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Absicht, um die Ausbildung der katholischen Geist-
lichen an die Universitäten zu ziehen. Preußen
wollte anfangs auch noch eine katholisch-theologi-
sche Fakultät in Königsberg errichten, jedoch kam
dieser Plan nicht zur Ausführung. Für die Neu-
organisation der theologischen Fakultäten wurden
vielfach die Dotationen der alten katholischen Uni-
versitäten verwandt.
Während so die Staaten eifrig bemüht waren,
theologische Fakultäten zu errichten, verhielt sich
die päpstliche Kurie diesen Bestrebungen gegenüber
neutral oder sogar ablehnend. In sämtlichen Kon-
kordaten und Zirkumskriptionsbullen, die in dem
ersten Drittel des 19. Jahrh. zwischen Rom und
den deutschen Staaten vereinbart wurden, geschah
der Fakultäten mit einer einzigen Ausnahme, die
sich auf die Verleihung je einer Domherrenstelle
an die Professoren zu Münster und Breslau be-
zieht, keiner Erwähnnng. Wohl aber verpflichteten
sich Bayern, Preußen, Hannover und die ver-
einigten Staaten der oberrheinischen Kirchenpro-
vinz, die Errichtung von bischöflichen Klerikal-
seminarien in den Diözesen ihres Landes zuzulassen
und zu unterstützen. Vgl. bayrisches Konkordat
von 1817, Art. 5 (Seminarium adolescentum)
und die Zirkumskriptionsbulle vom 1. April 1818,
Bulle „De salute animarum“ von 1821, Art.
25, 42 und 52, Bulle „Impensa“ von 1824,
Art. 9, Bulle „Provida solersque“ von 1821,
Art. 5 (Seminarium puerorum), Erektions-
bulle „Ad dominici gregis“ von 1827, Art.
5. Noch deutlicher kommt die Stimmung der
damals maßgebenden römischen Kreise in der be-
rühmten Denkschrift des Kardinalstaatssekretärs
Consalvi „Exposizione dei Sentimenti di Sua
Santità sulla Dichiarazione dei Principi e
Stati Protestanti riuniti della Conferedazione
Germanica“ vom 10. Aug. 1819 zum Ausdruck,
in welcher sich der Verfasser aufs klarste gegen die
Ausbildung der Theologen an den Staatsuniver=
sitäten aussprach und die Gründung von triden-
tinischen Seminarien unter gänzlicher Abhängigkeit
von den Bischöfen forderte. Trotzdem unterblieb
bei der Ausführung der Vereinbarungen zwischen
Staat und Kirche die Gründung der Klerikal-
seminarien in denjenigen Diözesen, in denen staat-
liche Fakultäten vorhanden waren, während die
analoge Bestimmung des französischen Konkordats
vom Jahr 1801 (Art. 11) in allen Bistümern
Frankreichs durchgeführt worden war. Die päpst-
liche Kurie duldete stillschweigend diesen Zustand
der deutschen Kirche, durch welchen die staatlichen
Fakultäten in ihrer weitaus größten Mehrzahl er-
halten wurden. Nur zwei theologische Fakultäten
an den beiden Landesuniversitäten zu Marburg
und Gießen, die anfangs der 30er Jahre des
19. Jahrh. errichtet worden waren, mußten in-
folge der ablehnenden Haltung der Bischöfe von
Fulda und Mainz sofort bzw. später (im Jahr
1851) aus Mangel an Zuhörern wieder aufge-
hoben werden.
Theologische Fakultäten.
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Die Gründung der theologischen Fakultäten
siel in eine Zeit, in der das strenge System der
Staatshoheit über die Kirche noch in Blüte stand.
Infolgedessen wurde der bischöfliche Einfluß an-
fangs möglichst beiseite geschoben. Eine Besse-
rung der kirchlichen Rechtslage setzte hauptsächlich
mit der allgemeinen Freiheitsbewegung des Jahrs
1848 ein. Nach dem Vorgang des nach Köln be-
rufenen Koadjutors Johannes v. Geissel, der be-
reits im Jahr 1842 dem preußischen Kultusmini-
ster seine Wünsche bezüglich der katholisch-theologi-
schen Fakultät zu Bonn vorgetragen hatte, forderte
zunächst die Würzburger Bischofsversammlung
vom Jahr 1848 eine Erweiterung der bischöflichen
Rechte über die Fakultäten. Diesem Vorgehen
schlossen sich die bayrischen Oberhirten und die
Bischöfe der oberrheinischen Kirchenprovinz in
ihren Denkschriften von 1850 bzw. 1851 an. Die
Kundgebungen des deutschen Episkopats hatten
bei den beiden größten Staaten des jetzigen Deut-
schen Reichs einen nicht unbedeutenden Erfolg.
Der preußische Kultusminister kannte im Erlaß
vom 12. Juli 1850 an den Fürstbischof von
Breslau die Erteilung der jederzeit revokabeln
„bischöflichen Ermächtigung“ zur Verwaltung des
Lehramts an die Professoren der katholisch-theo-
logischen Fakultät an, und das bayrische Mini-
sterialreskript vom 8. April 1852 verfügte, daß
bei Anstellung der theologischen Professoren ein
Gutachten des Diözesanbischofs über den dogma-
tischen Standpunkt und den sittlichen Wandel
der Kandidaten eingeholt werden sollte. Später
sind allerdings beide Erlasse zurückgezogen worden.
Trotz der erlangten Zugeständnisse waren jedoch
die Bischöfe damals noch weit davon entfernt, sich
für die staatlichen Fakultäten zu erwärmen. Viel-
mehr gingen die führenden Mitglieder des preußi-
schen Episkopats, Johannes v. Geissel und Mel-
chior v. Diepenbrock, ernstlich mit dem Plan
um, ihre Priesterseminarien zu Fakultäten zu er-
weitern. Der Fürstbischof Heinrich Förster von
Breslau spricht noch in einem Brief vom Jahr
1861 an Kardinal Geissel den Wunsch nach den
tridentinischen Seminarien aus und bekennt, daß
er „der Plackereien mit der Universität herzlich
müde sei und unter solchen Verhältnissen sein Amt
nicht mehr verwalten könne". Wie aus der zitierten
Stelle hervorgeht, war die deprimierte Stimmung
der Bischöfe gegenüber den Fakultäten hauptsäch-
lich die Folge ihrer Verwicklungen mit einigen
Professoren der staatlichen Fakultäten. Insbeson-
dere erregten die bekannten Fälle Knoodt in Bonn
und Baltzer in Breslau jahrelang hindurch ein
großes Aufsehen. In Süddeutschland spielte sich
etwas später, gegen Ende der 1860er Jahre, der
unerquickliche Tübinger Konviktsstreit ab, in den
sogar der Münchener Nuntius de Meglia mit
hineinbezogen wurde.
In die akuteste Krisis gerieten die theologischen
Fakultäten im Jahr 1870, als mehrere Profes-
soren, namentlich in Bonn, München und Breslau,