351
neralstreiks (1908); W. Zimmermann, Gewerbl.
Einigungswesen in England u. Schottland (1906);
ders., Methoden des gewerbl. Einigungswesens
(1907); N. P. Gilman, Methods of industrial
Peace (1904), deutsch von Franke unter dem Titel:
Wege zum gewerbl. Frieden (1907); D. Clark,
Labor Conditions in Australia (1905); F. v. Ber-
lepsch, Reichseinigungsamt, in der Sozialen Praxis
XXI(I911); E. Penzig, Massenstreik u. Ethik (1905);
A. Lehmkuhl, Arbeitsvertrag u. Streik (71904);
H. Pesch, Streik u. Lockont, in Stimmen aus
Maria-Laach LXXVII (1909); J. Biederlack, Zur
Frage von der sittlichen Erlaubtheit der Arbeiter-
ausstände, in der Zeitschrift für kath. Theologie
XXXIV (1910); ders., Arbeit u. Ware im Licht
der kath. Theologie, in ders. Zeitschrift XXXV
(1911); ders., Theologische Fragen über die gewerk-
schaftliche Bewegung (1910). Die Moralwerke von
Aertnys, Cathrein, Genicot, Göpfert, Lehmkuhl,
Marc, Noldin, Vermeersch, Willems.
(Heinrich Koch S. J.
Studenten s. Universitäten.
Studententum, soziales. 1. Zur An-
bahnung gesunder gesellschaftlicher Verhältnisse
genügt weder der Ausbau der sozialen Gesetz-
gebung noch die wirtschaftliche Organisation der
einzelnen Klassen. Von wesentlicher Bedeutung ist
vielmehr das Verhältnis der einzelnen Klassen zu-
einander, der Grad des Verständnisses der einen
für die andere und des Willens, gemeinnützig das
Volksganze über die Klassenforderung zu stellen.
Dazu aber bedarf es einer sozialen Erziehung
sämtlicher Volksklassen. Soweit dieselbe sich der
Jugend der gebildeten und besitzenden Stände,
vor allem der akademischen Jugend zuwendet,
findet sie unter dem Stichwort „Soziales Studen-
tentum“ in diesem Artikel ihre Besprechung. Daß
mit der akademischen Jugend begonnen wer-
den muß und die Vorbereitung zur gemeinnützigen
Mitarbeit nicht erst nach Schluß der Universitäts-
jahre beginnen darf, liegt in den Dingen be-
gründet. Den im Amt stehenden Akademikern fehlt
es vielfach an Zeit, an Möglichkeit und bald auch
an Elastizilät des Beobachtens und des Einlebens.
Was dagegen in die elastischen, idealgesinnten und
offenen Studienjahre gesät wurde, geht mit Leich-
tigkeit auf. An Eindrücke jener Zeit knüpft sich
ohne Mühe die neue Anregung.
2. An Versuchen, die akademischen Studien-
jahre der gemeinnützigen Erziehung dienstbar zu
machen, hat es nicht gefehlt. Um von älteren Ini-
tiativen zu schweigen, seien nur erwähnt die Be-
wegungen, die derchristlichsozialen Arbeit Stöckers,
der Lehrtätigkeit der Kathedersozialisten, der na-
tionalsozialen Gruppe Naumanns entsprangen.
Auf katholischer Seite klangen ineinander die
großen ethischen Alzente der Kettelerschen Zeit mit
der den Gebildeten stark in das Volkstum hinein-
drängenden Kulturkampfperiode. Um die Wende
des 19. Jahrh. hat dann in freistudentischem Lager
unter Anlehnung an nordische und englische Vor-
bilder der Gedanke studentischer Arbeiterunterrichts-
tätigkeit eine kleine Welle geschlagen. Erst in den
Studenten — Studententum, soziales.
352
letzten Jahren stehen wir vor einem systematischen
Ausbau sozialstudentischer Bestrebungen. Sie sind
innerhalb des katholischen Studententums zu-
sammengefaßt im „Sekretariat sozialer Studenten-
arbeit“, M.-Gladbach, einer Gründung von Prak-
tikern des Volksvereinskreises, von den Vorgängern
wesentlich unterschieden. Sie entsprangen prak-
tischen Bedürfnissen. Die Absenz der Gebildeten
und Besitzenden im sozialen Vereinsleben wurde
immer unliebsamer empfunden. Das Kulturleben
der Vereine wendete sich oft zur Monotonie, das Ver-
trauen des Volks zu seinen „Führern“ zur mißtraui-
schen Geringwertung. Gemeinnützige, in der so-
zialen Arbeit stehende Persönlichkeiten standen in
der gebildeten und besitzenden Welt meist isoliert da.
Hinter dieser zeitlichen Erscheinung stand eine Er-
ziehungsfrage. Zum Unterschied von andern
Ländern und in steigender Schärfe vom Süden
zum Norden hin konnte von einer sozialen Er-
ziehung junger Gebildeter und Besitzender im
Ernst nicht geredet werden. Die Geburt aus
kleiner Familie schützte nicht. Reich gewordene
Parvenus waren nach Möglichkeit noch unsozialer
als Glieder alter Geschlechter. Der in einem patri-
archalischen Landbezirk übliche Verkehr mit Men-
schen der handarbeitenden Schichten schmolz mit
dem Wachsen der Stadt= und Industriebezirke und
der Rekrutierung des akademischen Nachwuchses aus
ihnen zusehends zusammen, genügte auch für sich
allein nicht bei der steigenden Kompliziertheit
staatsbürgerlicher Verhältnisse und bei dem unend-
lichen Unterschied des Abstammungs= und des
Tätigkeitsmilieus. Die Gymnasialerziehung ist
gleichfalls kein nennenswerter Faktor sozialer Vor-
bereitung. Die Diskussionen über Bürgerkunde
und staatsbürgerliche Erziehung betreffen noch Zu-
kunftsziele, und die besten Verordnungen sind
wesentlich abhängig von den Eigenschaften und der
Vorbildung der sie ausführenden Lehrkräfte. Die
eigentliche Universitätszeit, die hier Versäumtes
nachholen mußte, versagt vollständig. Ihre offizielle
soziale Belehrung umfaßt durchschnittlich nur die
Fakultät der Volkswirtschaftler, einen geringen
Prozentsatz der Gesamtheit. Für andere Fakul-
täten gibt es erst hie und da obligatorische Ele-
mentarkenntnisse der Nationalökonomie. Auch das
Besichtigungs= und freie Vortragswesen sozialen
Charakters beschränkt sich im allgemeinen auf die
sachlichen Kreise. Darüber hinaus führen wenige
Wege. Das ist doppelt so schlimm geworden,
nachdem die erdrückende Mehrzahl der deutschen
Universitäten in mittleren und kleinen Städten
liegen, denen der Pulsschlag des frischen Volks-
lebens sehlt. Die vom Studententum abhängigen
Handarbeitenden tragen kleinbourgeoisen Zuschnitt
und stehen der Rührigkeit und Kulturfähig-
keit proletarischer Entwicklung fern. Die paar
großen Universitätsstädte, die wir haben, sind mit
Anregungen ästhetischer, gesellschaftlicher und
wissenschaftlicher Art so belastet, daß selbst dem
ernsthaftest Suchenden während des Semesters