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negativen Schluß auf die Gültigkeit zulassen, wenn
feststeht, daß der Spender absichtlich die christliche
Bedeutung der Taufe ausgeschlossen hat, also den
Täufling nicht zu einem Christen machen wollte.
Zweifel über die Gültigkeit der akatholischen Taufen
treten zumeist auf bei Konversionen und bei Misch-
ehen. Für ersteren Fall hat das heilige Offizium
durch Dekret vom 20. Nov. 1878 bestimmt, daß,
wenn die Untersuchung der Gültigkeit einer von
einem Häretiker gespendeten Taufe nicht zu einem
zweifellosen Resultat führt, der Konvertent sub
conditione und mit Vermeidung alles Aufsehens
zu taufen ist. Denn der Mensch hat vor allem die
Pflicht, sich durch sicher gültigen Empfang des
zum ewigen Heil notwendigen Sakraments die
Seligkeit zu sichern. Beim zweiten Fall wird,
wenn es sich um den Abschluß der Mischehe han-
delt, die Gültigkeit der Taufe des akatholischen
Teils ohne weitere Untersuchung angenommen,
wenn nur das Taufzeugnis vorgelegt wird — es
sei denn, es wäre ein offenkundiger Grund für die
Nichtigkeit der Taufe da. Tauchen aber nach
Abschluß der Ehe Zweifel auf, die aus gewissen
Gründen nicht gelöst werden können, so hat das
heilige Offizium wiederholt entschieden (ogl. Wernz
IV 765 ff), daß die Taufe, insoweit die
Gültigkeit der Ehein Betracht kommt,
als gültig anzusehen ist, vorausgesetzt, daß in der
Religionsgesellschaft, welcher der Akatholik an-
gehört, ein Rituale vorgeschrieben ist, welches die
nach katholischer Auffassung gültige Taufform
enthält. Durch diese Bestimmung will die Kirche
nicht etwa eine ungültige Taufe sanieren, sondern
sie schafft nur Rechtssicherheit bezüglich der ge-
schlossenen Ehe.
II. Taufzwang. Christus hat der Kirche
zwar den allgemeinen Taufbefehl gegeben (Matth.
28, 19). Indes soll die Ausbreitung des Reiches
Gottes nicht gewaltsam, sondern durch Uberredung
und UÜberzeugung vor sich gehen. Prinzipiell ist
die Kirche immer auf diesem Standpunkt gestan-
den. Daß blinder Eifer oder politische Berech-
nung im Lauf der Jahrhunderte mitunter gegen
dieses Prinzip verstießen, kann man der Kirche
selbst nicht zurechnen. Die von König Sisibuth
in Spanien durch Rutenstreiche und Konfiskation
der Güter zum Übertritt gezwungenen Juden
wurden freilich durch das vierte Konzil von Toledo
(633) genötigt, im Christentum zu verbleiben,
Taufe usfw.
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auch diese Taufen als gültig betrachtet werden.
Bezüglich der Kinder von Nichtchristen befolgt die
Kirche den Grundsatz, daß sie — außer in Todes-
gefahr — nur mit Zustimmung der Eltern bzw.
Vormünder oder auch der Großeltern väterlicher-
seits getauft werden dürfen, vorausgesetzt, daß die
Möglichkeit christlicher Erziehung gegeben ist
(Benedikt XIV., Konstitution „Postremo“ 1747
und „Probe te“ 1751). Nach katholischem Recht
hat das Kind schon mit Erlangung des Vernunft-
gebrauchs, also mit dem siebten Jahr das Recht,
sich auch gegen den Willen der sonst einspruch-
berechtigten Personen dem Christentum zuzuwen-
den; anderseits kann ein solches Kind wider seinen
Willen nicht gültig getauft werden.
Christliche Eltern sind nach göttlichem und
kirchlichem Recht verpflichtet, ihre Kinder taufen
zu lassen. Als Frist bestimmt die Kirche höchstens
8—14 Tage nach der Geburt. Im Mittelalter
wurde die Zurückweisung der Taufe als Ketzerei
mit weltlichen Strafen bedroht. So noch der
Reichstagsabschied von Speier 1529 gegen die
Wiedertäufer. Die Kirche bedroht die Verweige-
rung der Taufe mit arbiträren Strafen. Der
Katholik, welcher seine Kinder häretisch taufen
läßt, wird als fautor haeresis betrachtet und
demgemäß bestraft.
Do die Kirche durch die Taufe ein Anrecht auf
den Getauften erwirbt, so hat sie auch besondere
Bestimmungen getroffen, um die religiöse Er-
ziehung desselben zu sichern, auch für den Fall,
daß z. B. ein Kind wider Willen der Eltern ge-
tauft worden war (Fall Mortara; vgl. „Katholik“
1859), oder für den Fall, daß die Eltern vom
Glauben abfallen. Solche Bestimmungen igno-
riert der moderne Staat.
Die evangelische Kirche hält am Tauf-
zwang auch insofern fest, als sie die Eltern streng
verpflichtet, die Kinder innerhalb der ersten sechs
Wochen zur Taufe zu bringen. Bei längerem
Aufschub verordnet die kirchliche Behörde, daß die
Eltern zuerst durch Mahnung seitens des Geist-
lichen, und bei Erfolglosigkeit derselben durch
Entziehung kirchlicher Rechte (Patenrecht, Wahl-
recht usw.) zur Erfüllung ihrer Pflicht zu zwingen
sind (Kirchengesetz betr. die Verletzung kirchlicher
Pflichten in Bezug auf Taufe usw. vom 30. Juli
1880 für die evangelische Landeskirche in Preußen).
Seit der Reformation hat die Landesgesetz-
damit der christliche Glaube nicht verächtlich ge-gebung oft auch in das kirchliche Taufrecht ein-
macht würde. Eine indirekle Nötigung war es gegriffen. Bevor der Grundsatz der Gewissens-
auch nur, wenn Gregor d. Gr. den heidnischen freiheit proklamiert wurde, war den Staaten der
Landleuten, die sich weigerten überzutreten, größere Taufzwang das geeignetste Mittel, ihren christlichen
Lasten — aber immerhin noch gerechte — auf- Charakter zu bekunden und zu erhalten. Dieser
erlegte als den übrigen. Wenn Karl d. Gr. die Zwang wurde vor allem auf die Eltern, dann
Sachsen durch Androhung der Todesstrafe zur aber auch auf sonstige Bestimmungsberechtigte aus-
Bekehrung zwang, so machte er damit die Ver= geübt. In verschiedenen Ländern, z. B. Preußen,
breitung des Christentums seinen politischen Zwecken Sachsen, Altenburg u. a. wurde bei über sechs
nutzbar, was die Kirche nie verteidigt hat. Da# Wochen fortgesetzter Weigerung des Vaters, das
diese zwangsweise Bekehrten doch wohl schließlich Kind taufen zu lassen, diesem ein Vormund
ihren aktiven Widerstand ausgaben, so konnten gesetzt, der die Taufe zu bewirken hatte. Nach