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die Anerkennung des Vatikanischen Dekrets über
die päpstliche Unfehlbarkeit verweigerten und trotz-
dem von den staatlichen Regierungen in ihrem
Lehramt geschützt wurden. Ebenso hatten die Fa-
kultäten wie die theologischen Studien überhaupt
schwer unter dem nachfolgenden Kulturkampf zu
leiden. Jedoch blieben die bayrischen Fakultäten
von demselben im großen und ganzen verschont.
Die verhältnismäßig ruhigste Periode erlebten
die theologischen Fakultäten in Deutschland von
der Beendigung des Kulturkampfs (1888) bis zum
Jahr 1907. Insbesondere bewies Leo XIII. den
deutschen Fakultäten sein Vertrauen, indem er
Breslau (1888) das Promotionsrecht verlieh und
die Errichtung der theologischen Fakultät an der
Universität Straßburg (1902) kirchlicherseits ge-
nehmigte. Bezüglich des kirchlichen Promotions=
rechts für die katholisch-theologische Fakultät zu
Bonn wurden gleichfalls unter dem Pontifikat
Leos XIII. Verhandlungen angeknüpft, die aber
erst unter seinem Nachfolger (1905) zum defini-
tiven Abschluß gelangten.
In der Gegenwart sind wiederum mehrere be-
unruhigende Symptome aufgetaucht, welche die
Zukunft der theologischen Fakultäten an den
Staatsuniversitäten bedrohen. Aus den Zeitungen
und der Literatur haben die fakultätsfeindlichen
Bestrebungen bereits ihren Weg in die Parla-
mente gefunden. Obwohl daher die augenblickliche
Lage als sehr ernst aufgefaßt werden muß, fehlt
es nicht an begründeter Hoffnung für die Zukunft.
Aus der historischen Betrachtung über die Ge-
schichte der theologischen Fakultäten im 19. Jahrh.
lassen sich insbesondere drei günstige Momente für
deren Fortbestand herleiten. Erstens ist während
der ganzen Periode die konstante Politik der deut-
schen Regierungen für die Erhaltung und die
Hebung der theologischen Fakultäten eingetreten.
Eine Preisgabe der Fakultäten würde demnach
einen auffälligen Bruch mit den politischen Grund-
sätzen eines ganzen Jahrhunderts bedeuten, zu
dessen Herbeiführung sich unsere Staatsmänner
nicht so leicht bereit finden lassen dürften. Zweitens
hat sich die Sellungnahme des deutschen Episko-
pats und des Heiligen Stuhls zu den staatlichen
Fakultäten während des letzten Vierteljahrhunderts
wesentlich freundlicher gestaltet. In besonders feier-
licher und wirksamer Weise hat dies die Herren-
hausrede des Fürstbischofs von Breslau am
7. April 1911 bekundet, in welcher der Redner
namens der preußischen Bischöfe den dringenden
Wunsch aussprach, daß an dem Bestand der theo-
logischen Fakultäten nicht gerührt werde. Auf
Grund einer authentischen Information aus Rom
konnte Kardinal Kopp ferner die Versicherung ab-
geben, daß die höchste leitende Stelle der Kirche
dieselbe Ansicht vertritt. Endlich sind drittens die
juristischen Voraussetzungen für die Existenz der
Fakultäten, d. i. die paritätisch-konfessionelle Grund-
lage unserer Staatsverfassung, bis auf den heutigen
Tag im wesentlichen unverändert erhalten geblieben.
Theologische Fakultäten.
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4. Die rechtliche Stellung der staat-
lichen Fakultäten, insbesondere ihr
Verhältnis zur katholischen Kirche.
Nach heutigem deutschen Staatsrecht sind die Uni-
versitäten Veranstaltungen des Staats. Infolge-
dessen sind auch die theologischen Fakultäten als
integrierende Bestandteile der Universitäten staat-
liche Institute. Die königlichen Lyzeen in Bayern
haben denselben rechtlichen Charakter. Die Pro-
fessoren der theologischen Fakultäten sind unmittel-
bare Staatsbeamte und in Bezug auf Anstellung,
Besoldung und allgemeine Dienstpflicht allen
übrigen Staatsbeamten gleichgestellt. Namentlich
existiert in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen
den Professoren der Theologie und denen der welt-
lichen Fakultäten. Jedoch trifft die Gleichheit des
juristischen Verhältnisses bei den Lehrern der geist-
lichen und weltlichen Disziplinen in einem wich-
tigen Punkt nicht zu. „Der Professor der katho-
lischen Theologie wird zwar auch von der Staats-
regierung angestellt, aber in Hinsicht auf die Lehre
wirkt er durchaus als Beauftragter der Kirche“
(Paulsen). Hiernach sind die theologischen Pro-
fessoren nur nach ihrer äußern Stellung Beamte
des Staats; in Bezug auf ihre Lehrtätigkeit müssen
sie als Organe der Kirche betrachtet werden. Den
Grund hierfür gibt mit juristischer Schärfe Hin-
schius an, wenn er von der katholischen Kirche sagt:
„Kraft ihrer alleinigen Berechtigung zur Bewah-
rung und Verkündigung der christlichen Offen-
barung beansprucht sie, daß niemand ohne die
Genehmigung und ohne die Kontrolle der mit
ihrem Lehrauftrag ausgestatteten schriftmäßigen
Organe diechristliche Religion lehre“ (Kirchenrecht
IV 433). Der weltliche Unterricht untersteht auch
auf der höchsten akademischen Stufe dem Hoheits-
recht des Staats; dagegen ist die auf übernatür-
licher Offenbarung beruhende katholische Glaubens-
lehre der Jurisdiktion der Kirche unterworfen.
Ferner kommt noch in Betracht, daß die theologi-
schen Fakultäten für die wissenschaftliche Ausbil-
dung der zukünftigen Geistlichen, d. i. der Kirchen-
diener, bestimmt sind. Die Erfüllung dieser Aufgabe
ist nach den Grundsätzen des kanonischen Rechts
ebenfalls eine res mere ecclesiastica.
Nach dem geltenden kirchlichen Recht sind die
jetzigen theologischen Fakultäten in Deutschland
der Jurisdiktion der betreffenden Ortsbischöfe
unterstellt, während die mittelalterlichen Universi-
täten vielfach unmittelbar vom Apostolischen Stuhl
abhängig waren. Kraft ihres Leitungs-- und Auf-
sichtsrechts in Sachen des kirchlichen Lehrams
haben die Bischöfe die Befugnis: 1) den vom
Staat anzustellenden Dozenten der katholischen
Theologie die kirchliche Ermächtigung (missio
canonica) zu erteilen (vgl. Trid. sess. 5, c. 1.
de reform.; Kölner Provinzialkonzil von 1860
P. II, Tit. II, c. 26; Wiener Provinzialkonzil
von 1858 Tit. VI, c. 5; Prager Provinzial-
konzil von 1800 Tit. I, c. 10) und 2) die Rein-
heit und Echtheit der von den theologischen Pro-