesetze oder die Schaffung neuer
Gesetze erforderlich ist, weil die bestehenden Ge-
setze den inzwischen veränderten Verhältnissen des
bürgerlichen und staatlichen Lebens nicht mehr
entsprechen oder genügen, wird, sei es daß die
Anregung von dem Monarchen, sei es daß sie von
einem der Minister, sei es daß sie von der Volks-
vertretung ausgegangen ist, zunächst das Staats-
ministerium sich schlüssig zu machen haben.
In allen Fällen ist nun nach dem früher Ge-
sagten der Staatsrat die geeignetste Stelle für die
objektive Nachprüfung der Frage und für die For-
mulierung der Prinzipien, welche dem Gesetz zu-
grunde zu legen sind, ferner nach Ausarbeitung
des Gesetzentwurfs für die Prüfung, ob alle
Einzelbestimmungen mit den formulierten Prin-
nötig für die Anlegung der bessernden Hand. Auf ministerium angeführte Literatur; ferner:
diese Weise pflegten in absoluten Monarchien, in
welchen ein Staatsrat bestand, alle oder wenig-
stens alle wichtigeren Gesetze zustande zu kommen,
indem der Monarch dem aus dem Staatsrat her-
vorgegangenen Entwurf seine Sanktion erteilte.
Die Erfahrung hat gelehrt, daß der Regel nach
Staatsrat.
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den Parteien und mit den Ministern zustande
kommen! Wie oft leiden sie an Unklarheit und
selbst Unverständlichkeit der Sprache, wie oft
kommen Bestimmungen in die Gesetze, welche den
denselben zugrunde liegenden Prinzipien wider-
sprechen und diese Prinzipien selbst verdunkeln!
Zu welchen zahlreichen, erheblichen Streitfragen
in der Wissenschaft, in der Rechtsprechung und
Verwaltung gerade aus diesem Grund so viele
der in konstitutionellen Staaten erlassenen Gesetze
Veranlassung geben, ist männiglich bekannt. Ganz
beseitigen lassen wird sich dieser Ubelstand bei der
jetzigen verfassungsmäßigen Art des Zustande-
kommens der Gesetze nicht. Mindern würde er
sich jedoch, wenn den parlamentarischen Körper-
schaften wichtige Gesetzentwürfe erst dann vorgelegt
würden, wenn sie in vorbeschriebener Art durch
den Staatsrat gegangen sind, schon deshalb, weil
die Minister den in den Kammern gestellten Ab-
änderungsanträgen gegenüber durch das Gut-
achten des Staatsrats eine festere Stellung ge-
winnen und auf die Fehler der Anträge auf Grund
der im Staatsrat gepflogenen Verhandlungen
wirkungsvoller hinweisen könnten. Finden die von
den Ministern geltend gemachten Bedenken keine
Beachtung, so würde es sich empfehlen, den aus
den parlamentarischen Verhandlungen hervor-
gegangenen Gesetzentwurf, bevor ihm der Monarch
die Sanktion erteilt, dem Staatsrat zur Begut-
achtung vorzulegen. Auch für Gesetzentwürfe,
welche aus der Initiative der Kammern hervor-
gehen, trifft dies zu. Unzweifelhaft würde hier-
mit die Gesetzgebungsarbeit wesentlich verlangsamt
werden. Für ganz dringende Fälle würde sich
dieses Verfahren daher nicht eignen. Im übrigen
aber würde es sicher kein Nachteil sein, wenn die
Gesetzgebungsmaschine bedächtiger und langsamer
arbeitete, als es seit geraumer Zeit geschieht. In
dem gedachten Sinn bestimmt das Staatsgrund-
gesetz für das Königreich der Niederlande — die
Bedächtigkeit ist ja eine charakteristische Eigenschaft
des Holländers —. daß alle -Gesetzesvorlagen,
welche vom König an die Generalstaaten gehen
sollen oder durch diese an ihn gebracht werden,
an den Staatsrat zur Beratung gehen müssen;
bei der Verkündung der Gesetze muß mitgeteilt
werden, daß der Staatsrat darüber gehört sei.
zipien in Einklang stehen, und schließlich, wenn
solche Gesetze nicht nur in der Ausdrucksweise,
sondern auch in der konsequenten Durchführung
der Prinzipien musterhaft waren. Wie anders
sieht es dagegen häufig mit den Gesetzen aus,
welche im Weg der parlamentarischen Verhand-
lungen, meist auf Grund von Kompromissen unter
Literatur. Siehe hierzu die zu Art. Staats-
Cosmar u. Klaproth, Versuch einer Geschichte des
Königl. preuß. u. kurfürstl. brandenburg. wirkl.
Geheimen S.s. Nach den Aktenstücken. bearb.
(1805); v. Hock u. Bidermann, Der österreichische
S. (1760 1818), 1879; Sailer, Der preußische
S. u. seine Reaktivierung (1884). Der preu-
ßische S. u. seine Wiederberufung, von einem
Ostpreußen (1885); gorn, Die staatsrechtl. Stel-
lung des preuß. Gesamtministeriums (1895); Dicey,
bhe Privy Council (Lond. 1897); Hintze, Der
österreichische S. Festschrift der Savignystiftung
für Rechtsgeschichte VIII, 137; ders., Vergleichende
Studie über den österreichischen u. preußischen Be-