Full text: Staatslexikon. Fünfter Band: Staatsrat bis Zweikampf. (5)

431 
die Anerkennung des Vatikanischen Dekrets über 
die päpstliche Unfehlbarkeit verweigerten und trotz- 
dem von den staatlichen Regierungen in ihrem 
Lehramt geschützt wurden. Ebenso hatten die Fa- 
kultäten wie die theologischen Studien überhaupt 
schwer unter dem nachfolgenden Kulturkampf zu 
leiden. Jedoch blieben die bayrischen Fakultäten 
von demselben im großen und ganzen verschont. 
Die verhältnismäßig ruhigste Periode erlebten 
die theologischen Fakultäten in Deutschland von 
der Beendigung des Kulturkampfs (1888) bis zum 
Jahr 1907. Insbesondere bewies Leo XIII. den 
deutschen Fakultäten sein Vertrauen, indem er 
Breslau (1888) das Promotionsrecht verlieh und 
die Errichtung der theologischen Fakultät an der 
Universität Straßburg (1902) kirchlicherseits ge- 
nehmigte. Bezüglich des kirchlichen Promotions= 
rechts für die katholisch-theologische Fakultät zu 
Bonn wurden gleichfalls unter dem Pontifikat 
Leos XIII. Verhandlungen angeknüpft, die aber 
erst unter seinem Nachfolger (1905) zum defini- 
tiven Abschluß gelangten. 
In der Gegenwart sind wiederum mehrere be- 
unruhigende Symptome aufgetaucht, welche die 
Zukunft der theologischen Fakultäten an den 
Staatsuniversitäten bedrohen. Aus den Zeitungen 
und der Literatur haben die fakultätsfeindlichen 
Bestrebungen bereits ihren Weg in die Parla- 
mente gefunden. Obwohl daher die augenblickliche 
Lage als sehr ernst aufgefaßt werden muß, fehlt 
es nicht an begründeter Hoffnung für die Zukunft. 
Aus der historischen Betrachtung über die Ge- 
schichte der theologischen Fakultäten im 19. Jahrh. 
lassen sich insbesondere drei günstige Momente für 
deren Fortbestand herleiten. Erstens ist während 
der ganzen Periode die konstante Politik der deut- 
schen Regierungen für die Erhaltung und die 
Hebung der theologischen Fakultäten eingetreten. 
Eine Preisgabe der Fakultäten würde demnach 
einen auffälligen Bruch mit den politischen Grund- 
sätzen eines ganzen Jahrhunderts bedeuten, zu 
dessen Herbeiführung sich unsere Staatsmänner 
nicht so leicht bereit finden lassen dürften. Zweitens 
hat sich die Sellungnahme des deutschen Episko- 
pats und des Heiligen Stuhls zu den staatlichen 
Fakultäten während des letzten Vierteljahrhunderts 
wesentlich freundlicher gestaltet. In besonders feier- 
licher und wirksamer Weise hat dies die Herren- 
hausrede des Fürstbischofs von Breslau am 
7. April 1911 bekundet, in welcher der Redner 
namens der preußischen Bischöfe den dringenden 
Wunsch aussprach, daß an dem Bestand der theo- 
logischen Fakultäten nicht gerührt werde. Auf 
Grund einer authentischen Information aus Rom 
konnte Kardinal Kopp ferner die Versicherung ab- 
geben, daß die höchste leitende Stelle der Kirche 
dieselbe Ansicht vertritt. Endlich sind drittens die 
juristischen Voraussetzungen für die Existenz der 
Fakultäten, d. i. die paritätisch-konfessionelle Grund- 
lage unserer Staatsverfassung, bis auf den heutigen 
Tag im wesentlichen unverändert erhalten geblieben. 
Theologische Fakultäten. 
  
432 
4. Die rechtliche Stellung der staat- 
lichen Fakultäten, insbesondere ihr 
Verhältnis zur katholischen Kirche. 
Nach heutigem deutschen Staatsrecht sind die Uni- 
versitäten Veranstaltungen des Staats. Infolge- 
dessen sind auch die theologischen Fakultäten als 
integrierende Bestandteile der Universitäten staat- 
liche Institute. Die königlichen Lyzeen in Bayern 
haben denselben rechtlichen Charakter. Die Pro- 
fessoren der theologischen Fakultäten sind unmittel- 
bare Staatsbeamte und in Bezug auf Anstellung, 
Besoldung und allgemeine Dienstpflicht allen 
übrigen Staatsbeamten gleichgestellt. Namentlich 
existiert in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen 
den Professoren der Theologie und denen der welt- 
lichen Fakultäten. Jedoch trifft die Gleichheit des 
juristischen Verhältnisses bei den Lehrern der geist- 
lichen und weltlichen Disziplinen in einem wich- 
tigen Punkt nicht zu. „Der Professor der katho- 
lischen Theologie wird zwar auch von der Staats- 
regierung angestellt, aber in Hinsicht auf die Lehre 
wirkt er durchaus als Beauftragter der Kirche“ 
(Paulsen). Hiernach sind die theologischen Pro- 
fessoren nur nach ihrer äußern Stellung Beamte 
des Staats; in Bezug auf ihre Lehrtätigkeit müssen 
sie als Organe der Kirche betrachtet werden. Den 
Grund hierfür gibt mit juristischer Schärfe Hin- 
schius an, wenn er von der katholischen Kirche sagt: 
„Kraft ihrer alleinigen Berechtigung zur Bewah- 
rung und Verkündigung der christlichen Offen- 
barung beansprucht sie, daß niemand ohne die 
Genehmigung und ohne die Kontrolle der mit 
ihrem Lehrauftrag ausgestatteten schriftmäßigen 
Organe diechristliche Religion lehre“ (Kirchenrecht 
IV 433). Der weltliche Unterricht untersteht auch 
auf der höchsten akademischen Stufe dem Hoheits- 
recht des Staats; dagegen ist die auf übernatür- 
licher Offenbarung beruhende katholische Glaubens- 
lehre der Jurisdiktion der Kirche unterworfen. 
Ferner kommt noch in Betracht, daß die theologi- 
schen Fakultäten für die wissenschaftliche Ausbil- 
dung der zukünftigen Geistlichen, d. i. der Kirchen- 
diener, bestimmt sind. Die Erfüllung dieser Aufgabe 
ist nach den Grundsätzen des kanonischen Rechts 
ebenfalls eine res mere ecclesiastica. 
Nach dem geltenden kirchlichen Recht sind die 
jetzigen theologischen Fakultäten in Deutschland 
der Jurisdiktion der betreffenden Ortsbischöfe 
unterstellt, während die mittelalterlichen Universi- 
täten vielfach unmittelbar vom Apostolischen Stuhl 
abhängig waren. Kraft ihres Leitungs-- und Auf- 
sichtsrechts in Sachen des kirchlichen Lehrams 
haben die Bischöfe die Befugnis: 1) den vom 
Staat anzustellenden Dozenten der katholischen 
Theologie die kirchliche Ermächtigung (missio 
canonica) zu erteilen (vgl. Trid. sess. 5, c. 1. 
de reform.; Kölner Provinzialkonzil von 1860 
P. II, Tit. II, c. 26; Wiener Provinzialkonzil 
von 1858 Tit. VI, c. 5; Prager Provinzial- 
konzil von 1800 Tit. I, c. 10) und 2) die Rein- 
heit und Echtheit der von den theologischen Pro-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.